• 11.07.2001 12:25

  • von Fabian Hust

Vorschau auf den Großen Preis von Großbritannien

Silverstone ist das Zuhause des Motorsports und jeder Brite träumt von einem Heimsieg vor dem heimischen Publikum

(Motorsport-Total.com) - Silverstone ist schon seit jeher bemüht, sich als das Zuhause des Motorsports ("home of motor racing") bezeichnen zu dürfen, auch wenn die Wurzeln des Automobil-Sports vielleicht eher in Frankreich zu suchen sind und langjährige Formel-1-Fans sich wohl mehr an spannende Rennen in Brands Hatch erinnern dürften. Doch die Rennstrecke, auf der die Formel 1 am 13. Mai 1950 mit einem Sieg von Guiseppe Farina auf einem Alfa Romeo 158 "geboren" wurde, darf ihr Formel-1-Rennen wohl weitere 15 Jahre behalten.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Der Regen bestimmte im vergangenen Jahr das Bild in Silverstone

Der Große Preis von Großbritannien ist der einzige Grand Prix, der in der 51-jährigen Geschichte der Formel 1 ohne Unterbrechung ausgetragen wurde. Jahre lang fand er in Aintree statt, doch 1964 zog man nach Brands Hatch um. Die Piloten waren von Aintree und Silverstone flache Pisten gewöhnt, Brands Hatch war für britische Verhältnisse einzigartig. Die 4,3 Kilometer lange Strecke war eine Berg- und Talbahn quer durch den Wald, eine Strecke, die die Fahrer herausforderte und den Zuschauern tolle Bilder driftender Autos lieferte.

Mitte der 80er-Jahre war das Aus für Brands Hatch gekommen. Die anderen Rennstrecken der Welt waren viel moderner und damit sicherer, ein schwerer Unfall von Jacques Laffite 1986 bedeutete das Aus. Was bleibt sind Erinnerungen an den dominierenden Jim Clark und das Rennen 1974, als Niki Lauda mit Problemen an die Box fuhr und Jody Scheckter den Sieg überlassen musste, weil sich eine Menschentraube um sein Auto gebildet hatte und der Österreicher nicht mehr auf die Strecke gehen konnte...

Silverstone ist Platz weiterer unvergesslicher Momente: Ferrari feierte 1951 mit Froilan Gonzales den ersten Formel-1-Sieg, 1980 holte Clay Regazzoni für Williams den ersten Triumph und man feierte 1997 mit Jacques Villeneuve in Silverstone den 100. Sieg. 1977 gab dessen Vater Gilles Villeneuve auf dem Traditionskurs sein Debüt. Ferrari und McLaren gewannen je elf Mal in England. 1952 sahen 22 Fahrer die Zielflagge - ein Rekord, der bis heute Bestand hat. Mit je fünf Siegen sind Alain Prost und Jim Clark in Silverstone die erfolgreichsten Piloten.

Seit 14 Jahren nun gastiert die Formel 1 regelmäßig in Silverstone. Erbaut wurde der Kurs auf einem ehemaligen Fluggelände aus dem Zweiten Weltkrieg. 1950 fand dort der erste Lauf der Nachkriegs-Formel-1-Weltmeisterschaft statt. Seit 1987 ist Silverstone die alleinige Austragungsstrecke des Großbritannien-Grand-Prixs und in diesem Jahr wird dort der 35. Grand Prix stattfinden.

Die Strecke wurde seit ihrem Bestehen häufig modifiziert, schnelle Kurven stellen die Reifen auf eine Belastungsprobe, eine gute Aerodynamik und ein gutes Fahrwerk sind in den schnellen Kurven wichtig, in denen die Autos oft untersteuern. Auf den langen Geraden ist ein hoher Top-Speed gefragt, die langsamen Kurven im Schlussdrittel der Strecke verlangen eine gute Traktion - ein guter Kompromiss beim Flügel-Set-Up der Autos ist aus diesem Grund sehr wichtig. Das Überholen ist auf der Strecke wegen fehlender langsamer Kurven nach langen Geraden und vielen schnellen Kurven, in denen man dem Vordermann kaum folgen kann, sehr schwierig.

Die Tücken der Strecke kommen von oben. Oftmals sorgt das typisch britische Wetter für Regen, der den sonst sehr griffigen Asphalt rutschig macht. Ein weiteres Problem äußert sich vor allem in den schnellen Kurven wie der 'Becketts' - der Wind. Da die Landschaft rund um die Strecke sehr flach ist, kommt häufig Wind auf, der in diesen Passagen dazu führt, dass die Autos aus der Balance geraten und häufig unangenehm untersteuern.

"Speed" ist in Silverstone das richtige Stichwort. In der Schikanenkombination 'Becketts' werden die Piloten mit 3g belastet. Am 20. Juli 1985 schrieb Keke Rosberg Geschichte, als er auf die Pole Position fuhr. Es war keine normale Pole Position, denn Rosberg fuhr trotz zweier leichter Grasberührungen mit seinem Williams-Honda mit einem Schnitt von 259,005 km/h die schnellste Qualifying-Runde aller Zeiten.

Um die Strecke herum herrscht eine eher ländliche Gegend vor, auch wenn viele Formel-1-Teams ihre Fabriken unweit der 5,141 Kilometer langen Strecke platziert haben. Um die Piste herum gibt es zahlreiche Campingplätze, die Anreise mit dem Auto stellt die Fans, die sich das 60-Runden-Rennen über 308,356 Kilometer anschauen wollen, wegen ständiger Staus vor eine Geduldsprobe.

In Silverstone kann man in den wenigen Pubs nicht viel besser essen als an den Imbussbuden der Strecke selbst - das britische Essen ist eben gewöhnungsbedürftig. Wer nicht auf dem Campingplatz übernachtet, der ist gut beraten, Silverstone zu verlassen und in einen der Pubs in Northampton oder Stratford-upon-Avon zu gehen, wo man sich als Nicht-Engländer deutlich wohler fühlt - Essen, Bier und Stimmung sind hier deutlich besser.

Im vergangenen Jahr war es das Wetter, das für lange Gesichter sorgte. Zum ersten Mal wurde das Rennen in den April vorverlegt und prompt goss es aus allen Kübeln. Die Parkplätze waren unbenutzbar, es gab riesige Staus und zahlreiche Fans konnten nicht an die Strecke kommen. Wohlweislich entschied man sich ein Jahr später wieder für den traditionellen Juli-Termin.

Die Fans hoffen in diesem Jahr auf ihren Landsmann David Coulthard, der als Erster nach Jim Clark 1964 einen Hattrick in Silverstone schaffen könnte. Der Schotte hat gute Karten, denn in Sachen Punkten ist er der erfolgreichste amtierende Pilot in Silverstone. 31 Punkte aus sieben Rennen, zwei Siege, das kann sich sehen lassen.

Michael Schumacher hingegen hat keine besonders gute Beziehung zu Silverstone. 1999 der schwere Unfall, neun Starts aber nur ein Sieg und keine Pole Position. Mit 23 WM-Punkten ist Silverstone eine der ganz wenigen Strecken, auf denen Michael Schumacher bisher nicht besonders erfolgreich ist. Jacques Villeneuve ist mit seinen Siegen 1996 und 1997 der dritte aktive Pilot im Bunde, der in Silverstone schon einen Sieg feiern durfte.

Ein Blick auf die letzten Jahre

2000
David Coulthard holt seinen zweiten Sieg in Folge vor Teamkollege Mika Häkkinen im zweiten McLaren-Mercedes. In einem Qualifying mit gemischten Wetter holt Rubens Barrichello im Ferrari die Pole Position vor Heinz-Harald Frentzen im Jordan-Mugen-Honda. 31 Runden führt der Brasilianer, muss dann aber mit Hydraulik-Problemen aufgeben. Michael Schumacher hat keine Chance, er wird Dritter.

1999
Trotz roter Flagge gibt Michael Schumacher noch Gas und versucht Teamkollege Eddie Irvine zu überholen, als an seinem Ferrari ein Bremskreis versagt. Der Deutsche kracht mit 107 km/h in die Reifenstapel und erleidet einen doppelten Beinbruch. Es folgen sechs Rennen Pause. Mika Häkkinen muss seine Sieghoffnungen begraben, als er nach einem verpatzten Boxenstopp ein Rad verliert. Teamkollege David Coulthard gewinnt vor Eddie Irvine im zweiten Ferrari und Ralf Schumacher im Williams-Supertec.

1998
Eines der verrücktesten Rennen der Formel-1-Geschichte. Starker Regen sorgt für Chaos auf der Strecke und Michael Schumacher geht von Startplatz 2 aus gestartet in Führung, nachdem Mika Häkkinen von der Strecke rutscht. Michael Schumacher wird eine 10-Sekunden-Zeitstrafe aufgebrummt, die dieser in der letzten Runde in Führung liegend absitzt. Da er beim Einfahren in die Box bereits die Ziellinie überquert, wird er trotz heftiger Proteste zum Sieger erklärt. Mika Häkkinen kommt auf den zweiten Platz, Eddie Irvine im zweiten Ferrari wird Dritter.

1997
Jacques Villeneuve holt seinen zweiten Silverstone-Sieg und den 100. Triumph für das Williams-Team. Jean Alesi kommt auf den zweiten Platz vor Benetton-Renault-Teamkollege Alexander Wurz. Michael Schumacher muss mit einem Radlagerschaden in Führung liegend aufgeben.

1996
Trotz Protest des Benetton-Teams nach dem Rennen wegen einer angeblich nicht reglementkonformen Endplatte am Frontflügel ist Jacques Villeneuve im Williams-Renault der Sieger. Gerhard Berger kommt im Benetton-Renault auf den zweiten Platz, Mika Häkkinen wird Dritter. Michael Schumacher muss schon nach drei Runden mit einem Getriebeschaden aufgeben.