Unter- vs. Übersteuern: Balance-Konflikt im Haas-Team

Nach dem "gemischten" Bahrain-Quali: Romain Grosjean und Kevin Magnussen wollen die Entwicklung des VF-18 in unterschiedliche Richtungen ziehen

(Motorsport-Total.com) - Das Haas-Team hat auch im zweiten Saison-Qualifying in Bahrain (Formel 1 2018 live im Ticker) bestätigt, dass es zu den Überraschungen des ersten Saisonabschnitts gehört. Wenn auch nur mit einem Auto: Kevin Magnussen knüpfte nahtlos an Melbourne an und qualifizierte sich als Siebter für die dritte Startreihe (wegen der Hamilton-Strafe); während Romain Grosjean nicht über Platz 16 hinauskam und schon in Q1 scheiterte.

Titel-Bild zur News: Romain Grosjean

Romain Grosjean kann mit der schiebenden Vorderachse nicht umgehen Zoom

Pech: Genau wie der 15.-platzierte Fernando Alonso fuhr Grosjean eine Zeit von 1:30.530 Minuten. Aber während Alonso 31 Sekunden vor dem Ende von Q1 über die Ziellinie fuhr, beendete der Haas-Pilot seine schnelle Runde erst 28 Sekunden nach Schwenken der Zielflagge. Und das Regelwerk sagt: Bei Zeitgleichheit wird der vorne gereiht, der die Runde zuerst gefahren ist. Das wissen eingeschweißte Formel-1-Fans spätestens seit Jerez 1997.

"Das kann echt nur uns passieren", nimmt's Grosjean mit Galgenhumor. Und Teamchef Günther Steiner seufzt: "Was willst du da machen? Irgendwann wird das Pech auch aufhören."

Teamintern beschäftigt derzeit ohnehin ein ganz anderes Thema. Der VF-18 neigt zum Untersteuern. "Kevin liebt das. Ich mag es überhaupt nicht", erklärt Grosjean, warum er sich im direkten Vergleich mit seinem Stallkollegen Anfang 2018 schwerer tut als noch in der vergangenen Saison.

Im Detail wirkt sich das so aus: "Kevin hat kein Problem damit, nochmal leicht von der Bremse zu gehen. Ich tu das nicht, weil ich nicht das Vertrauen habe, dass das Auto einlenkt. Aber wir arbeiten dran, das mit dem Set-up hinzubekommen. Ich bin mir sicher, dass wir Lösungen dafür finden werden."

Magnussen: Am liebsten gar nichts ändern!

Den Bedarf, diesbezüglich an den Stellschrauben zu drehen, sieht Magnussen naturgemäß nicht. Für ihn läuft die Saison gut an. "Romain und ich haben da unterschiedliche Auffassungen", sagt er. "Aber ich finde, dass wir den Weg aus dem Winter fortsetzen müssen."

Denn Magnussen könnte mit einem Auto, das eher zum Unter- als zum Übersteuern neigt, gut leben: "Wir brauchen eine stärkere Hinterachse und mehr Anpressdruck. Mit der Balance müssen uns dann wir Fahrer auseinandersetzen. In der Formel 1 geht es um Anpressdruck und Leistung. Die Leistung haben wir - also müssen wir uns auf den Anpressdruck konzentrieren. Von der Balance sollten wir uns da nicht verwirren lassen."

"Wir haben dieses Jahr ein gutes Auto. Meistens ist es berechenbarer als das letztjährige Auto", lobt er. Zumindest in dem Punkt sind sich Magnussen und Grosjean einig: "Ja, mir fehlt vorne ein bisschen Grip", meint Grosjean. "Aber die Basis ist gut. Selbst wenn die Reifen mal nicht genau im Temperaturfenster liegen, ist die Balance ganz okay."

Technikchef Steiner weiß: "Romain ist nicht happy. Denn er weiß, dass er mit dem gleichen Auto nicht eine Sekunde langsamer ist als Kevin."

Trotzdem schreibt er seinen Schützling für das Rennen nicht ab: "Ich bin recht optimistisch, dass Romain noch in die Punkte fahren kann. Wir haben Bottas in Australien gesehen. Der konnte nicht viel ausrichten, weil die Dichte enger geworden ist. Ich hoffe, dass wir ein interessantes Rennen mit Überholmanövern sehen. Und dass wir diejenigen sind, die überholen!"

Theoretisch könnte Haas auch versuchen, mit einer Einstoppstrategie oder zumindest einem langen ersten Stint den einen oder anderen Gegner taktisch auszutricksen. "Je länger wir draußen bleiben können, desto besser funktionieren die Reifen bei uns", weiß Steiner. "Unsere Longruns waren okay, nicht fantastisch. Aber längere Distanzen helfen uns normalerweise. Hoffentlich auch morgen."

Zumal P16 nicht repräsentativ für Grosjeans wahres Leistungspotenzial in Bahrain ist. Zwar waren seine beiden schnellen Q1-Runden nicht von dramatischen Fahrfehlern oder Blockaden beeinträchtigt. Aber die Sekunde Differenz zu Magnussen ist nicht nur durch ein unterschiedliches Set-up zu erklären.

Reifen nicht im richtigen Temperaturfenster

"Ich spürte nicht genug Grip, und meine beiden Out-Laps waren beeinträchtigt. Ich glaube, das hat den Unterschied ausgemacht", vermutet Grosjean. In Sachen unterschiedlicher Fahrzeug-Abstimmung sei der Unterschied "nicht groß. Aber vielleicht macht es ein bisschen was aus." Und: "Kevin hat einen super Job gemacht!"

Der Däne ist seinerseits zufrieden mit dem Ergebnis: "Wir sind nicht weit von der Spitze des Mittelfeldes weg", bezieht er sich auf die 0,029 Sekunden Rückstand auf Überraschungsmann Pierre Gasly im Toro Rosso. "Und zählen tut nicht das Qualifying, sondern das Rennen. Ich will mit dem Punkte sammeln anfangen!"

In Australien und Bahrain war Haas "Best of the Rest", was den Speed angeht. Das ermöglicht Varianten, mit denen sich das Team bisher nicht auseinandersetzen musste. Magnussen hatte schon in seinem ersten Q1-Run eine Zeit von 1:30.030 Minuten erzielt. Damit wäre er als Achter statt Siebter genauso locker ins Q2 eingezogen - und hätte sich einen Reifensatz gespart.

Aber: "So selbstbewusst sind wir noch nicht", winkt Steiner ab. "Man stelle sich vor, wie dumm wir ausgesehen hätten! Ein gutes Qualifying in Melbourne macht noch keinen Frühling. Zudem war Toro Rosso dieses Wochenende sehr stark. Da wollten wir auf Nummer sicher gehen."

"Kevins Leistung hat gezeigt, dass die Performance in Australien echt war", hält Steiner fest. "Nach der Enttäuschung von Melbourne war das für die Jungs eine wichtige Moralinjektion. Es ist gut, zumindest ein Auto in den Top 10 zu haben."

Im Rennen werden alle Augen auf die Boxencrew gerichtet sein. Aber in den Augen der Fahrer ist das trotz der Doppelpanne von Melbourne kein Unsicherheitsfaktor: "Ich habe volles Vertrauen in die Jungs. Sie wissen schon, was sie tun", meint Grosjean. "Was in Melbourne passiert ist, war einfach Pech. Wenn die Stopps um zwei, drei Zehntel langsamer sind, wird ihnen keiner einen Vorwurf machen. Aber die Räder sollten alle dran sein!" Und Magnussen unterstreicht: "Ich könnte mir keine bessere Crew wünschen."

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