Verrückter Grand Prix endet im Chaos!

Das verrückteste Rennen der letzten Jahre endete im totalen Regenchaos ? Räikkönen gewinnt seinen zweiten Grand Prix

(Motorsport-Total.com) - Was für ein verrückter Grand Prix von Brasilien! So etwas haben wir noch nicht erlebt: Regen, Überholmanöver, Führungswechsel, Rad-an-Rad-Duelle, Unfälle und maßloses Favoritensterben ? und zum Schluss zwei Horror-Unfälle, Abbruch und ein glücklicher Sieger Kimi Räikkönen!

Titel-Bild zur News: Podium in Brasilien 2003

Nur zwei Piloten bei der Siegerehrung, Alonso musste ins Krankenhaus

Das Chaos zeichnete sich noch vor Beginn des Rennens ab, als der Start zweimal verschoben werden musste. Um 14:15 Ortszeit ging es dann doch los, allerdings wegen der nassen Fahrbahn hinter dem Safety-Car. Zuvor hatte es Diskussionen gegeben, ob überhaupt gefahren werden sollte, aber weil die Bedingungen immer besser wurden, entschloss man sich doch zum Start auf der "Buckelpiste" von Interlagos.

Rennfreigabe erst in der neunten Runde

In der neunten Runde wurde das Rennen erstmals freigegeben und Rubens Barrichello (Ferrari) verpokerte sich mit taktischen Spielchen, als das Safety-Car von der Strecke ging, musste David Coulthard (McLaren) passieren lassen. Bereits davor Konfusion pur, weil mehrere Piloten ? darunter auch Frentzen (Sauber), Pizzonia (Jaguar) und Verstappen (Minardi) aus der Boxengasse gestartet waren, um nachtanken lassen zu können.

Den ersten Ausfall bescherte uns ausgerechnet Nick Heidfeld, der seinen Sauber mit rauchendem Motor abstellen musste. Mark Webber (Jaguar) hielt sich anfangs tapfer in der Spitzengruppe und mischte das Feld auf, genau wie der von hinten nach vorne stürmende BMW-Williams von Juan-Pablo Montoya. In der elften Runde ging dann erstmals der spätere Sieger Räikkönen in Führung, der sich am schnellsten auf die Bedingungen einstellen konnte.

Eine entscheidende Rolle haben heute auch die Reifen gespielt. Zunächst hatte Michelin bei klitschnasser Piste einen Vorteil, weshalb Rubens Barrichello rasch nach hinten durchgereicht wurde. Ganz im Gegensatz dazu kam Michael Schumacher immer besser in Fahrt und in der 16. Runde wurde er hinter den beiden "Silberpfeilen" erstmals als Dritter geführt. Als einziger Bridgestone-Pilot konnte er anfangs vorne mithalten.

Totales Chaos begann mit Kollision Firman/Panis

In Runde 18 zeichnete sich dann endgültig das totale Chaos ab, als Ralph Firmans Jordan plötzlich ohne viertes Rad angesegelt kam und am Senna-S den ahnungslosen Toyota von Panis rammte. In der Folge musste zum zweiten Mal das Safety-Car auf die Strecke gehen, was Coulthard und Schumacher zu einem ersten Boxenstopp nutzten ? genau wie viele andere Piloten. Räikkönen blieb vorerst draußen und hielt damit Platz eins.

Fünf Runden nach dem Unfall konnte das Safety-Car wieder reingeholt werden und plötzlich fand Rubens Barrichello wieder seinen Rhythmus: Der Brasilianer überholte zunächst da Matta, schloss dann zum Führungstrio auf. Wenige Sekunden später flogen Montoya und Pizzonia voneinander unabhängig im besonders rutschigen Senna-S ab, wo die Autos miteinander kollidierten, aber eine Katastrophe ausblieb.

Allerdings waren die Streckenposten mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, aber es wurde nicht abgebrochen. Als dann jedoch ausgerechnet "Regenmeister" Michael Schumacher an derselben Stelle wegrutschte und beinahe in den Bergungskran gekracht wäre, musste wieder das Safety-Car rausgeholt werden. Dritter Fehler von Schumacher im dritten Rennen ? und der Rückstand in der Weltmeisterschaft wird immer größer...

Spannender Zweikampf zwischen Coulthard und Barrichello

David Coulthard führte dann, als das Safety-Car wieder von der Strecke ging, weil Räikkönen auch nachtanken gehen musste. Zweiter war Rubens Barrichello, der aber Druck machte und unter dem frenetischen Jubel seiner Fans immer schneller wurde. Zwischendurch schied der aus der Boxengasse gestartete Jos Verstappen (Minardi) an sensationeller siebenter Stelle liegend aus, trauerte das kleine Team einer möglichen Überraschung nach.

Immer mehr Fahrer verabschiedeten sich indes im Senna-S, auch Jenson Button (BAR-Honda), und so ergab sich ein kurioses Bild mit fünf Wracks an derselben Stelle. Das Aquaplaning überraschte scheinbar selbst die erfahrenen Formel-1-Altstars. Die nächste Rennfreigabe gab es dann in Runde 37 und der Zweikampf zwischen Coulthard und Barrichello spitzte sich immer weiter zu, während sich stellenweise eine trockene Spur bildete.

Später überholte Fernando Alonso außen im Infield Ralf Schumacher, der mit seinem BMW-Williams gleich in der Anfangsphase einen Dreher einbaute, dann aber solide in den Punkterängen fuhr. Die Stimmung auf den Rängen erreichte jedoch erst in Runde 45 den totalen Höhepunkt, als sich Coulthard im Senna-S verbremste und Barrichello die Führung übernahm ? plötzlich stand das 'Autodromo Jose Carlos Pace' komplett Kopf!

Tragische Figur Barrichello: Wieder Defekt

Die Freude währte aber nur kurz: Barrichello führte ein paar Runden, setzte sich scheinbar problemlos ab, führte um drei Sekunden und sah schon wie der sichere Sieger aus, rollte aber plötzlich mit Defekt aus ? sein zehnter Ausfall bei elf Auftritten in Interlagos! Damit der erste Doppelausfall für Ferrari seit ewigen Zeiten. McLaren hatte auf einmal wieder eine Doppelführung, wobei Coulthard wesentlich stärker wirkte als Kimi Räikkönen.

Der Schotte läutete mit seinem letzten Routine-Boxenstopp die vermeintlich entscheidende Phase des Rennens ein ? aber dann kam endgültig alles anders als zu erwarten war: Mark Webber flog bei Start und Ziel böse ab, verteilte Wrackteile auf der gesamten Strecke. Inzwischen hatte wegen des Coulthard-Stopps und eines Räikkönen-Drehers Giancarlo Fisichella sensationell die Führung übernommen, ehe auch noch Alonso crashte.

Der Renault-Pilot kollidierte mit den herumliegenden Jaguar-Fetzen, drehte sich und krachte in eine Betonmauer, konnte sich selbst aus dem Wrack befreien, musste dann aber auf einer Trage in ein Krankenhaus abtransportiert werden. Wie es dem jungen Spanier geht, war bei Rennende noch unbekannt. Die Strecke glich nur noch einem Trümmerfeld und so kam es zum logischen und gerechtfertigten Abbruch nach 54 Runden.

Jordan-Team feierte den Sieg zu früh...

Die Jordan-Crew feierte anschließend den Sieg im 200. Grand Prix des Teams, obwohl der Wagen Fisichellas im Parc Fermé in Flammen aufgegangen war, aber wenige Minuten später kam eine Korrektur des Klassements und Kimi Räikkönen, der nach der letzten gewerteten Runde (53) noch geführt hatte, wurde zum Sieger erklärt. Fisichella wurde Zweiter, der verunfallte Alonso noch Dritter. Besonders bitter: David Coulthard verlor nur wegen des Boxenstopps den Sieg, weil alle anderen noch nachtanken hätten müssen.

Heinz-Harald Frentzen wurde für seine nahezu fehlerfreie Fahrt mit Platz fünf belohnt, Punkte holten auch noch Jacques Villeneuve, Mark Webber und Jarno Trulli. Nur zehn von 20 Fahrern sahen die Zielflagge, die heute ja eigentlich gar nicht geschwenkt wurde. Trotz des frühzeitigen Abbruchs gibt es übrigens volle Punkte für die Weltmeisterschaft, in der Kimi Räikkönen jetzt nach seinem zweiten Saisonsieg überlegen führt.

Zum Abschluss dann noch gute Nachrichten im Fahrerlager: Renault meldete, dass Alonso unverletzt ist und bei der Untersuchung keine gravierenden Verletzungen festgestellt wurden. Ähnliches gilt für Mark Webber. Das sicher verrückteste und chaotischste Rennen der jüngeren Formel-1-Geschichte nahm damit ein gefährliches, aber glückliches Ende...