• 09.10.2008 12:41

  • von Dieter Rencken

Vettel: "Ich mache niemandem Platz"

Sebastian Vettel über die Chancen in Fuji, sein Verhalten im Weltmeisterschafts-Duell und seinen Gipfelsturm am Montag

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel ist nach seinem Monza-Sieg ein gefragter junger Mann. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen reiste der Toro-Rosso-Pilot nach dem Rennen in Singapur doch noch einmal zwischen Asien und Europa hin und her, um am Samstag bei 'Wetten Dass..?' zu Gast sein zu können. Nach seiner Ankunft in Fuji sprach Vettel in einer Presserunde über die verbleibenden drei Rennen der Saison, sein Verhältnis zu BMW und seine mögliche Rolle im Titelkampf. Außerdem erklärte der Heppenheimer, warum er schon am Montag ganz oben stehen will.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Gespräche: Sebastian Vettel mit seinem zukünftigen Teamchef Christian Horner

Frage: "Sebastian, du hast im vergangenen Jahr auf dieser Strecke erstmals eine richtige Duftmarke gesetzt. Wie denkst du daran zurück?"
Sebastian Vettel: "Es war ein sehr gutes Rennen für uns. Es hatte etwas ein tragisches Ende, aber nichtsdestotrotz war es gut. Wenn man jetzt zurückschaut, dann sieht man nur das Positive. Es war einfach eine blöde Situation und zum Ende hin hat es nicht sollen sein. Wenn mir morgen anschieben sollten, ist das gar kein Problem (lacht)."#w1#

Vettel fährt sein eigenes Rennen

Frage: "Wünscht du dir für das Rennen Regen?"
Vettel: "Das bringt gar nichts, sich das zu wünschen, weil wir das ganz einfach gar nicht entscheiden. Wir müssen es nehmen, wie es kommt. Ich denke, im Regen sind wir stark unterwegs. Das hat man letztes Jahr gesehen und auch in diesem Jahr wieder. Aber auch fürs Trockene haben wir dieses Jahr ein Paket geschnürt, welches ganz ordentlich ist. Wir müssen uns unter keinen Bedingungen verstecken."

"Wir müssen uns unter keinen Bedingungen verstecken." Sebastian Vettel

Frage: "Wie schwierig ist es, wenn es wirklich - wie vorhergesagt - am Samstag regnet und dann am Sonntag nicht?"
Vettel: "Das ist immer schwierig. Im Regen ist immer die Gefahr größer, dass etwas unvorhersehbares passieren kann. Im Trockenen ist es für alle leichter und sicherer, weil im Regen oftmals Dinge passieren können, die man nicht selbst in der Hand hat und die größere Auswirkungen haben könnten. Es wird natürlich schwierig, denn auch die Richtung des Windes soll sich im Verlauf des Wochenendes ändern. Da wird es schwer, den richtigen Mix für das Auto zu finden, im Bereich der Kühlung zum Beispiel. Warten wir es mal ab. Es hat sich jetzt Tag für Tag etwas verändert und wir warten natürlich bis zum letzten Moment, was die Wettervorhersage macht. Manchmal stimmt sie ja selbst dann auch nicht. Es ist immer ein bisschen Lotterie."

Frage: "Die fährst einen Ferrari-Motor. Beeinflusst das möglicherweise dein Verhalten im WM-Kampf zwischen McLaren-Mercedes und Ferrari?"
Vettel: "Nein, gar nicht."

Frage: "Würde es sich Ferrari nicht vielleicht wünschen, wenn die Jungs mit den Ferrari-Motoren vielleicht mal etwas eher Platz machen?"
Vettel: "Platz mache ich keinem. Es sei denn, ich bin überrundet und muss ihn wegen der blauen Flagge vorbeilassen. Dann mache ich das für jeden, wie sich das gehört. Auf der anderen Seite wünscht man sich ja auch, falls man in die Position kommt, zu überrunden, dass der dann auch Platz macht. Es ist egal dabei, ob jetzt Silber, Rot, Blau, Grün, Gelb. Das ist wurscht. Wir sind hier zum Rennenfahren. Wir sind nicht Rahmenprogramm, sondern wir ziehen unser eigenes Ding durch. Dass wir natürlich nicht so weit vorne fahren können wie Ferrari oder McLaren-Mercedes, ist klar. Aber wir versuchen trotzdem, unser Bestes zu geben. Sollte die - aus welchen Gründen auch immer - regulär hinter uns sein, dann ist es egal, ob Rot oder Silber: Wir fahren unser Rennen. Da winkt man keinen vorbei."

Schritt für Schritt zum Erfolg

Frage: "Am Sonntag liegt dein Sieg in Monza genau vier Wochen zurück. Hat sich dein Leben verändert?"
Vettel: "Nein (schmunzelt). Naja, ich bin etwas älter geworden. Meine Gelenke fangen jetzt etwas an zu schmerzen (lacht). Nein, im ernst: Für mich hat sich nichts geändert. Ich war ja seither ständig unterwegs. Es ging danach gleich weiter nach Jerez, dann war das Rennen in Singapur. Dann war ich kurz zu Hause und jetzt bin ich hier. Viel Zeit war also noch nicht. Natürlich war schon etwas Zeit, um es sacken zu lassen und man versteht schon, was passiert ist. Daraus resultierend hat sich aber nichts verändert. Meine Rennen gehe ich noch genauso an wie vorher auch. Ich glaube, es wäre falsch, jetzt irgendetwas zu ändern."


Fotos: Großer Preis von Japan


Frage: "Wie hast du die Begeisterung in Deutschland erlebt. Ist das ein richtige Hype?"
Vettel: "Ich war kurz am Samstagabend in Nürnberg, aber ansonsten war ich noch gar nicht in Deutschland. Es hat sich aber schon einiges getan. Es ist natürlich schön, wenn mich so viele Leute unterstützen."

"Es ist natürlich schön, wenn mich so viele Leute unterstützen." Sebastian Vettel

Frage: "Die kannst dich ja zurzeit vor all den Weltmeistertiteln, die dir vorhergesagt werden, kaum noch retten. Wie viele davon kannst du erfüllen?"
Vettel: "Bis jetzt habe ich noch keinen. So gesehen ist die Frage damit eigentlich schon beantwortet. Ich denke, ein Weltmeistertitel ist noch sehr, sehr weit weg. Da gibt es noch sehr viel zu tun. Es ist mein Ziel, das will ich erreichen. Ich habe davor keine Angst, aber bisher habe ich Null auf dem Konto und dieses Jahr wird sich daran nichts mehr ändern. Mathematisch ist es unmöglich, dass ich noch Weltmeister werden kann."

Frage: "Wie ist eigentlich dein Kontakt zu BMW?"
Vettel: "Ich kenne die Leute ja alle noch und wenn man sich über den Weg läuft, dann sagt man natürlich 'Grüß Gott'. Ansonsten schaut man mal vorbei. Ich bin manchmal dort zum Abendessen."

Frage: "Ist eine Rückkehr irgendwann einmal denkbar?"
Vettel: "Wer weiß? Nächstes Jahr fahre ich bei Red Bull und was danach kommt, weiß ich noch nicht."

Auch Toro Rosso nun mit Geweih

Frage: "Siehst du bei eurem Auto für die letzten drei Rennen noch Steigerungspotenzial?"
Vettel: "Wir haben für hier noch einmal eine kleine Änderung, auch wenn sie optisch sehr groß ist. Wir haben auf der Nase einen kleinen Zusatzflügel, ähnlich wie BMW, oder auch Red Bull beim letzten Rennen. Ansonsten gibt es keine größeren Pläne mehr. Ich glaube, das ist bei allen Teams gleich."

"Wenn man natürlich jetzt noch um die WM fahren würde, dann würde man noch einmal versuche, etwas draufzulegen. Aber gerade auch wegen der Reglement-Änderung für nächstes Jahr, also Einführung von KERS und anderen Reifen und so. Da gibt es sehr viel zu tun für das kommende Jahr. Wenn man jetzt erst damit anfängt, ist es natürlich schon zu spät, aber es wird eben jetzt immer mehr schon für nächstes Jahr entwickelt."

"Egal, ob Rot oder Silber: Wir fahren unser Rennen. Da winkt man keinen vorbei." Sebastian Vettel

Frage: "Was soll denn das neue Geweih an eurem Auto bringen?"
Vettel: "Da müsstet ihr die Aerodynamiker fragen. Es soll wohl mehr Abtrieb bringen und effizienter arbeiten."

Frage: "Welche Ziele hast du persönlich für diese drei letzten Rennen der Saison?"
Vettel: "Wie immer: das Beste herauszuholen. In den letzten drei oder vier Rennen ist es uns gelungen, fehlerfrei durchzukommen und das Beste herauszuholen. Das muss also unser Anspruch auch für die nächsten Rennen sein. Es ist immer schwierig zu sagen, welche genaue Position man erreichen will. Würde ich in einem Ferrari oder McLaren-Mercedes sitzen, würde ich natürlich sagen, dass ich alle drei Rennen gewinnen will. Wenn wir, wie in den vergangenen Rennen, in die Top-10 oder sogar in die Punkte kommen könnten, dann wäre das fantastisch. Wenn wir noch ein paar Punkte mitnehmen könnten, wäre das klasse."

Frage: "Liegt euch die Strecke mit ihrer langen Geraden und ihren engen Ecken?"
Vettel: "Es gibt diese lange Gerade, die wohl die längste im ganzen Kalender ist. Ansonsten ist die Strecke zweigeteilt. Nach der ersten Spitzkehre kommen einige sehr schnelle Kurven und dann kommt man in die zweite Hälfte und dort ist der enge Teil. Es geht bergauf und es ist sehr wichtig, dass das Auto dort sehr gut liegt und dass man gute Traktion hat."

"Ich glaube, die Strecke sieht leichter aus als sie ist, gerade auch vom fahrerischen her. In den letzten Ecken kann man sehr viel Zeit liegen lassen. Im ersten Teil muss man schnell sein und braucht Herz und eine gewisse Portion Mut, um das Auto fliegen zu lassen. Aber viel Zeit dort nicht herausschlagen, wohingegen du im letzten engen, winkligen Teil sofort für Fehler bestraft wirst. Dort kann man sehr viel Zeit gewinnen, oder eben auch verlieren."

Gipfelstürmer Vettel: Auf den Fujiyama

Frage: "Ist eine solche lange Gerade eher langweilig, oder ist es eine willkommene Möglichkeit zum Ausruhen?"
Vettel: "Nach dem Micky-Maus-Tail am Schluss ist es dann erst einmal erfreulich, dann etwas Ruhe zu haben. Man merkt aber schon, dass es extrem lang ist. Wenn man in Spa mal Eau Rouge als Vollgas-Abschnitt ohne Probleme als Gerade mitzählt, dann ist auch das sehr lang. Auch wenn es in Sekunden gar nicht einmal so viel ist. Eine Runde ist im Trockenen hier um die 1:20 Minuten. Wenn es aber wirklich nur schnurgerade geradeaus geht, dann kommt einem das aber wirklich schon lang vor. Aber die Autos sind ja recht gut motorisiert, also geht das schon."

Sebastian Vettel

Sieg im Regen von Monza: Auch in Fuji soll es regnen, allerdings nur bis Samstag Zoom

Frage: "Könnt ihr eigentlich den Fujiyama im Rückspiegel erkennen?"
Vettel: "Nein, bei unseren Spiegeln geht das nicht. Wir sind außerdem zu tief und fast schon zu nah dran am Berg."

Frage: "Wie schnell geht ihr auf der langen Geraden mit der Drehzahl ans Limit?"
Vettel: "Das kommt darauf an. Weil es hier viele langsame und mittelschnelle Kurven gibt, ist es nicht wie in Monza. Mann kann jetzt nicht mit dem kleinsten Flügel anrücken und dann bis zum Ende der Geraden immer weiter beschleunigen, sondern man wird relativ früh auf der Geraden schon bei 310 km/h sein, ja nach dem, wie viel Downforce am Auto ist. Danach macht man eben Schritt für Schritt, man braucht also dann sehr lang, um den nächsten km/h zu gewinnen. Darüber tüftelt man schon Wochen zuvor, um zu sehen, welches Aerodynamik-Paket am meisten Sinn macht und welche Konfiguration auf eine gesamte Runde schneller ist."

Frage: "Warst du eigentlich schon mal auf dem Fujiyama?"
Vettel: "Nein, bisher noch nicht. Aber ich mache das am Montag mit einer kleinen Gruppe. Man kommt erst einmal bis zu einem Lager auf 2.500 Metern und dann läuft man den Rest hoch. Ich denke mal, das wird eine Zeit lang dauern. Wir werden dort auch zelten. Das Wetter schlägt aber sehr schnell um und es wird wohl sehr kalt. Lassen wir uns überraschen."