• 19.06.2006 20:21

Trulli: "Wir müssen darauf vorbereitet sein"

Der Toyota-Pilot über sein Rennen in Silverstone, die Struktur und Arbeitsweise der Fahrergewerkschaft GPDA und die Sicherheit bei Testfahrten

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Von ganz hinten gestartet wurdest du in Silverstone noch Elfter. Was überwiegt, Genugtuung oder Frustration?"
Jarno Trulli: "Frustration, denn für den elften Platz gibt es keine Punkte. Darüber hinaus freute ich mich nach dem ermutigenden Test in Barcelona darauf, mit dem TF106B auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke wie Silverstone zu fahren."

Titel-Bild zur News: Jarno Trulli

Jarno Trulli ist stolz auf die Arbeit, die die GPDA bisher leisten konnte

Frage: "Wie entwickelte sich der Großbritannien-Grand-Prix bis zum Motorschaden?"
Trulli: "Am Freitag war ich sehr schnell, Vierter im 1. Freien Training und Fünfter im 2. Freien Training. Ich war optimistisch. Ich habe nichts als garantiert angesehen, denn wir fuhren am Freitag mehr Runden als gewöhnlich, weil wir 2006 noch nicht in Silverstone getestet haben. Somit hatten wir mehr Arbeit am Setup zu erledigen. Aber als ich am Samstagmorgen 16. war, so war das nicht repräsentativ, denn wir haben keine neuen Reifen verwendet. Ich erwartete, dass ich es bis in den letzten Qualifyingteil schaffen würde. Mein Teamkollege (Ralf Schumacher; Anm. d. Red.) qualifizierte sich als Siebter. Das zeigt, dass der TF106B eine gute Pace hatte."#w1#

Silverstone war ein "Frustrennen" für Trulli

Jarno Trulli

Jarno Trullis Chancen im Rennen wurden schon am Samstag eingeschränkt Zoom

Frage: "Gehört Silverstone zu den Strecken, auf denen es am schlimmsten ist, von hinten zu starten?"
Trulli: "Gut ist das nie! Aber in Silverstone ist das besonders hart. Sobald ich im ersten Qualifyingteil keine schnelle Runden fahren konnte und bemerkte, dass es ein Motorproblem gab, wusste ich, dass ich einen schweren Sonntagnachmittag haben würde. Das Problem ist, dass es in Silverstone nur schnelle Kurven gibt, was die Effizienz der Aerodynamik zum wichtigen Faktor macht. Sobald man versucht, einem Auto zu folgen, um es zu überholen, verliert man Abtrieb. Speziell durch 'Maggotts'/'Becketts' ist das der Fall, wenn man auf der folgenden 'Hangar Straight' überholen möchte. Ich habe viele langsamere Autos in der ersten Runde überholt, aber wenn man zu den konkurrenzfähigeren aufgeschlossen hat, plant man seine Strategie um die Boxenstopps herum."

Frage: "Wie funktionierte das?"
Trulli: "Beim ersten Stopp war das in Ordnung, beim zweiten dann nicht mehr so gut. Ich hoffte, den Honda von Rubens Barrichello zu überholen. Meine schnellste Rennrunde war die siebtschnellste überhaupt und gut eine halbe Sekunde schneller als die von Rubens. Aber als ich aus der Box herauskam, geriet ich in Verkehr. Daher konnte ich ihn nicht überholen."

Frage: "Du bist auch ein Direktor der Fahrergewerkschaft GPDA. Gab es wichtige Themen, die in Silverstone diskutiert wurden?"
Trulli: "Wir treffen uns ja bei jedem Grand Prix und ich bin froh, dass ich das erklären darf, denn ich denke, dass viele Leute die GPDA nicht würdigen. Es ist eine Organisation, die sich für die Verbesserung der Sicherheit der Fahrer und der Zuschauer einsetzt. Wir diskutierten die Sicherheitsprobleme beim Testen und bei den Rennen - besonders aber die beim Testen."

Frage: "War der Zwischenfall mit Michael Schumacher in der Qualifikation von Monaco nicht auch auf der Tagesordnung in Silverstone?"
Trulli: "Nein. Ich möchte damit nicht sagen, dass es den Fahrern egal ist, aber die GPDA kann es sich nicht leisten, offiziell das Verhalten eines Fahrers zu beurteilen. Wir können das untereinander persönlich bereden, aber ich kann das auch mit jedem Fahrer außerhalb der GPDA klären."

Mehrarbeit als Direktor der GPDA

Frage: "Ist es richtig, dass ihr innerhalb der GPDA an der Sicherheit arbeitet, einige wichtige Fahrer aber gar nicht Mitglied der GPDA sind?"
Trulli: "Einige Fahrer sind aus freier Entscheidung nicht Teil der GPDA. Das ist ihre Entscheidung und ich kann das nicht kommentieren. Wenn sie nicht über die Sicherheit reden wollen oder es ihnen egal ist, dann kann ich sie nicht zwingen. Wir haben diese Organisation gegründet, um unseren Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit zu leisten. Wir haben im Laufe der Jahre vieles erreicht."

"Wir haben diese Organisation gegründet, um unseren Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit zu leisten. Wir haben im Laufe der Jahre vieles erreicht." Jarno Trulli

Frage: "In welcher Art und Weise arbeitet die GPDA?"
Trulli: "Michael Schumacher, David Coulthard und ich sind die Direktoren, wir wurden gewählt. Wir erledigen die meiste Arbeit - kümmern uns um die Angelegenheiten, tauschen E-Mails miteinander aus. Aber jeder Fahrer ist willkommen und sie geben uns auch viel Input von außen, wenn es um die Sicherheit geht. Wir repräsentieren sie, aber wir haben keine zusätzliche Macht."

Frage: "Nimmt das viel deiner Zeit in Anspruch?"
Trulli: "Es ist schon viel Arbeit, die E-Mails auszutauschen, mit Giselle (Sohm, Generalsekretärin der GPDA; Anm. d. Red.) in Verbindung zu bleiben, die Vollzeit in Monaco arbeitet, und die Pläne für die Treffen vorzubereiten. Ein kleines Beispiel. Ich hatte bei den jüngsten Tests in Barcelona ein Problem, kam von der Strecke ab. Als ich wieder auf die Strecke fuhr, war da ein großer Buckel, auf dem das Auto einfach abhob. Über solche Dinge muss man einen schriftlichen Sicherheitsreport anfertigen, alle Fahrer sind dazu angehalten, denn so kommt man voran. Es ist eine Extraarbeit, um die sich andere Fahrer nicht kümmern oder diese Verantwortung nicht eingehen wollen. Einige sind da sehr feinfühlig und kooperieren sehr gut, andere weniger. Aber das ist wohl überall so. Gut ist aber, dass wir zusammenbleiben. Fast immer, wenn wir eine Entscheidung treffen, geschieht das mehr oder weniger einstimmig."

Frage: "Wie finanziert sich die GPDA?"
Trulli: "Wir bezahlen uns selbst. Wenn wir uns entscheiden, ein Teil der GPDA zu sein, dann zahlen wir jedes Mal, wenn wir Punkte bekommen. Ich weiß gar nicht genau wie viel, aber ich denke 180 Dollar je Punkt. Dieses Geld reicht normalerweise aus, um die Kosten zu decken. Wenn wir einen Überschuss haben, dann behalten wir den entweder für das kommende Jahr, oder - gerade wenn sich über mehrere Jahre etwas ansammelt - spenden wir es."

Teams zahlen für bessere Sicherheit bei Testfahrten

Luca Badoer

Luca Badoers Unfall vor einigen Wochen in Barcelona zeigte erneut die Gefahren Zoom

Frage: "Was wurde bezüglich der Sicherheit bei Testfahrten entschieden?"
Trulli: "Die Sicherheit beim Testen ist ein großes Problem, das wir schon im Vorjahr angegangen sind. Gegenüber den Rennen ist der Sicherheitsstandard niedrig. Aber letztlich machen wir genau das Gleiche. Dabei fahren wir sogar noch mehr und haben weniger Erholung. Wir haben, zusammen mit den Teams, vereinbart, die Sicherheit bei Testfahrten zu verbessern. Wir kamen überein, dass wir direkt die Strecken antreiben sollte, um die Sicherheit zu verbessern. Wenn das Testen etwas teurer wird, dann wird uns das in Rechnung gestellt. Wir wiederum geben die Rechnung an die Teams weiter, denn sie haben sich bereit erklärt, uns zu helfen."

"Für uns Fahrer ist das sehr wichtig. Alexander Wurz (Williams-Testfahrer; Anm. d. Red.) beispielsweise hatte einen Unfall, Teile lagen um seinen Kopf herum, das Auto war zerstört. Die Streckensicherung kam aber erst nach drei Minuten, das ist nicht akzeptabel, das sollte klar sein. Wir können das nicht länger akzeptieren. Wir wollen nicht die gleichen Sicherheitsstandards wie bei den Rennen, wir verstehen, dass es Testfahrten sind, aber wir müssen ein Minimum festlegen. Wir haben viele Daten studiert und Dr. (Ricardo) Cecarelli (Toyota-Teamarzt; Anm. d. Red.) arbeitet auch für die GPDA und überprüft alles. Wir wissen genau, wie viele und welche Ärzte wir benötigen, welche Streckensicherung wir brauchen, wie viele Krankenwagen."

Frage: "Sind Testtage gefährlicher als die Tage im Rahmen eines Rennwochenendes?"
Trulli: "Ja, und da stimmen wir alle überein. Wir haben nicht die Rennstarts, aber wir fahren mehr als 100 Runden am Tag und wenn wir fünf Jahre zurückdenken, dann waren 60 bis 70 Runden am Tag ein guter Durchschnitt. Nun fahren viele 120 bis 130 Runden täglich. Ein Unfall kann jederzeit passieren. Wir müssen darauf vorbereitet sein. Wir möchten nicht warten, bis ein Unfall passiert. Erinnert sich jemand an den armen Elio de Angelis (der 1986 in Le Castellet bei Testfahrten wegen der unzureichenden Sicherheitsbedingungen verstarb; Anm. d. Red.)? Der Unfall passierte und danach wurden die Sicherheitsstandards verbessert. Wir dürfen dem Problem nicht nachlaufen."

Frage: "Nun steht die Nordamerikatour der Formel 1 an. Hat man in der GPDA auch über das Vorjahres-Fiasko in Indianapolis gesprochen?"
Trulli: "Wir haben es diskutiert, weil es ein Sicherheitsproblem war. Aber wir konnten im Vorjahr einfach nicht fahren, es gab also nicht viel zu tun. Ich denke, dass die Reifenhersteller in diesem Jahr etwas sorgsamer sein werden."