• 03.07.2006 16:30

Warum Renault trotzdem gelassen bleiben kann

Renault musste in Indianapolis eine schwere Niederlage einstecken, dennoch befinden sich die Franzosen in der WM weiterhin auf einem guten Weg

(Motorsport-Total.com) - Auch wenn Ferrari den Grand Prix der USA klar dominiert hat: Das Renault-Team erkennt in dem ernüchternden Ergebnis durchaus Ansätze für begründeten Optimismus - zum Beispiel das problemfreie Debüt der neuen C-Spezifikation des Renault-RS26-V8 im Heck des Rennwagens von Giancarlo Fisichella. Damit erreichte der französische Werksrennstall die 19. Zielankunft beim 20. Start der laufenden Saison - ein beeindruckendes Statement, was die Zuverlässigkeit betrifft.

Titel-Bild zur News: Giancarlo Fisichella

Renault ist nach wie vor auf Kurs, was die Chancen in der Weltmeisterschaft angeht

Dabei stellte das Technische Reglement, das den Einsatz der Motoren bei mindestens zwei Grands Prix hintereinander vorschreibt, Renault vor ein Problem: Nachdem die B-Spezifikation beim fünften Rennen dieses Jahres Premiere gefeiert hatte, sah der ursprüngliche Zeitplan vor, die neueste Entwicklungsstufe des RS26 beim elften Saisonlauf erstmals einzusetzen - also beim Grand Prix von Frankreich.#w1#

Einsatz des RS26-C-Motors wurde vorgezogen

Da am Auto von Fisichella jedoch bereits vor Indianapolis der turnusmäßige Motortausch bevorstand, mussten sich die Experten in Viry-Châtillon entscheiden: Entweder sie ziehen den Einsatz des neuen Aggregats für den R26 des Italieners vor, oder aber er muss bis zum Grand Prix von Deutschland in Hockenheim warten, bis er in den Genuss der jüngsten Evolution kommt.

Die Lösung war - wie so oft - ein Kompromiss: Zwar erhielt der Römer bereits in den USA die aktuellste Motorenausbaustufe, diese jedoch wurde noch mit gebremstem Schaum freigegeben. Ihr volles Potenzial kann die C-Spezifikation erst in Magny-Cours abrufen, wenn sie auch für Fernando Alonso zur Verfügung steht.

"Unser Motorenentwicklungsplan sah den Einsatz der C-Version erst für Frankreich vor." Rob White

"Unser Motorenentwicklungsplan sah den Einsatz der C-Version erst für Frankreich vor", erläuterte Rob White, der Chefingenieur des Motorenprogramms von Renault. "Da das Auto von Giancarlo jedoch bereits in Indianapolis ein frisches Aggregat erhalten durfte, haben wir uns dafür entschieden, den neuen Achtzylinder schon in den USA an den Start zu schicken. Allerdings wählten wir dabei eine weniger aggressive Abstimmung, denn noch hat dieser Motor nicht alle Tests abschließend bewältigt. Dies wird unsere Aufgabe sein bei den Testfahrten, die in dieser Woche in Jerez anstehen. In Magny-Cours wollen wir dann das ganze Potenzial der Maschinen abrufen können."

Insgesamt zeigte sich White mit der Vorstellung seines Teams bei den beiden Nordamerikarennen sehr zufrieden: "Im Vergleich zu den Vorjahren haben wir sogar sehr erfolgreich abgeschnitten", so der Brite. "Dass unsere jüngste Motorenentwicklung dabei ohne jede Probleme die volle Renndistanz auf einer so extremen Vollgasstrecke absolviert hat, ist sehr erfreulich. Bei unserem Heimspiel sollte uns dies helfen, wieder auf die Siegerstraße zurückzukehren."

Fisichella in Indianapolis mit starker Leistung

Fisichella darf mit seiner Darbietung in Indianapolis zufrieden sein - auch wenn er gegen die siegreichen Ferraris nichts ausrichten konnte, so hat er dennoch die überraschend starken Toyotas brillant im Schach gehalten. Der Römer fuhr ein beeindruckend starkes Rennen, auch wenn das Ergebnis relativ enttäuschend war, wie er selbst zugab.

Doch diese besondere Form der Relativitätstheorie ist nicht so tragisch für das Renault-Team, wie es von außen betrachtet zu sein scheint: Noch im Vorjahr musste der französische Rennstall gleich bei beiden Nordamerika-Grands-Prix Nullrunden hinnehmen. 2006 sammelte die Mannschaft rund um Flavio Briatore immerhin 25 Punkte, während Ferrari 30 Zähler errang. Damit hat Renault sein Ziel, mit einem stabilen Vorsprung in beiden WM-Wertungen nach Europa zurückzukehren, voll und ganz erreicht.

"Zu Überheblichkeit besteht keinerlei Anlass." Pat Symonds

Zum Vergleich: Vor Jahresfrist betrug der Abstand des zweitplatzierten Teams McLaren-Mercedes zum gleichen Zeitpunkt der Saison lediglich 18 Punkte. Nun liegt Renault 26 Zähler vorn. Ebenfalls erfreulich: Mit 19 Zielankünften bei 20 Starts schraubte Renault die Zuverlässigkeit auf eine Quote von 95 Prozent hoch - in Relation zum Vorjahr (13 Zielankünfte bei 20 Starts = 65 Prozent) eine mehr als deutliche Verbesserung. Seit dem Grand Prix der Türkei 2005 gab es kein Formel-1-Rennen mehr, bei dem nicht ein Renault-Pilot den Sprung aufs Podest geschafft hätte - eine beeindruckende Erfolgsgeschichte mit 16 Kapiteln.

Frage an Pat Symonds: War der USA-Grand Prix bereits so etwas wie eine Vorentscheidung in puncto Titelverteidigung? "Ich denke nicht", so der Renault-Chefingenieur. "Zu Überheblichkeit besteht keinerlei Anlass. Wir werden jetzt exakt analysieren, warum wir am vergangenen Wochenende nicht konkurrenzfähig waren. Nachdem Ferrari noch eine Woche zuvor mit praktisch den identischen Fahrzeugen und Motoren deutlich langsamer fuhr als wir, hatten sie in Indianapolis plötzlich einen großen Wettbewerbsvorteil."

Symonds verweist erneut auf den Reifenkrieg

"Damit bestätigt sich eine These, die wir schon vor Beginn der Saison aufgestellt haben", sagte er. "Die Balance zwischen uns und unseren Kontrahenten kann sich von Rennen zu Rennen verändern. Es kommt immer darauf an, wer sich am besten den vorherrschenden Bedingungen anpasst und das Beste aus seinen Rennreifen herausholt. In den USA haben unsere Konkurrenten die bessere Lösung gefunden - so wie es uns in Zusammenarbeit mit Michelin bei nahezu allen anderen Grands Prix der laufenden Saison gelungen ist."

Pat Symonds

Pat Symonds betrachtet die Niederlage von Indy als einmaligen Ausrutscher Zoom

Könnte der Grand Prix der USA so etwas wie einen Wendepunkt in der Weltmeisterschaft darstellen? "Ich denke, wir dürfen in dieses eine Rennergebnis nicht zu viel hinein interpretieren", so Symonds. "Indianapolis zählt zu den eher ungewöhnlichen Strecken und besitzt eine Charakteristik, die mit anderen Grand-Prix-Kursen nur wenig gemeinsam hat. 2005 erlebten wir in Nordamerika die beiden schlimmsten Rennen einer Saison, an deren Ende wir beide WM-Titel errungen haben. In diesem Jahr sammelten wir 25 Punkte ein - aber wir haben eine klare Niederlage einstecken müssen, und das schmeckt niemandem in unserem Team. Wir können kämpfen."

"Für die bevorstehenden Läufe befindet sich ein aggressives Weiterentwicklungsprogramm auf dem Weg", kündigte der Brite an. "Bereits in Magny-Cours sollte uns der nächste markante Schritt nach vorne gelingen, denn dies ist der Heim-Grand Prix sowohl von Michelin als auch für uns. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in Frankreich wieder das gewohnte Kräfteverhältnis sehen werden - also einen spannenden Dreikampf zwischen Ferrari, McLaren und Renault."