• 23.03.2009 11:47

  • von Bianca Garloff

Vettel-Interview: Gegen Odenwald oder Regenwald

Red-Bull-Hoffnungsträger Sebastian Vettel im Interview über die Vorbereitung, das Training und die Erwartungshaltung in Deutschland

(Motorsport-Total.com) - Mit Sebastian Vettel hat Red Bull ein vielversprechendes Talent aus dem Juniorkader ganz nach oben gebracht. Der junge Heppenheimer arbeitete sich schnell und beeindruckend durch die Nachwuchsklassen wie Formel BMW oder Formel-3-Euroserie, um ebenso schnell in der Formel 1 aufzutrumpfen. Bisheriger Höhepunkt war der Rennsieg 2008 im meist unterlegenen Toro Rosso in Monza. Im A-Team von Red Bull soll Vettel nun schon bald um weitere Siege kämpfen.

Titel-Bild zur News: Sebastian VettelJerez, Circuit de Jerez

Sebastian Vettel will mit Red Bull zu weiteren Formel-1-Siegen fahren

Der Neuzugang muss sich 2009 im eigenen Team mit dem hoch eingeschätzten Teamkollegen Mark Webber auseinandersetzen. Man darf gespannt sein, wie Vettel vor allem im Qualifikations-Vergleich gegen den erfahrenen Australier abschneiden wird. Eines steht fest: Der 21-Jährige hat sich bisher kaum aufhalten lassen und er wird es wohl in Zukunft auch nicht zulassen. Im Interview schilderte Vettel seine Vorbereitung, seine Erwartungen und den Druck der deutschen Öffentlichkeit.#w1#

Frage: "Sebastian, bald steigst du in den Flieger nach Australien, um deine erst zweite komplette F1-Saison in Angriff zu nehmen. Was sagt dein Bauchgefühl?"
Sebastian Vettel: "Einerseits bin ich schockiert, wie wenig wir in diesem Jahr testen durften. Andererseits wird es schon Zeit, dass es endlich wieder losgeht. Ob wir und ich gut vorbereitet sind, sehen wir dann in Australien."

Frage: "Wie hast du dich persönlich vorbereitet?"
Vettel: "Hoffentlich so, dass ich das ganze Jahr davon zehren kann. Denn während der Saison fehlt wegen der ganzen Reiserei einfach die Zeit für ausgiebiges Fitnesstraining."

Ein Finne macht den Vettel fit

Frage: "Also, was hat Sebastian Vettel gemacht?"
Vettel: "Es gibt zehntausend verschiedene Theorien, was man am besten machen sollte. Was meiner Meinung nach aber am wichtigsten ist - und das vergessen viele - ist, dass man sich im Winter auch mal erholen muss. Allein durch das Reisen verbraucht man unheimlich viel Energie und wird extrem müde."

"Am liebsten fahre ich mit dem Formel-1-Auto." Sebastian Vettel

Frage: "Hast du deshalb einen eigenen finnischen Fitnesstrainer engagiert?"
Vettel: "Ich habe jemanden gesucht, der genau die Ansprüche erfüllt, die ich habe. Da gab es mehrere Kandidaten, aber er war der Beste."

Frage: "Dein Lieblingstraining?"
Vettel: "Am liebsten fahre ich mit dem Formel-1-Auto. Das ist das beste Training, das es für uns gibt. Denn es ist sehr wichtig, die Nackenmuskulatur zu stärken. Aber selbst, wenn du das den ganzen Winter über gemacht hast, setzt du dich beim ersten Test in die Schüssel rein und hast am nächsten Morgen das böse Erwachen. Ansonsten laufe ich gerne, fahre Fahrrad und ich liebe Ballspiele - Tennis, Badminton oder Squash. Da bist Du immer in Bewegung und hast Action. Nur Stretching ist nicht meins. Muss aber auch sein."

Frage: "Nach deinem Sieg in Monza haben viele gesagt, der Wechsel zu Red Bull sei ein Rückschritt. Wie siehst du das nach den ersten vier Monaten im neuen Team?"
Vettel: "Ich habe damals schon gesagt, dass es kein Rückschritt ist. Ich denke auch heute, es war ein Schritt in die richtige Richtung. Natürlich gibt es immer ein weinendes und ein lachendes Auge. Besonders wenn man nach so einem tollen Jahr sein Team verlässt. Aber mir war klar, dass es der richtige Schritt für meine Zukunft ist. Red Bull Racing ist ein größeres Team. Es hat mehr Ressourcen und mehr Potential. Deshalb bleibe ich bei meiner Meinung von damals."

Eine unfassbare Leistungsdichte 2009?

Frage: "Wie gut läuft dein neues Auto denn?"
Vettel: "Bis jetzt können wir wirklich sehr zufrieden sein. Die Basis hat gestimmt, das war das Wichtigste. Wir hatten keine größeren Probleme mit der Zuverlässigkeit. Und ich glaube, es ist uns auch sehr gut gelungen, die ganzen Kinderkrankheiten auszumerzen. Was mich überrascht, ist die Leistungsdichte. Ferrari, BMW, Toyota, Williams, Renault und wir sind sehr, sehr nah beieinander. Uns trennen vielleicht zwei, drei Zehntelsekunden pro Runde. Ich denke, dass sich das über die Saison strecken wird. Im Moment kann man aber nicht sagen, dass irgendjemand ein schlechtes Auto gebaut hat."

Frage: "Wer hat dich überrascht?"
Vettel: "Das ehemalige Honda-Team, also Brawn GP. Bleibt abzuwarten, ob sie diese Mega-Form mit in die Saison nehmen können. Aber nach den ganzen Bestzeiten beim letzten Gruppentest in Barcelona haben wir sie zumindest auf der Rechnung. Zu Recht. Das waren keine Zeiten, die mit wenig Sprit gefahren wurden, um Sponsoren aufzutreiben. Eine weitere Überraschung ist, dass McLaren ein bisschen hinterherhinkt. Aber es wird nicht lange dauern, dann werden die auch wieder ganz vorne mitmischen. Dafür sind die zu lange im Geschäft."

Frage: "Und du? Kannst du deinen Sieg wiederholen?"
Vettel: "Im Moment liegen alle sehr nahe beieinander. Das heißt, dass ich mit ein bisschen mehr Einsatz den Sprung nach vorne schaffen kann. Wenn dir ein kleiner Fehler passiert, stehst du aber auch gleich am Ende der Schlange. Ob unser Auto siegfähig ist, bleibt also abzuwarten. Australien wird da nicht wirklich aussagekräftig. Um zu sehen, wer wo steht, müssen wir die ersten drei, vier Rennen abwarten."

¿pbvin|512|1346||0pb¿Frage: "Wie gehst du mit dem Druck in Deutschland um? Immerhin sieht man dich dort als Schumis Nachfolger."
Vettel: "Mir ist egal, wie man mich sieht und was man erwartet. Ich habe Erwartungen an mich selbst. Vielleicht wirkt das jetzt ein bisschen abgedroschen oder cool. Aber so denke ich eben und dann muss ich das auch so sagen dürfen. Zum Thema Nachfolger: Michael ist einer der größten Rennfahrer aller Zeiten. Daran besteht kein Zweifel."

"Es gibt jede Menge Sachen, die man von einem so großen Champion lernen kann. Aber letztenendes kann man niemanden kopieren. Gut, wir kommen nun einmal aus dem gleichen Land. Und wir alle - Nico, Timo, Adrian, Nick und ich - wir werden immer an Schumi gemessen, weil er die Latte für den Rest gelegt hat. In Spanien ist es dasselbe. Da wird der neue Alonso gesucht. Aber es wird keinen neuen Alonso und auch keinen Michael Schumacher mehr geben!"

Frage: "Aber eben einen Sebastian Vettel."
Vettel: "Genau. Und der hat Erwartungen an sich selbst und an sein Team. Und er wird sein Bestes geben."

Kein Mittel gegen Webber gefunden

Frage: "Erstes Ziel: Bester Deutscher werden?"
Vettel: "Das ist mir eigentlich wurscht! Es ist mir egal, woher der andere kommt, der gerade im Auto vor mir fährt. Natürlich ist es etwas ganz Besonders, dass wir jetzt schon im zweiten Jahr fünf Deutsche in der Formel 1 haben. Zwei davon sogar aus dem Odenwald. Aber das spielt keine Rolle. Jeder will sein Rennen fahren und am besten gewinnen. Dafür musst du alle anderen schlagen. Egal, ob die jetzt aus dem Odenwald kommen oder aus dem Regenwald in Brasilien."

"Du musst alle anderen schlagen. Egal, ob die jetzt aus dem Odenwald kommen oder aus dem Regenwald in Brasilien." Sebastian Vettel

Frage: "Dein neuer Teamkollege Mark Webber gilt als harte Nuss. Wie willst du die knacken?"
Vettel: "Da habe ich kein spezielles Rezept. Ich habe jedenfalls noch keine Pillen aufgetrieben, die ihn auf der Toilette verweilen lassen, während wir das Rennen starten. Mark ist ein sehr starker Fahrer. Aber wie gesagt: Wenn man gewinnen will, muss man alle schlagen. Mark ist schon lange dabei, hat jede Menge Erfahrung, von der ich mir hoffentlich vieles abschauen kann. Um so selbst besser zu werden."

Frage: "Fast alle Top-Teams fahren mit dem Hybridsystem KERS und 82 Zusatz-PS zum Überholen. Red Bull in den ersten drei Rennen nicht. Warum?"
Vettel: "Wir haben im Winter die Zeit genutzt, um KERS zu testen. Das System lief von Anfang an reibungslos. Es ist also bereit. Aber wir haben unsere Gründe, warum wir das in den ersten drei Rennen nicht einsetzen. Im Laufe der Saison werden aber mehr und mehr Teams dazu greifen, weil es eben doch eine Möglichkeit ist, einen Schritt besser zu sein als die anderen."

Frage: "Du machst dir aber Sorgen um die Sicherheit."
Vettel: "Ich habe keine Bedenken, wenn man sich an die Sicherheitsvorschriften halten kann. Aber was, wenn das Auto sich überschlagen hat und der Fahrer regungslos im Auto sitzt? Die Formel 1 ist immer noch eine gefährliche Sportart, auch wenn manche Leute das nicht so sehen."

Mehr über die neue Saison in der Formel 1 lesen Sie in der neuen SPORT BILD (erscheint am 25.3.).