Villeneuve: "Die Fans brauchen ihre Helden"

Jacques Villeneuve im 'F1Total.com'-Interview über seine Situation bei Sauber, David Richards, charakterlose Youngsters und Danica Patrick

(Motorsport-Total.com) - Mit seiner starken Vorstellung im Qualifying in Montréal hat Jacques Villeneuve die Gerüchte um eine vorzeitige Ablöse bei Sauber-Petronas vorerst einmal abgeschüttelt. Gestern sprach der Kanadier im Interview mit 'F1Total.com' über den Aufwärtstrend der vergangenen Rennen, seine Fehde mit Ex-Boss David Richards, die Gründe für das Aussterben charakterstarker Fahrer in der Formel 1 und den Gewichtsvorteil von IRL-Amazone Danica Patrick, über den bisher alle hinweggesehen haben.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve

Jacques Villeneuve ließ zuletzt einen Aufwärtstrend in den Leistungen erkennen

Frage: "Jacques, in Montréal ist es am Ende nicht ganz so gelaufen, wie du es dir vorgestellt hattest, aber dennoch war es ein ermutigendes Wochenende, nicht wahr?"
Jacques Villeneuve: "Ja, es war ein gutes Wochenende. Das Qualifying ist gut gelaufen, wir waren sehr progressiv. Auch die Basis für das Rennen hat gestimmt, war aggressiv. Leider ist gleich zu Beginn des Rennens etwas schief gelaufen, aber ich konnte trotzdem noch weit nach vorne fahren. Das ist immer ermutigend, klar."#w1#

"Haben das Auto etwas mehr an meinen Fahrstil angepasst"

Frage: "Obwohl es zwischendurch immer wieder Tiefpunkte gab, scheint es seit Imola für dich ein wenig aufwärts zu gehen. Warum läuft es jetzt doch ein wenig besser als bei den Überseerennen zu Saisonbeginn?"
Villeneuve: "Wir haben das Auto etwas mehr an meinen Fahrstil angepasst, ich verstehe das Auto jetzt auch ein wenig besser. Das Verhältnis zu den Ingenieuren und Mechanikern ist auch besser geworden. Da ist es dann leichter, sich gegenseitig zu verstehen - und das ermöglicht es wiederum, einfacher ans Limit zu gehen."

Frage: "Vor einigen Monaten hast du gesagt, dass dir das Team in Sachen Setup zu wenige Freiheiten einräumt. Hören sie jetzt mehr auf dich?"
Villeneuve: "Es ist immer noch schwierig. Es gibt immer noch einige Teile am Auto, von denen sie glauben, dass sie eigentlich schlecht sind, aber ich komme damit einfach besser zurecht. Wie gesagt: Es ist immer noch schwierig, aber wir arbeiten uns Schritt für Schritt an eine bessere Lösung heran."

"Kein Problem" im Umgang mit Teamchef Peter Sauber

Frage: "Ich werde dich nicht schon wieder darauf ansprechen, dass Peter Sauber gesagt hat, du seiest zu langsam, aber er hat auch gesagt, dass euer persönliches Verhältnis zueinander sehr ruhig und konstruktiv ist. Kannst du das bestätigen?"
Villeneuve: "Ja, an dieser Front gibt es kein Problem. Wenn man sich entscheidet, einen Vertrag zu unterschreiben, dann muss man es professionell angehen."

Frage: "Vor Saisonbeginn war eines deiner Argumente für Sauber-Petronas, dass es ein unpolitisches Team ist. Jetzt gibt es trotzdem eine Schlammschlacht in den Medien. Das muss im negativen Sinne überraschend für dich gekommen sein, nicht wahr?"
Villeneuve: "Ja, schon, aber ich denke immer noch, dass das Team unpolitisch ist."

Frage: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass BMW euer Team übernehmen oder zumindest Motoren liefern wird. Wie würdest du dem gegenüberstehen?"
Villeneuve: "Zunächst einmal gibt es dazu intern keine Neuigkeiten. Ich lese auch nur die Gerüchte und mache mir darauf meinen Reim. Deshalb ist diese Frage schwierig zu beantworten. Aber für das Team wäre es nur gut, wenn es ein umfangreiches Engagement eines Herstellers geben würde. Dadurch würde mehr über die Weiterentwicklung des Autos nachgedacht werden und es würden mehr Angestellte daran arbeiten. Außerdem wäre natürlich mehr Geld da."

"Ich möchte immer mein Bestes geben"

Frage: "Im Moment sieht es nicht danach aus, als würdest du mit Sauber-Petronas bald Rennen gewinnen. Du hast eine Weltmeisterschaft und viele Siege in deiner Tasche, musst nichts beweisen. Im Moment bist du auch motiviert, aber könnte sich das angesichts der fehlenden Erfolgsperspektive irgendwann ändern?"
Villeneuve: "Es ist natürlich immer frustrierend, wenn man hinterherfährt, aber ich bin trotzdem immer motiviert. Ich möchte immer mein Bestes geben. Ganz einfach."

Frage: "Du hast dich kürzlich wieder recht kritisch über deinen Ex-Teamchef David Richards geäußert. Warum war er deiner Meinung nach bei BAR-Honda immer gegen dich?"
Villeneuve: "Warum er so war, weiß ich nicht. Es gab einfach keinen plausiblen Grund dafür. Es hat einfach irgendwann angefangen. So, wie ich das sehe, bin ich aber nicht der Einzige, mit dem er so umgegangen ist, sondern es ist zwischen ihm und einigen weiteren Fahrern passiert. Anscheinend ist er auf einem Kreuzzug, um alle Leute um ihn herum zu zerstören. Ich habe keine Ahnung, ob er einfach ein Problem mit seinem Ego hat oder ob es geschäftliche Hintergründe hatte. Die Sache wurde jedenfalls ziemlich aggressiv von ihm gehandhabt, daher habe ich den Eindruck, dass es eher eine persönliche Geschichte war."

Privatfehde mit David Richards noch nicht ausgestanden

Frage: "Man weiß, dass sich David Richards über dein hohes Gehalt öffentlich immer negativ geäußert hat, aber hat er auch intern gegen dich gearbeitet?"
Villeneuve: "Der Plan war nie, dass das Team mein Gehalt zahlen muss, sondern der Plan war, dass es die Sponsoren direkt zahlen sollen. Das hatte nie Auswirkungen auf das Budget des Teams. Das war einfach nur eine einfache Möglichkeit für ihn, mich in Misskredit zu bringen und die Medien gegen mich aufzuhetzen, um mich loswerden zu können. Ich verstehe noch immer nicht, warum das alles passiert ist."

Frage: "Ich wollte eigentlich eher darauf hinaus, ob er teamintern auch gezielt gegen dich gearbeitet hat oder nur öffentlich..."
Villeneuve: "Zumindest wüsste ich nichts davon, aber wenn ein paar Leute im Team gegen dich arbeiten, kann es sein, dass du davon gar nichts mitbekommst. Hauptsächlich hat sich damals alles über die Medien abgespielt."

Frage: "An Indianapolis hast du sicher schöne Erinnerungen, nicht wahr?"
Villeneuve: "Klar. Das Indy 500 ist das wichtigste Einzelrennen, das ich je gewonnen habe. Dadurch bin ich erst in die Formel 1 gekommen."

Formel-1-Weltmeisterschaft wichtiger als das Indy 500

Frage: "Schätzt du im Nachhinein den Sieg beim Indy 500 oder den Gewinn der Formel-1-Weltmeisterschaft höher ein?"
Villeneuve: "Das Wichtigere ist sicher die Weltmeisterschaft."

Frage: "Mit deinen 34 Jahren hast du wohl nicht mehr allzu viel Zeit in der Formel 1 vor dir. Hast du noch spezielle Ziele, die du erreichen möchtest, und wie lange kannst du dir vorstellen, diesen Sport noch auszuüben?"
Villeneuve: "Wie es aussieht, wird es schwierig, die Anzahl der Siege von Michael (Schumacher; Anm. d. Red.) zu übertreffen (lacht). Ein klares Ziel in dem Sinn habe ich derzeit nicht. Natürlich möchte ich gerne wieder ein Rennen gewinnen. Deswegen fahre ich ja Rennen."

Frage: "Im Diskussionsforum auf unserer Internetsite gibt es nur zwei Arten, in der die Menschen über dich schreiben: entweder sehr positiv oder extrem negativ. Wie erklärst du dir das?"
Villeneuve: "Wie man das erklären kann, weiß ich nicht, aber vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass ich mir selbst gegenüber immer ehrlich gewesen bin, dass ich immer das sage, was ich denke. Dann mag man mich entweder oder eben nicht. Zumindest gebe ich keine leeren Worthülsen von mir. Ich spreche nicht wie ein Roboter. Da müssen sich die Leute dann entscheiden und eine Seite beziehen. Selbst wenn man von vielen Menschen extrem negativ gesehen wird, bedeutet das doch immerhin, dass man innerhalb des Sports wichtig ist, etwas bedeutet. Es zeigt, dass ich noch meinen Platz in der Formel 1 habe."

"Väter leben ihre Rennleidenschaft durch die Söhne aus"

Frage: "Warum reißen die jungen Fahrer ihre Klappe nicht mehr auf? Sind das wirklich nur die PR-Kostüme, in die sie von den Herstellern gezwängt werden?"
Villeneuve: "Es hat auch damit zu tun, dass sie zu jung in die Formel 1 kommen. Viele von ihnen kommen in die Formel 1, weil ihre Väter Formel-1-Fans sind und das so wollen. Die Väter leben ihre Rennleidenschaft durch die Söhne aus. Tief drin wollten diese Jungs ursprünglich vielleicht gar keine Rennfahrer werden. Von dieser Sorte gibt es sicher ein paar, wenn auch nicht alle so sind."

"Dann gibt es auch noch die Hersteller und Teams, und manche Teamchefs haben ein wahnsinnig großes Ego. Die sind lieber selbst Stars und haben etwas dagegen, dass ihnen die Fahrer das Rampenlicht wegnehmen. Die Hersteller und Teamchefs wollen nur noch, dass ihr Auto gewinnt, mit einem Teamhelm im Cockpit, aber der Fahrer soll nicht mehr gewinnen. Die Fans können sich damit aber nicht identifizieren. Die Fans brauchen ihre Helden."

Frage: "Danica Patrick war heute an der Strecke. Was hältst du von ihr und traust du ihr den Sprung in die Formel 1 zu?"
Villeneuve: "Sie könnte es in die Formel 1 schaffen, ja, aber ob sie dann auch erfolgreich wäre, ist eine andere Geschichte. Vom Ovalrennfahren in die Formel 1 ist es ein gewaltiger Schritt. Sogar für mich war es damals ein großer Schritt, als ich aus der ChampCar in die Formel 1 gekommen bin, obwohl die ChampCar damals noch eine sehr starke Serie war. Von der IRL in die Formel 1 zu gehen, das wäre schon sehr ehrgeizig. Fahrerisch hätte sie sicher kein Problem, aber die Leute müssen verstehen, dass die Formel 1 körperlich sehr anstrengend ist. Sogar ein Mann muss viel trainieren, weil es körperlich so schwierig ist. Für eine Frau wäre es noch schwieriger. Sie müsste mehr trainieren als jetzt. Das ist aber möglich, meine ich."

Patrick: "Formel 1 ein gewaltiger, aber nicht unmöglicher Schritt"

"Die andere Geschichte ist, dass sie 60 Pfund leichter ist als die meisten ihrer Gegner. Das sind ungefähr 25 Kilogramm. Zehn Kilogramm machen auf einer normalen Rennstrecke ungefähr drei Zehntelsekunden pro Runde aus. Wenn man es so sieht, hat sie in der IRL pro Runde ungefähr sechs Zehntel Vorteil gegenüber den Männern. Das wäre in der Formel 1 aber hinfällig, weil in der Formel 1 das Minimalgewicht aus Auto und Fahrer gemeinsam berechnet wird. Dieser Vorteil würde für sie also verloren gehen. Die Formel 1 wäre daher ein gewaltiger, aber nicht unmöglicher Schritt."

Frage: "Die FIA hat Vorschläge für das Reglement ab 2008 hervorgebracht - mit geringeren Kosten, weniger Downforce, Slicks, breiteren Autos und manueller Schaltung wie früher. Das sind doch sicher Vorschläge, die dir gefallen, nicht wahr?"
Villeneuve: "Es wird sowieso nicht so kommen, das kann ich dir garantieren."

Frage: "Aber aus Fahrersicht wären das doch sicher begrüßenswerte Vorschläge, nicht wahr?"
Villeneuve: "Die Teams und Hersteller werden immer all das Geld ausgeben, das sie kriegen können. Solange es Sponsoren gibt, werden die Kosten nicht sinken. Der Rennsport wird nie billiger werden. Ich habe die Regelvorschläge aber noch nicht selbst gesehen, daher kann ich dazu keinen Kommentar abgeben."