• 27.10.2011 20:16

  • von Dieter Rencken

Vettel: "Können viel von den Indern lernen"

Wieso die Menschen in Indien Sebastian Vettel inspirieren, wie er mit den tödlichen Unfällen umgeht und welche neuen Eindrücke er vom Kurs gewonnen hat

(Motorsport-Total.com) - Obwohl der Medientag auf dem brandneuen Buddh-International-Circuit von Pannen gezeichnet war und die Gegensätze zwischen Sport und Kultur in keinem Land so groß sind wie in Indien, zeigt sich Sebastian Vettel beim Tischgespräch mit den Medienvertretern nachdenklich, aber in guter Laune. Der Weltmeister zeigt sich an Land und Leuten sehr interessiert und nützte die Zeit vor dem Renn-Wochenende, um sich von den Menschen inspirieren zu lassen - er spricht über seine Indien-Eindrücke, die Motorsport-Tragödien der vergangenen Wochen und seinen Umgang mit den Menschen.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Frage: "Sebastian, es ist nicht dein erstes Mal in Indien. Wie findest du das Land?"
Sebastian Vettel: "Voll mit Leuten! (lacht) Nein, es ist interessant. Es ist sehr anders als bei uns. Ich war gestern mal abseits der Rennstrecke etwas unterwegs und es ist für jeden schwer vorstellbar, der es nicht gesehen hat - vor allem die Umstände, in denen die Leute hier leben. Es ist ganz schwer, das in ein paar Sätzen zu erklären."

"Man sieht, wie anders das Leben hier ist - von klein auf -, was die Chancen angeht, was man vielleicht einmal aus seinem Leben machen kann. Entscheidend ist aber, dass die Leute sich am Leben erfreuen, lächeln, freundlich sind, kleine Kinder lachend über die Straße springen und spielen - und das trotz der wenigen Dinge, die sie vielleicht haben. Da sieht man, dass es darauf nicht so sehr ankommt. Ich glaube, man muss es einmal gesehen haben, um vieles, was einen selbst angeht, zu schätzen zu wissen. Es ist schön, das mal zu sehen, und sehr inspirierend. Wir können viel von ihnen lernen."

"Entscheidend ist, dass die Leute sich am Leben erfreuen, lächeln, freundlich sind." Sebastian Vettel

"Auch die Strecke hier ist etwas besonders, teilweise sehr breit. Dadurch haben wir die Möglichkeit, viele Linien zu wählen. Die Herausforderung ist hier noch einmal spezieller - es sind ein paar schwierige Kurven dabei. Also alles in allem freue ich mich auf das Rennen."

Frage: "Deine Heimatstadt Heppenheim hatte aber durchaus schon mal Berührung mit Indien. Hast du davon gehört?"
Vettel: "Ja. Ich weiß, dass der eine oder andere Bollywood-Film in Heppenheim gedreht wurde, weil den Leuten anscheinend die deutschen Altstädte ganz gut gefallen. Heppenheim hat eine schöne Altstadt, also ist mir das schon zu Ohren gekommen."¿pbvin|512|4212||0|1pb¿

Frage: "Sieht sicher witzig aus, wenn der Guru vor dem Fachwerk-Haus sitzt."
Vettel: "Wenn es ihnen hier gefällt? Uns gefällt es ja auch, also kann man sie nicht verurteilen."

Frage: "Auch die Feierstunden in Milton Keynes beim Team und in Heppenheim am Wochenende haben dir sicher gefallen. Wie hast du diese Ereignisse mit ein paar Tagen Abstand erlebt?"
Vettel: "Es war sehr schön. Einerseits beim Team - also bei den Leuten, die sich das ganze Jahr über im Prinzip bemühen, uns zwei schnelle Autos hinzustellen. Es ist etwas ganz Besonderes, vor der gesamten Mannschaft zu stehen - wenn die knapp 500 Leute zusammengetrommelt werden, dann fallen einem auf einmal keine Worte mehr ein. Es bedeutet mir schon sehr viel, zumindest dort zu sein und danke zu sagen."

"Im Winter werden wir glaube ich die Zeit haben, ein bisschen kräftiger zu feiern. In Heppenheim war es natürlich auch etwas Besonderes - jeder kennt das, wenn er viel unterwegs ist, egal ob weit weg oder nur ein bisschen außerhalb, und dann wieder nach Hause kommt. Vor allem, wenn man dann so empfangen wird."¿pbvin|512|4195||0|1pb¿

"Es ist unheimlich schwer, das in Worte zu fassen. Es war verrückt. Ich habe mich immer umgedreht und geschaut, wer noch dasteht. Es ist ein bisschen schwer zu verstehen, dass die Leute wegen uns gekommen sind."

Die Herausforderungen von Noida

Frage: "Kehren wir in die Gegenwart zurück: Wie hast du dich auf die Strecke vorbereitet?"
Vettel: "Ich war ein paar Mal im Simulator und hatte die Gelegenheit, mir die Strecke einzuprägen. Ansonsten kann man nicht so viel machen. Es ist eine von Grund auf neue Strecke und der Simulator ist mit Sicherheit die beste Möglichkeit, sich vorzubereiten, damit man zumindest einmal das Layout im Kopf hat und die Streckenführung kennt, weiß, wo es links, wo es rechts, wo es bergauf und bergab geht, wo man ungefähr mit welchem Gang und mit welchen Geschwindigkeiten rechnen kann."

"Wenn man neben die Rennstrecke schaut, dann ist da extrem viel Sand." Sebastian Vettel

"Den Rest wird man dann morgen sehen. Die Strecke ist nicht ganz so sauber, also es gibt viel Schmutz. Das bringt auch die Luft mit sich, es ist sehr staubig. Wenn man neben die Rennstrecke schaut, dann ist da extrem viel Sand. Wenn ein bisschen Wind kommt, dann wird der auf die Strecke geweht. Ich glaube, es bringt immer viel mit sich, wenn man dann vor Ort ist. Viel Neues, das man nicht in dem Sinne simulieren kann."

Frage: "Wer wird hier schnell sein?"
Vettel: "Schwer zu sagen, denn es handelt sich um ein neues Layout, wahrscheinlich mit einer neuen Charakteristik. Wir müssen abwarten. Die Reifenauswahl liegt sehr weit auseinander - es gibt den weichen und den harten Reifen. Es wird ein langes, kniffliges Wochenende."¿pbvin|512|4203||0|1pb¿

Frage: "Wirst du, obwohl die WM entschieden ist, gleich aggressiv wie sonst sein? Ist jeder Sieg gleich wichtig?"
Vettel: "Nun ja, die Leute fragen sich nach der Titelentscheidung immer, worin die Motivation und unser Antrieb, gegeneinander anzutreten, liegt. Wir sind hier und sind sehr gespannt, denn es handelt sich um eine neue Strecke, ein neues Rennen, den Grand Prix von Indien. Jeder Einzelne von uns will ihn gewinnen. Motivation ist nicht wirklich ein Problem."

Frage: "Würdest du - auch durch die Begleitumstände - sagen, dass dieser Grand Prix mehr Abenteuer ist als die anderen?"
Vettel: "Mal schauen, was die Strecke mit sich bringt. Aber wenn man abseits der Strecke schaut - Indien als Land -, wenn man den Bruchteil beurteilt, den wir gesehen haben, dann bringt das sicher viel Abenteuer mit sich."

Wie Vettel die schwarze Motorsport-Woche erlebte

Frage: "Es hat in diesem Monat zwei tödliche Unfälle im Motorsport gegeben. Wie hast du das miterlebt? Ruft einem das in Erinnerung, wie gefährlich dieser Sport ist?"
Vettel: "Ja, auf jeden Fall. Natürlich bekommt man es mit. Ich glaube, es herrscht doch eine größere Distanz zwischen dem Motorsport in Amerika und bei uns in Europa, aber als ich nach Europa zurückgekehrt war, erfuhr ich von Dans Unfall. Der Motorrad-Unfall letztes Wochenende war da schon wesentlich präsenter, weil ich den Marco auch kannte. Nicht gut, aber ich kannte ihn."


Fotos: Großer Preis von Indien


"Ich habe das Rennen gesehen und es ist nie ein gutes Zeichen, wenn es so lange dauert, bis man eine Antwort erhält. Es war furchtbar, das zu sehen, wirklich schockierend. Man hofft einfach nur auf gute Nachrichten. Wenn man dann sieht, wie schnell sich die Dinge ändern können, dann weiß man vieles zu schätzen."

"Letztlich gehen wir bei jedem Rennen ein gewisses Risiko ein und sind glücklich damit, weil wir so viel Spaß daran haben. Über die Konsequenzen denkt man in dem Sinne nicht nach, in dem Moment, wo man im Auto sitzt, aber es ist einem schon bewusst. Der Respekt ist auf jeden Fall da, aber man hofft natürlich, dass nie was passiert."

"Es ist denke ich etwas schwierig, in nur einer Woche von dem Unfall zu lernen und die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Wir wissen, dass Motorsport gefährlich ist, aber wir sollten immer versuchen, es sicherer zu machen, dürfen nie aufhören. Es gibt immer Dinge, wo wir die Sicherheit verbessern können."

"Auf der ganzen Welt - nicht nur in der Formel 1, sondern auch in anderen Serien. Wir haben in der Formel 1 in den vergangenen paar Jahren, im letzten Jahrzehnt, großartige Arbeit geleistet. Aber wir dürfen nicht aufhören, denn es ist wirklich schlimm zu sehen, wie man einen Freund verliert - egal ob in Amerika oder auf dem Motorrad. Jetzt können wir nicht mehr tun, als zu akzeptieren, was passiert ist. Wir stehen den Hinterbliebenen bei, so gut es geht."

Vettel pflegt Kontakt zu den Fans

Frage: "Du hast hier viele Kindergemälde unterschrieben. Wie steht es um deine Talente als Maler?"
Vettel: "Ich wünschte, die wären halb so gut wie das, was ich da gesehen habe. Ich habe früher gerne gemalt, habe aber dann früh aufgegeben, weil es glaube ich nicht so mein Ding war."

"Ich denke, dass es keine Rolle spielt, ob ich Weltmeister bin oder nicht." Sebastian Vettel

Frage: "Es fällt auf, wie zugänglich du für deine Fans bist, wie viele Autogramme du gibst."
Vettel: "Ich weiß es nicht. (lacht) Wenn jemand fragt, dann warum nicht? Ich liebe den Rennsport, ich liebe, was ich mache. Das ist ein Teil davon. Es ist großartig, viele Bilder von Kindern unterschreiben zu können. Sie haben alles selbst gemalt. Das Geringste, was wir tun können, ist mit unserem Namen zu unterschreiben. Es bedeutet ihnen sehr viel, sie waren sehr aufgeregt. Es ist schön, die Möglichkeit zu haben, diese Momente zu genießen."

Frage: Es zeigt, dass du selbst als Weltmeister nicht vergisst, woher du kommst."
Vettel: "Ich denke, dass es keine Rolle spielt, ob ich Weltmeister bin oder nicht. Natürlich ist der Zeitplan immer eng und man hat nicht viel Freizeit, aber es geht um Kinder - das ist das kleinste Problem."

Frage: "Wusstest du, dass du in Indien so ein Star bist?"
Vettel: "Nein, das habe ich nicht gewusst. Ich freue mich auf das Wochenende. Ich habe gehört, dass es ausverkauft ist. Wir rechnen also mit vielen Zuschauern."

Frage: "Du hast gesagt, dass du es zum Metallica-Konzert nicht schaffen wirst."
Vettel: "Ja, es ist schade. Denn es wäre am Freitagnachmittag. Und natürlich ist Freitag der Tag, wo wir am meisten beschäftigt sind. Wir haben das Freie Training, müssen viele Dinge durcharbeiten, vor allem hier auf dieser neuen Strecke. Wir haben einen Kerl in der Garage, sein Name ist Richard. Er ist ein riesiger Metallica-Fan. Schade, dass sie nicht zur Strecke kommen, um uns zu besuchen. Das ist aber vielleicht auch die bessere Entscheidung, denn er wäre absolut aus dem Häuschen. Vielleicht werden sie uns ja überraschen, oder es gibt in Zukunft noch einmal eine Gelegenheit."