Valencia aus Motorensicht

Valencia ist ein typischer Stop-and-go-Kurs, der seitens des Motor-Mappings einer besonderen Vorbereitung bedarf

(Motorsport-Total.com) - Nach dem kurzen, aber aufregenden Nordamerika-Abstecher kehrt der Formel 1-Tross nach Europa zurück. Und das im wörtlichsten Sinne: Am kommenden Wochenende findet auf dem Kurs in Valencia der Große Preis von Europa, achter von 19 Läufen zur FIA-Formel 1-Weltmeisterschaft 2011, statt.

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Remy Taffin erklärt, warum der Kurs in Valencia aus Motorensicht knifflig ist

Der neben Barcelona zweite Grand Prix der Saison auf spanischem Boden gehört seit 2008 zum Formel-1-Kalender. Im Vorjahr siegte der spätere Weltmeister Sebastian Vettel im Red Bull von der Pole Position aus die Jagd durch den Yachthafen.

Viele langsame Kurven

Der Europa-Grand Prix führt durch den Yachthafen-Komplex, der 2007 für die Regatta um den Americas Cup angelegt wurde. Der 5,419 Kilometer lange Kurs besteht aus vielen langsamen bis mittelschnellen Kurven, die durch Vollgasstücke miteinander verbunden sind. Die Motoren werden also in allen Drehzahlbereichen gefordert.

Mit 25 Kurven und über 60 Schaltvorgängen pro Runde sind schnelle Richtungswechsel ein wesentliches Merkmal der Strecke. Der Motor sollte sowohl eine gut kontrollierbare Fahrbarkeit in den Kurven als auch kraftvolles Beschleunigung am Kurvenausgang bieten.

An die Startgerade schließt sich - anders als auf den meisten sonstigen Grand Prix-Strecken - keine enge Kurve, sondern ein leichter Rechtsknick an, sodass die Piloten bis zur ersten "richtigen" Kurve bis auf knapp unter 300 Kilometer pro Stunde beschleunigen können. Der Motor muss einerseits sanft hochdrehen, um die Fahrzeugbalance nicht zu stören, andererseits am Start schnell ansprechen.

Michael Schumacher

Nach der Start/Ziel folgt in Valencia ein schneller Rechtsknick Zoom

Die ersten härteren Bremszonen liegen vor den Kurven zwei und drei, wo die Fahrer für die enge Rechts von 293 auf 85 Kilometer pro Stunde verzögern. Anschließend folgt ein kurzes Beschleunigungsstück, welches in einer Linkskurve endet. Nachdem die Fahrer Kurve fünf mit 110 Kilometern pro Stunde genommen haben, beschleunigen sie in einem Linksbogen bis auf 285 Kilometer pro Stunde, kurz bevor sie in Sektor zwei und die dritte Bremszone des Kurses in Kurve acht eintauchen.

Lange Gegengerade

Der zweite Sektor ist der längste Abschnitt der Strecke. Den größten Teil davon nimmt die 970 Meter lange Gegengerade ein, die zwischen den Kurven zehn und zwölf verläuft. Interessanterweise gibt es in Valencia einen Messpunkt für die Aktivierung des verstellbaren Heckflügels DRS, jedoch zwei Zonen, in denen das System aktiviert werden darf.

¿pbvin|512|3833||0|1pb¿Der Messpunkt befindet sich 130 Meter vor Kurve acht. Die erste Aktivierungszone beginnt 285 Meter nach Kurve zehn und reicht bis zur Bremszone vor Kurve zwölf. Bei flach gestelltem Heckflügel dürften sich hier angesichts von Vorjahres-Topspeeds von 312 Kilometern pro Stunde einige Überholmanöver ereignen. Kurve zwölf wird dann mit 75 Kilometern pro Stunde im zweiten Gang genommen.

Die folgenden Kurven bilden eine typische Stop-and-go-Passage. Kurve 14 führt dann auf die zweite DRS-Aktivierungszone, ein gebogenes Vollgasstück, auf dem die Boliden (ohne DRS) rund 310 Kilometer pro Stunde erreichen. Auch hier bieten sich Windschattenangriffe sowie Ausbremsmanöver an, denn für Kurve 17 werden die Autos auf nur 65 Kilometer pro Stunde zusammengestaucht. Dies bedeutet für die Triebwerke: Eine perfekte Balance zwischen Spitzenleistung und sanfter Fahrbarkeit bei niedrigen Drehzahlen ist der Schlüssel zum Erfolg.

Flüssiger letzter Sektor

Der letzte Streckenteil weist mit den Kurven 17 und 25 die beiden langsamsten Kurven auf, gilt aber als insgesamt flüssig zu fahren. Ab Kurve 17 bauen die Piloten immer mehr Geschwindigkeit für den Schlusssektor auf und durchfahren die folgenden schnellen Knicks mit rund 280 Kilometern pro Stunde. Erst die letzte Kurve unterbricht diesen Fluss wieder. Vor dieser Haarnadel, die zurück auf die Zielgerade führt, bremsen die Piloten von 295 auf nur noch 65 Kilometer pro Stunde herunter.

Remi Taffin, Einsatzleiter bei Renault, vergleicht Valencia mit den bisher absolvierten Stadtkursen: "Auch wenn mit Monte Carlo, Montreal und Valencia drei Straßenkurse aufeinander folgen, könnten die drei Strecken kaum unterschiedlicher sein. Der Kurs in Monaco ist extrem eng und winklig, die Durchschnittsgeschwindigkeit ist die langsamste der Saison."

Sebastian Vettel

Sebastian Vettel gewann hier im Vorjahr mit seinem Red Bull Zoom

"Der Kurs in Kanada besteht aus einer Abfolge von Highspeed-Geraden, engen Haarnadeln und Schikanen - dort kommt es vor allem auf hohe Endgeschwindigkeit an." Das Durchschnittstempo von Valencia wiederum liegt im mittleren Bereich bei rund 190 km/h. Außerdem ist die Fahrbahn verglichen mit Monaco und Montreal sehr viel ebener und weist weniger Bodenwellen auf", so Taffin.

Fahrbarkeit entscheidet

"Das optimale Motoren-Mapping für diesen Kurs zu entwickeln, ist eine ziemlich knifflige Aufgabe", gesteht der Renault-Verantwortliche. "Die ersten zehn Kurven werden alle im ersten, zweiten oder dritten Gang - also bei niedrigem Tempo - gefahren. Dazwischen aber liegen jeweils Geraden, auf denen Motorleistung bei hohen Drehzahlen gefragt ist."

"Wir müssen die Triebwerke also so abstimmen, dass sie vom Einlenken bis zum Scheitelpunkt einer Kurve leicht fahrbar sind, beim Herausbeschleunigen aber sofort auf den Gaspedalbefehl ansprechen. Bei 25 Kurven pro Runde - die meisten der Saison - ist die richtige Balance zwischen diesen beiden Ansprüchen absolut entscheidend", merkt er an.

"Der Stop-and-go-Charakter von Valencia wirkt sich natürlich auch auf den Kraftstoffverbrauch aus. Der liegt hier sehr hoch, fast auf dem Niveau von Melbourne", berichtet Taffin und erklärt den Zusammenhang mit der Außentemperatur: "Da es in Spanien im Sommer aber wärmer ist als im Herbst in Australien, verbrauchen wir etwas weniger Sprit als dort."

"Wegen der Regeländerungen in Bezug auf das automatische Zwischengas müssen wir ab dem Valencia-Grand Prix in Qualifying und Rennen dasselbe Motoren-Mapping verwenden. Für unsere Vorbereitung bei Renault oder die Arbeit mit unseren Partnerteams ändert sich dadurch nicht viel. Die Mappings unterschieden sich nie sehr stark. Allerdings kommt durch die Umstellung ein neuer Faktor ins Spiel. Einige erwarten, dass sich die Kräfteverhältnisse ändern könnten. Ich schätze aber, dass unsere Performance in Relation zu den direkten Gegnern etwa gleich bleiben wird", prognostiziert Taffin.