Qualifying: Vettel wehrt Alonsos Attacke ab!

Tausendstelkrimi in Hockenheim: Sebastian Vettel holt vor Alonso und Massa die Pole-Position - Mercedes beim Heimspiel schwer geschlagen

(Motorsport-Total.com) - Nur zu gerne hätten die deutschen Formel-1-Fans heute in Hockenheim ein Erfolgserlebnis des Mercedes-Nationalteams um Michael Schumacher bejubelt, aber daraus wurde nichts. Dafür holte mit Sebastian Vettel ein anderer Lokalmatador die Kastanien aus dem Feuer - und zwar auf denkbar dramatische Art und Weise!

Titel-Bild zur News: Felipe Massa, Sebastian Vettel und Fernando Alonso

Glücklich: Felipe Massa, Polesetter Sebastian Vettel und Fernando Alonso

Denn der Red-Bull-Pilot hatte nach dem ersten Run im Top-10-Finale noch 34 Tausendstelsekunden Rückstand auf Fernando Alonso (Ferrari), schob sich aber am Ende mit einer Bestzeit von 1:13.791 Minuten am Spanier vorbei. Alonso hatte bei der zweiten Zwischenzeit noch Vorsprung auf diese Marke, brachte diesen aber nicht ganz über die 4,574 Kilometer - am Ende entschieden 0,002 Sekunden über den ersten und zweiten Startplatz!#w1#

Polesetter Vettel überglücklich

"Zwei Tausendstel sind nicht gerade der Abstand, den wir uns gewünscht hatten, aber es war wirklich aufregend", grinst der überglückliche Polesetter. "Es gibt hier einige Stellen, wo man schnell mal einen Fehler machen kann - pushst du ein bisschen zu viel, verlierst du gleich den Peak der Reifen. Meine letzte Runde war auch nicht perfekt, aber es hat um Haaresbreite für die Pole gereicht. Natürlich bin ich darüber extrem happy."

Ausschlaggebend waren die letzten 20 Fahrsekunden: "Als Sebastian in der Haarnadel ankam, hatte er noch ein Zehntel Rückstand auf seine persönliche Bestzeit", berichtet Teamchef Christian Horner, "aber der letzte Sektor war unwiderstehlich. Zwei Tausendstel sind ein denkbar knapper Abstand, aber er steht bei seinem Heimrennen auf Pole." Vettel warnt dennoch vor verfrühter Euphorie: "Wir haben ein starkes Auto, aber es wird ein harter Kampf gegen die roten Autos, schätze ich."

Sebastian Vettel

Sebastian Vettel war in Q1 und Q2 jeweils Zweiter, in Q3 dann aber Erster Zoom

"Ferrari ist hier sehr konkurrenzfähig", weiß der Deutsche - und der geschlagene Alonso nickt kämpferisch: "Ich habe ein gutes Gefühl im Auto. Leider habe ich die Pole knapp verpasst, aber das ist nicht wichtig. Die Punkte werden morgen vergeben. Das war ein guter Samstag, jetzt hoffe ich auf einen guten Sonntag." Enttäuscht ist er nicht: "Wir sollten glücklich sein, denn wir stehen zum ersten Mal in dieser Saison in der ersten Reihe. Das ist ein Fortschritt für uns."

Ferrari wie Phönix aus der Asche

Schon mit der Freitagsbestzeit hatte Alonso angedeutet, dass Ferrari an diesem Wochenende das einzige Team sein wird, das Red Bull wirklich herausfordern kann, und das bestätigte er im Qualifying mit mehr oder weniger deutlichen Bestzeiten (0,344 beziehungsweise 0,168 Sekunden Vorsprung auf Vettel) in Q1 und Q2. "Aber dass sie in Q3 immer noch ein Quäntchen auspacken können, habe ich schon vorher gewusst", sagt er.

Hinter Vettel und Alonso stehen Felipe Massa (Ferrari) und Mark Webber (Red Bull) in der zweiten Reihe, mit 0,499 beziehungsweise 0,556 Sekunden Rückstand doch klar geschlagen. Aber Massa freut sich in erster Linie über das Ergebnis: "Das war eine gute Leistung von uns", lässt er wissen. "Ich brachte in Q3 nicht meine besten Sektorenzeiten in eine Runde, aber ich bin froh darüber, endlich wieder unter den Top 3 zu sein."

Fernando Alonso und Felipe Massa

Ferrari ist wieder da: Fernando Alonso und Felipe Massa strahlen um die Wette Zoom

Webber leistete sich laut Teamchef Horner einen Fahrfehler in der ersten Kurve, aber der Australier wirkte zu keinem Zeitpunkt der Session so stark wie Vettel. Eine Überraschung gab es dafür im McLaren-Stallduell: Jenson Button fuhr am Ende die zweitbeste Zeit im Mittelsektor und schob sich damit noch um 0,139 Sekunden an Lewis Hamilton vorbei. Siegverdächtig war die heutige Performance nicht, auch wenn die Chrompfeile sonntags oftmals stärker sind.

Mercedes verwundert über schlechtes Abschneiden

Die Werks-Silberpfeile von Mercedes hatten sich ihren ersten Deutschland-Grand-Prix seit 1954 wahrscheinlich ganz anders vorgestellt: Galionsfigur Schumacher schied als Elfter bereits im zweiten Qualifying aus, auch Nico Rosberg musste sich mit Startplatz neun begnügen. "Schwer verständlich", wundert sich Testfahrer Nick Heidfeld. "Wir waren eigentlich davon überzeugt, einen guten Schritt gemacht zu haben. Die Top 10 wollten wir ganz locker packen."

Vor der Session wollte Schumacher "irgendwo zwischen Platz fünf und sechs" landen, dementsprechend hat er mit Rang elf wenig Freude: "Ich hätte vielleicht auch Achter werden können, aber Fakt ist, dass ich hier lieber auf der linken Seite stehe, denn der Unterschied zwischen links und rechts ist ziemlich groß. Vielleicht kann ich da die eine oder andere Position gutmachen, aber das anvisierte Podium ist damit in weite Ferne gerückt", seufzt der 41-Jährige.


Fotos: Großer Preis von Deutschland, Samstag


Klare Worte von Rosberg

Rosberg findet noch deutlichere Worte: "Das war absolute Katastrophe. Es kann nicht sein, dass ich 1,4 Sekunden vom Red Bull weg bin. Mein Auto wurde immer schlechter", schimpft der Deutsche und klagt über "Übersteuern, Übersteuern, Übersteuern". Teamchef Ross Brawn glaubt zumindest den Grund für das schlechte Abschneiden zu kennen: "Wir haben viele neue Teile am Auto, aber die harmonieren noch nicht richtig. Gestern war die Balance noch gut."

Abgerundet wurden die Top 10 von Robert Kubica (Renault/7./+1,288), Rubens Barrichello (8./+1,319) und Nico Hülkenberg (beide Williams/10./+1,548). Letzterer hatte für das Top-10-Finale nur noch einen frischen Reifensatz zur Verfügung, lag zwischenzeitlich auch vor seinem Teamkollegen, wurde im Finish aber doch wieder überrumpelt. Dafür hatte er in Q2 in letzter Sekunde noch sein einstiges Vorbild Schumacher aus den Top 10 gekegelt.

Nico Rosberg

Harte Worte: Nico Rosberg ist nach dem Qualifying wieder einmal stinksauer Zoom

Ebenfalls bereits in Q2 scheiterte Adrian Sutil, der Schnellste des verregneten Trainings am Freitagmorgen: "Das war problemlos, aber zu langsam", gesteht der Force-India-Pilot, der sich eigentlich viel mehr ausgerechnet hatte. "Ich hatte keinen Grip. Der 14. Platz war das Maximum - und leider geht es wegen des Getriebewechsels noch um fünf Plätze zurück. Aber man darf nie aufgeben, denn im Rennen ist noch alles möglich."

Schrecksekunde durch Liuzzi

Sein Team hat über Nacht übrigens jede Menge Arbeit vor sich, denn Vitantonio Liuzzi sorgte schon nach fünfeinhalb Minuten in Q1 für einen Abbruch der Session: Der Italiener crashte ausgangs der letzten Kurve innen in die Boxenmauer, blieb zunächst lange im Cockpit sitzen, konnte dann aber doch selbst aus dem Wrack aussteigen. Er schlug zuerst mit der Front, dann mit dem Heck ein - und sorgte für eine riesige Schrecksekunde!

Doch schon wenig später konnte Liuzzi Entwarnung geben: "Mir geht es gut. Die Autos sind heutzutage sehr sicher", atmet Sutils Teamkollege auf und schildert: "Ich bin leider außen ein bisschen aufs Gras gekommen, glaube ich. Das war vielleicht noch ein bisschen nass und da habe ich das Heck verloren. Schade, dass es gleich zu Beginn des Qualifyings passiert ist, aber dass da draußen noch eine Pfütze war, konnte ich nicht sehen."

Vitantonio Liuzzi

Vitantonio Liuzzi hatte bei seinem schweren Crash Glück im Unglück Zoom

Durch seinen Crash war klar, dass es neben den sechs Fahrern der neuen Teams keine "Etablierten" mehr erwischen würde. Die beiden Sauber-Piloten und der Schweizer Sébastien Buemi (Toro Rosso/17.) hatten aber keine realistische Chance auf den Aufstieg in die dritte Runde. Buemi verlor sogar das Stallduell gegen seinen spanischen Teamkollegen Jaime Alguersuari (16.) um 0,386 Sekunden - eine kleine Überraschung.

Glocks starke Leistung unbelohnt

Chancen auf die "kleine Pole-Position" der neuen Teams hätte heute wohl auch Timo Glock (Virgin) gehabt, aber für den Deutschen lief es nicht nach Wunsch: Erst hatte er Riesenglück, als er Liuzzis linkem Vorderrad nur um Haaresbreite ausweichen konnte, und später musste er seinen finalen Run aufgrund von Bremsproblemen streichen. Dadurch wurde er noch von den beiden Lotus-Piloten Jarno Trulli (18.) und Heikki Kovalainen (19.) überholt.

Das Liuzzi-Rad sei "schon noch ein Stück weg" gewesen, "aber wenn ich ein paar Meter früher dort angekommen wäre, hätte es sonstwo landen können. Das war nicht ohne, aber Gott sei Dank ist nichts passiert", berichtet Glock. Sein Teamkollege Lucas di Grassi konnte wegen einer defekten Lichtmaschine gar keine Zeit fahren und musste obendrein auch noch das Getriebe wechseln lassen - Strafversetzung um fünf Positionen!

Timo Glock

Timo Glock stand lange vor den Lotus-Fahrern, wurde am Ende aber nur 20. Zoom

Für das morgige Rennen werden erstens genau wie heute trockene Bedingungen und ein heißes Duell zwischen Red Bull und Ferrari erwartet. Polesetter Vettel könnte noch einige deutsche Fans veranlassen, in letzter Minute nach Hockenheim zu kommen, und auch Mercedes wird sicher versuchen, eine Aufholjagd hinzulegen. Für einen spannenden Grand Prix von Deutschland sollte auf jeden Fall gesorgt sein.