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Und die Zeit schien still zu stehen...
Am 1. Mai jährt sich der Todestag Ayrton Sennas - Renault-Teammitglieder erinnern sich an den Brasilianer, der 1994 mit Renault-Motoren unterwegs war
(Motorsport-Total.com) - Zwölf Jahre ist es her, dass am Donnerstag, 28. April 1994, im italienischen Imola ein verhängnisvolles Rennwochenende seinen Lauf nahm. Die ersten beiden Rennen waren für Ayrton Senna nicht nach Wunsch verlaufen, beide Male war er ausgeschieden, während Michael Schumacher zwei Siege feiern konnte. Die Presse scharte sich an diesem Donnerstag im Fahrerlager um den Deutschen, der quasi aus dem Nichts zu einem ernsthaften WM-Anwärter geworden war.

© xpb.cc
Ayrton Senna im Williams-Renault: Der Weltmeistertitel galt nur als Formsache...
Das heutige Renault-Werksteam gab es zu dieser Zeit noch nicht. Allerdings lag Schumacher in einem Benetton an der Spitze der Meisterschaft, dem Team, aus dem die Renault-Mannschaft einige Jahre später hervorgehen sollte. Doch Renault war auch schon zu dieser Zeit erfolgreich in der Formel 1 unterwegs: Senna war für die Saison 1994 zu Williams-Renault gewechselt, nachdem sich diese Kombination in den beiden Vorjahren als überlegen herausgestellt hatte. So ist auch der Brasilianer Teil der Renault-Familie. Bei seinem Debüt in der Formel 1 saß Senna zudem in einem Toleman, dem Vorgängerteam von Benetton, und damit indirekt des heutigen Renault-Teams.#w1#
Extrem präzise Fahrweise
Viele der heutigen Angestellten im französischen Team arbeiteten in früheren Jahren mit dem Brasilianer zusammen. Und alle haben verschiedene Geschichten und Bilder des unvergessenen Piloten im Kopf. Der heutige Renault-Chefingenieur Pat Symonds beispielsweise war 1984 Sennas erster Renningenieur in der Formel 1. Der Brite erinnert sich noch gut an ein Erlebnis mit dem Brasilianer in dessen erster Saison.
"Dallas war genau das, was ich als einen alten nordamerikanischen Straßenkurs bezeichnen würde, abgegrenzt durch Betonblöcke. Es war eine sehr trickreiche Strecke, und so holprig, dass selbst Monaco sehr eben erschien: die Fahrer mussten die ganze Zeit richtiggehend mit ihren Autos kämpfen, während sie von Unebenheit zu Unebenheit hüpften und sprangen", beschrieb Symonds anlässlich des zehnjährigen Todestages Sennas 2004 seine Erinnerungen.
"Ich erinnere mich, dass Ayrton während dem Rennen die Mauer berührt hat, und später aufgrund der Beschädigungen ausschied. Als er schließlich zurück an der Box war, konnte er ganz offensichtlich nicht verstehen, wie er die Mauer treffen konnte. Es schien, als sei dies ein kompletter Schock für ihn, dass er die Mauer berührt hatte, und seine erste Reaktion war: 'Ich weiß, dass ich keinen Fehler gemacht habe - die Mauer muss sich bewegt haben'. Man muss sich vor Augen führen, dass wir hier von 20 Tonnen schweren Betonblocks sprechen."
"Was für ein Charakter"
"Aber er war so hartnäckig, dass er mich überzeugte, um die Strecke zu laufen und mir die Sache anzusehen. Als ich das tat, hatte sich die Mauer tatsächlich bewegt - irgendjemand hatte ganz offensichtlich den vorherigen Block befestigt und dabei den nächsten um nur etwa vier Millimeter verschoben. Der Übergang von einem Block zum nächsten verlief nicht glatt, sondern hatte eine Abweichung von vier Millimetern. Diese hatte das Hinterrad getroffen, es gebrochen und den Reifen beschädigt. Das war der Zeitpunkt, an dem mir wirklich bewusst wurde, mit welcher Präzision er fuhr, und ich dachte, dass er ein bisschen speziell sei. Und man muss bedenken, dass dieser Kerl in seiner ersten Formel-1-Saison war und direkt aus der Formel 3 kam."
Nach einigen Jahren bei Toleman und Lotus wechselte Senna 1988 zu McLaren, wo 1989 Tim Wright, der heute für die Zuverlässigkeit der Renault-Boliden verantwortlich zeichnet, leitender Testingenieur war: "Wir hatten im Vorfeld des Grand Prix von Monaco in Paul Ricard getestet, und weil ich in der Gegend war, fuhr ich zum Rennen und wurde eingeladen, mich um das Ersatzauto zu kümmern, das für Ayrton abgestimmt war", beginnt er seine Erinnerungen an den Grand Prix von Monaco, als er sein spezielles Erlebnis mit Senna hatte.
"Am Samstag gab es ein Problem, das Ayrtons Rennauto beeinträchtigte, deshalb musste er für das abschließende Qualifying das Ersatzauto verwenden. Zehn Minuten vor Beginn des Qualifyings ging ich los, um Ayrton zu suchen, da er noch nicht in der Boxengasse aufgetaucht war, und wenn die Strecke vor der Session einmal geschlossen ist, ist es schwierig, in und aus dem Fahrerlager zu kommen. Ich fand ihn letztendlich in einem der Motorhomes, als er in der Bibel las. Er folgte mir zurück in die Boxengasse, sprang ins Auto und übernahm sofort die Pole Position. Am Renntag blieb er im Ersatzauto, da er das Setup bevorzugte, und gewann das Rennen. Was für ein Charakter!"
Senna konnte jede Runde genau analysieren
Denis Chevrier, der heutige Leiter der Motorenabteilung von Renault, kann sich dagegen noch gut an eine Szene am Abend des Freitags, 29. April 1994, am Imola-Wochenende erinnern, als er der Motoreningenieur von Senna war: "Ich habe ein unvergessliches Bild von Ayrton vom Freitagabend in Imola 1994 im Williams-Motorhome, zusammen mit seinem Renningenieur David Brown."
"Ayrton saß entspannt zurückgelehnt auf dem Sofa, und nachdem er uns seine Qualifying-Runde bis ins Detail erklärt hatte, meinte er: 'Ich denke nicht, dass ich morgen noch einmal rausgehen muss.' Die Worte 'um die Pole Position zu behalten' hatte er einfach angenommen. Er war in der Lage, seine Runde zu analysieren, und er konnte exakt die Schwierigkeit jedes Zehntels, das er erreicht hatte, messen. Er war sich auch im Klaren darüber, dass eine Veränderung des Autos, um an einer gewissen Stelle weitere Zeit zu finden, fast unweigerlich bedeuten würde, die Zeit an anderer Stelle zu verlieren. Er hatte ein sehr exaktes Wahrnehmungsvermögen der Sicherheitsreserve, die er im Vergleich zu seinen Konkurrenten besaß."
Kein Glück in den ersten Rennen
Als der Formel-1-Tross 1994 nach Imola kam, hatten die Renault-Motoren, die Williams zu jener Zeit einsetzte, bereits 1992 und 1993 mit zehn Zylindern die WM gewonnen. 1994 allerdings hatte man in den ersten Rennen das unbestrittene Potenzial der Aggregate noch nicht richtig ausnutzen können. Schumachers Benetton dagegen verwendete noch ein Cosworth-V8-Triebwerk, mit dem später den letzten WM-Titel der damaligen V8-Ära einfahren sollte. Doch davon war man in Imola noch weit entfernt.

© Imago
Ayrton Senna gilt bis heute als einer der besten Formel-1-Piloten Zoom
Nach Sennas Wechsel zu den als überlegen geltenden Williams-Renaults galt zu Beginn der Saison der vierte WM-Titel des Brasilianers eigentlich nur als Formsache. Doch in den ersten beiden Rennen hatte er Pech, rutschte bei seinem Heimrennen in Interlagos von der Piste und wurde beim zweiten Rennen im japanischen Aida von Mika Häkkinen bereits kurz nach dem Start abgeschossen. In Imola sollte endlich der erste Saisonsieg erzielt werden.
Es wurde viel über den weiteren Saisonverlauf diskutiert, an besagtem Donnerstag im Fahrerlager von Imola. Williams-Renault war auf dem Vormarsch, doch Schumacher schien im Benetton erstaunlich gut mithalten zu können und hatte immerhin die ersten beiden Rennen gewonnen. Man war sich einig: Die Saison würde spannend werden.
Das schwarze Wochenende
Doch dann nahm an den Folgetagen das Unheil seinen Lauf: Rubens Barrichello erlebte im Freien Training einen schweren Unfall, brach sich mehrere Knochen. Im Abschlusstraining verunglückte Roland Ratzenberger tödlich. Im Rennen schließlich kam Senna in der Tamburello-Kurve von der Strecke ab und überlebte den Einschlag in eine Mauer nicht. Und plötzlich schien die Zeit still zu stehen. Das Rennen wurde fortgesetzt, verkam jedoch zur Bedeutungslosigkeit. Die Formel-1-Gemeinde war an diesem Wochenende wieder daran erinnert worden, welchem Risiko sich die Piloten in ihren Boliden aussetzen.
Am kommenden Montag, dem 1. Mai 2006, jährt sich die Tragödie um den brasilianischen Nationalhelden zum zwölften Mal. Dank der enormen Anstrengungen um die Sicherheit in der Formel 1 sollte dieser schwarze Tag vor zwölf Jahren der bis heute letzte sein, an dem ein Pilot in der Königsklasse des Motorsports bei einem Unfall ums Leben kam.

