Vettel: "Fühle mich von Rennen zu Rennen wohler"
Sebastian Vettel spricht im Interview über die Strecke in Fuji, seine Erwartungen an Toro Rosso und seinen Lernprozess als Formel-1-Fahrer
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Sebastian, warst du schon auf der Strecke hier in Fuji, hast du sie dir schon ein bisschen angeschaut?"
Sebastian Vettel: "Ja, ich bin zu Fuß dreimal rumgelaufen und habe ein bisschen geschaut, wo die größten Bodenwellen sind, wie die Curbs sind, wo die Kurve nach außen hängt und wo nach innen und so weiter - einfach um zu schauen, wo es lang geht. Für eine Runde habe ich 20 Minuten gebraucht..."

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Sebastian Vettel (links) beim Abgehen der Strecke in Fuji mit Vitantonio Liuzzi
Frage: "Wie gefällt dir die Strecke in Fuji?"
Vettel: "Man kann sie natürlich nicht mit Suzuka vergleichen, denn das ist eine der besten Strecken aller Zeiten, aber sie sieht ganz interessant aus. Der letzte Sektor geht recht steil bergauf und hat eine sehr enge Kurve, die zwar langsam sein wird, aber technisch sehr anspruchsvoll. Schauen wir mal. Morgen wissen wir schon mehr."#w1#
Keine Gelegenheit zur Simulation
Frage: "Hast du dich auf Fuji speziell vorbereitet?"
Vettel: "Nein. Wir haben keinen Simulator und auf der PlayStation oder auf dem Computer kann man Fuji nicht spielen, weil es die Strecke noch nicht gibt. Die beste Vorbereitung ist aber sowieso ein Spaziergang um die Strecke."
Frage: "Der Asphalt hier ist eher glatt, oder?"
Vettel: "Das kommt drauf an, mit welchem Asphalt man es vergleicht, aber es scheint relativ griffig zu sein. In Kurve zehn ist ein Stück schwarzer Asphalt noch mal extra eingesetzt worden, der noch mehr Grip zu haben scheint, aber jetzt müssen wir mal schauen morgen, wie gut oder wie schlecht die Strecke ist."
Frage: "Die lange Gerade erinnert ein bisschen an Indianapolis..."
Vettel: "Ja."
Frage: "Und die Konsistenz des Asphalts?"
Vettel: "Mit Indy kommt man relativ gut hin, denn die Gerade ist sehr lang und abgesehen von den Kurven drei, vier und fünf ist der Rest ziemlich langsam. Indy hat im Infield auch wenige schnelle Kurven. Ansonsten muss man morgen mal schauen, denn beim Asphalt ist es vom Drübergehen und vom Fühlen mit der Hand immer ein bisschen schwierig, mit was man das vergleichen kann. Man kann es mit den anderen neuen Strecken vielleicht vergleichen, denn die Strecke hier gibt es zwar schon lange, wurde aber komplett überholt. Von daher kommt das glaube ich dem nahe, was die anderen neuen Strecken haben."
Frage: "Manche Strecken liegen in dieser Saison eher McLaren-Mercedes, manche Ferrari. Wo würdest du Fuji einreihen?"
Vettel: "Das ist weniger eine Frage des Asphalts als vielmehr des Streckenlayouts und des Charakters der Strecke. Ferrari war bis jetzt sehr stark auf Strecken wie in der Türkei oder in Spa, wo die Aerodynamik eine große Rolle spielt. McLaren hat mit Sicherheit keine schlechte Aerodynamik, das kann man so nicht sagen, aber vielleicht hat Ferrari da einen kleinen Vorteil, wohingegen McLaren auf wenigeren Kursen wie auch Indianapolis vielleicht stärker war."
Frage: "Du selbst bist jetzt nach ein paar Rennen sozusagen voll bei Toro Rosso gelandet. Wie schnell geht es, auf ein Level zu kommen, das du anstrebst?"
Vettel: "Ich denke, ich kann soweit zufrieden sein und bin soweit auch zufrieden. Von außen bekommt man das nie so gut mit wie im Team selbst. Am Ende des Tages weiß ich, was ich geleistet habe, ob es gut war oder weniger gut. Soweit bin ich wie gesagt zufrieden - und ich freue mich jeden Sonntag, wenn es heißt, die Formel 1 startet, dass ich ins Lenkrad greifen darf."
Vettel ist kein komplettes Greenhorn
Frage: "Wie viel Zeit gibst du dir, um die Formel 1 zu lernen?"
Vettel: "Ich hoffe, dass man nie damit aufhört, etwas zu lernen, denn sonst kann man sich als Fahrer nicht weiterentwickeln und verbessern. Sogar ein Michael Schumacher hat immer noch etwas dazugelernt, obwohl er schon mehr als zehn Jahre in der Formel 1 gefahren ist. Für die grundlegenden Dinge war ich ja Test- und Ersatzfahrer bei BMW. Dadurch war ich bei allen Rennen und Meetings dabei. Es ist nicht so, dass ich da nichts gemacht hätte, sondern ich bin nur nicht im Auto gesessen. Die ganzen Dinge um das Auto herum habe ich aber sehr wohl gemacht - und die sind ja auch sehr wichtig."
"Die Basis sollte also da sein, und von jetzt an komme ich mehr zum Fahren, was mit ein Grund und sogar der Hauptgrund dafür war, warum ich hierher gekommen bin. Man kann das nicht so sagen: 'Jetzt habe ich 90 Prozent meiner Ausbildung als Formel-1-Fahrer absolviert.' Das ist schwer einzuschätzen, speziell von mir selbst. Dafür gibt es die so genannten Experten, die sollen das beurteilen."
Frage: "Was erwartest du von diesem Rennen und von den nächsten?"
Vettel: "Ich fühle mich von Rennen zu Rennen im Team wohler, mit jedem Kilometer im Auto. Es war von Anfang an klar, dass es ein bisschen dauern wird, aber bisher haben wir einen guten Job gemacht. Leider mussten wir in Spa mit einem Lenkproblem aufgeben, aber gut. Die Strecke hier vergleichen manche mit Indianapolis, manche mit anderen Strecken. Warten wir ab. Es werden sicher nicht alle mit dem gleichen Setup starten. Vor allem aerodynamisch bin ich schon gespannt darauf, wer wie viel Flügel fahren wird. Dann schauen wir weiter. Vorherzusagen, wie gut oder schlecht wir sein werden, ist schwierig."
Frage: "Konzentriert ihr euch als Team schon voll auf 2008?"
Vettel: "Ja. In der Formel 1 ist das ganz normal: Wenn man nicht entwickelt und nicht früh genug an die nächste Saison denkt, bleibt stehen, und wer stehen bleibt, der fällt immer weiter zurück. Daher müssen alle schon für nächstes Jahr arbeiten, das ist nicht ungewöhnlich."
Fahrer kann nur Feedback geben
Frage: "Wie viel kannst du zum neuen Auto beitragen? Was hast du vielleicht schon beigetragen?"
Vettel: "Unterm Strich kannst du nie sagen: 'Wir haben einen neuen Fahrer, wegen ihm haben wir einen neuen Frontflügel.' Unterm Strich sind es die Ingenieure, die neue Ideen haben. Die Aufgabe der Fahrer ist es nur, die großen Tendenzen wiederzugeben, ob es unter- oder übersteuert, welche Probleme es mit den Bremsen gibt, ob die Traktion in Ordnung ist. Das sind die wichtigsten Dinge, die der Fahrer liefern kann. Alles andere ist Aufgabe des Teams, der Ingenieure."
Frage: "Was wird die größte Änderung am neuen Auto sein?"
Vettel: "Hoffentlich wird es viel schneller sein! Wir arbeiten am neuen Auto, aber zu sagen, was der größte Unterschied sein wird, dafür ist es noch zu früh. Wir wissen, wo unsere Probleme liegen, und wir haben einige Probleme, sonst wären wir nicht an diesem Ende des Fahrerlagers. Aber alle arbeiten hart und konzentrieren sich darauf, die Situation zu verbessern."
Frage: "Nächstes Jahr bekommt ihr in McLaren-Mercedes ja einen neuen Nachbarn in der Boxengasse..."
Vettel: "Es sieht so aus (lacht; Anm. d. Red.). Spyker ist noch näher an ihnen dran als wir, aber die Saison ist ja noch nicht vorbei."
Frage: "Wer ist dein Favorit auf den Gewinn des WM-Titels?"
Vettel: "Wer ist mein Favorit? Derjenige, der nach Brasilien die meisten Punkte hat, wird gewinnen. Einer der McLaren-Fahrer, glaube ich. Welcher, das werden wir sehen."
Frage: "Welche Arbeitsbeziehung gibt es zwischen Toro Rosso und Red Bull Racing?"
Vettel: "Wir haben den gleichen Sponsor, es stehen die gleichen Leute hinter dem Projekt. Abgesehen davon sind wir unabhängige Rennteams, würde ich sagen. Toro Rosso wurde hauptsächlich aus den Leuten gegründet, die früher bei Minardi gearbeitet haben, das sind Italiener, und Red Bull Racing ist ein englisches Team. Wir sind an unterschiedlichen Orten stationiert und beide Teams haben eine eigene Fabrik. Abgesehen vom Sponsoring sind es also zwei unabhängige Teams."
Frage: "Aber wie viele Informationen werden zwischen diesen beiden Teams ausgetauscht?"
Vettel: "Das ist derzeit in der Formel 1 ein heikles Thema."

