• 12.06.2007 14:29

Vasselon: "Jarno war mit den Gedanken woanders"

Toyota-Technikchef Pascal Vasselon analysiert den Kanada-Grand-Prix mit Trullis Rolle am Kubica-Unfall und blickt voraus auf Indianapolis

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Pascal, kannst du noch einmal etwas zu den Radaufhängungsproblemen von Jarno Trulli am Freitag in Kanada sagen?"
Pascal Vasselon: "Das Problem, das man sehen konnte, war, dass rechts vorne die obere Strebe in der Nähe des Querlenkers gebrochen ist. Das Erste, was unsere Analyse diktiert hat, war, dass das Design schon fast zwei Jahre alt ist. Es wurde mit unserer großen kinematischen Umstellung der Radaufhängung mit dem TF105B Ende 2005 eingeführt. Also konnte es kein grundlegendes Designproblem sein und wir nahmen die Unterschiede zu den vergangenen Jahren unter die Lupe, denn wir sind ja bereits in Montréal mit diesem Design gefahren."

Titel-Bild zur News: Pascal Vasselon

Pascal Vasselon hat Verständnis für die Unkonzentriertheit von Jarno Trulli

"Wir kamen zu dem Schluss, dass unsere Setupparamater, die wir eingestellt hatten, um die großen Einschränkungen im Heck zu kompensieren, die alle Teams betreffen, einen Berührungspunkt zwischen Strebe und Querlenker entstehen ließen. Wir mussten Gegenmaßnahmen finden und leiteten zwei ein. Die erste war technisch, indem wir einige Setupparameter wie Radsturz, Bodenhöhe und Spiel der Radaufhängung umstellten, um die Interferenz zu bereinigen. Zweitens haben wir unsere Fahrer geben, den extremen Teil der Randsteine in Kurve acht zu vermeiden, um kein Risiko einzugehen. Ich würde sagen, dass an der Stelle übermäßige Belastungen entstehen."#w1#

Trulli fuhr härter über die Randsteine als Schumacher

Frage: "Fuhr Jarno Trulli in Kurve acht härter über den Randstein als Ralf Schumacher?"
Vasselon: "Ja. Jarno fuhr nicht nur härter über den Randstein, sondern er wählte auch noch eine andere Linie."

Frage: "Wie stark wurden die Rundenzeiten dadurch beeinflusst, dass die Fahrer den Randstein vermeiden mussten?"
Vasselon: "Anhand unserer Sektorenanalyse: um die zwei Zehntelsekunden."

"Selbst wenn man diese zwei Zehntelsekunden einrechnet, hatten wir diesmal nicht das Potenzial, an die Spitze der Mittelfeldgruppe zu fahren." Pascal Vasselon

Frage: "Wie stark war angesichts der Umstände die Leistung von Jarno Trulli, sich als Zehnter zu qualifizieren?"
Vasselon: "Er hat großartige Arbeit geleistet, aber selbst wenn man diese zwei Zehntelsekunden einrechnet, hatten wir diesmal nicht das Potenzial, an die Spitze der Mittelfeldgruppe mit Red Bull, Renault und Williams zu fahren."

Frage: "Warum wurde Ralf Schumacher im Qualifying nur 18.?"
Vasselon: "Ralfs Wochenende lief gar nicht schlecht. Er war von den ersten Trainingsrunden an schnell unterwegs, aber er hatte das Pech, dass er in seiner letzten Runde im Qualifying auf vier Autos auflief. Das entschied, dass er nicht in Q2 kam, denn er musste Wurz überholen lassen und traf dann auf Barrichello, Button und Kubica."

Frage: "Durch die rote Flagge wurde die Session dann noch hektischer, nicht wahr?"
Vasselon: "Genau. Dadurch war der Verkehr am Ende der Session sehr dicht."

Frage: "Bist du überrascht, dass ihr trotzdem einen Punkt geholt habt?"
Vasselon: "Es war eines dieser chaotischen Rennen, in denen alles passieren kann - und so war es auch. Zuerst muss ich sagen, dass ich froh bin, dass Robert Kubica bei seinem fürchterlich aussehenden Unfall fast nichts passiert ist. Er lag im Zweikampf mit Jarno und ich weiß, dass Jarno wegen der Situation sehr besorgt war, denn er sah ja das Medical-Car lange an der Unfallstelle stehen."

"Danach hatte Jarno einen Reifenschaden und er musste an die Box kommen. Dann musste er noch einen späten Boxenstopp einlegen, nachdem er in Kurve eins geradeaus in die Reifenstapel fuhr. Es ist verständlich, dass er mit seinen Gedanken woanders war, und das ganze Team wünscht Robert alles Gute. Ralf war für einen langen ersten Stint vollgetankt und steckte daher anfangs im Verkehr fest, aber er war bei freier Fahrt recht konkurrenzfähig und wurde mit einem Punkt belohnt."

Indianapolis erfordert einen Kompromiss

Frage: "Jetzt geht es in Indianapolis weiter. Dort muss man in Sachen Setup einen Kompromiss finden, nicht wahr?"
Vasselon: "Indy besteht im Grunde aus zwei Strecken in einer: ein Oval mit einem Infield im Monaco-Stil. Da muss man aerodynamisch einen großen Kompromiss eingehen. Normalerweise bekommt man eine geradlinige Antwort, wenn man eine Strecke im Computer simuliert, aber in Indy kann man mit viel und wenig Downforce eine ähnliche Rundenzeit erzielen. Theoretisch könnte man also sehr verschiedene Richtungen einschlagen. Für das Rennen muss man allerdings noch einen Parameter in Betracht ziehen, nämlich das Überholen, denn es gibt dafür mehrere Gelegenheiten. Da gibt es die Steilkurve mit der langen Gerade und einer sehr guten Überholmöglichkeit vor der ersten Kurve."

"Insgesamt ist Indy eine schnelle Strecke, auf der man mit wenig Downforce fährt." Pascal Vasselon

Frage: "Bedeutet das, dass ihr im Qualifying mit mehr Downforce fahren werdet als im Rennen?"
Vasselon: "Man wird den erlaubten Spielraum zwischen Qualifying und Rennen ausschöpfen, aber insgesamt ist Indy eine schnelle Strecke, auf der man mit wenig Downforce fährt. Montréal ist vom Downforce her mittel bis niedrig, Indianapolis ist definitiv niedrig."

Frage: "Welche anderen Dinge muss man bedenken?"
Vasselon: "Ansonsten gibt es keine signifikanten Sorgen. Die Bremsen sind kein Thema, weil es so viel Zeit gibt, um die Bremsen in der Steilkurve und auf der langen Gerade abzukühlen - da wird 23 Sekunden unter Volllast gefahren."

Frage: "Liegen die Reifensorgen inzwischen in der Vergangenheit?"
Vasselon: "Ja. Wir verwenden jetzt andere Konstruktionen und man könnte fast sagen, dass daran niemand mehr denkt."

Frage: "Spürst du Jahr für Jahr die Größe von Indianapolis und die Geschichte?"
Vasselon: "Ehrlich gesagt nicht wirklich. Ich weiß, dass es dort eine große Rennsportgeschichte gibt, das Indy-Museum und so weiter, aber Teil des Problems ist, dass wir dort direkt nach Montréal fahren. Diese Rennen, die hintereinander gefahren werden, sind für das Teampersonal sehr anstrengend. Da hat man keine Zeit dafür, die Umgebung aufzusaugen."

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