• 12.09.2012 18:09

  • von Dominik Sharaf

Trotz Bedenken: Webber fährt lieber "oben ohne"

Der Red-Bull-Pilot hält eine Verkleidung der Räder für einen Weg, die Piloten vor Unfällen wie in Spa zu schützen - Dezenter Appell an Maldonado und Grosjean

(Motorsport-Total.com) - Als Vorsitzender der Fahrervertretung Grand Prix Drivers Association (GPDA) war Mark Webber noch vor einigen Jahren der erste Ansprechpartner unter den Formel-1-Piloten, wenn es um die Sicherheit in der Königsklasse ging. Obwohl er in dieser Funktion nicht mehr tätig ist und Pedro de la Rosa, Felipe Massa sowie Sebastian Vettel das Ruder übernommen haben, spart es sich Webber nicht, seine Meinung zu äußern. Er macht sich in der Diskussion um den Schutz des Kopfes seine Gedanken.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Mark Webber stellt den jungen Fahrern ein gutes Zeugnis aus Zoom

Webber scheint zu wissen, welche Maßnahmen eingeführt werden sollen: "Die FIA hat Forschungen angestellt, um den Kopf der Fahrer zu schützen und im Moment sieht es so aus, als ob es in nicht allzu ferner Zukunft einen Frontschutz gäbe: eine Art Rollbügel", deutet er in seiner 'BBC'-Kolumne an, begrüßt das aber nicht ausdrücklich: "Der Schutz des Kopfes ist ein kontroverses Thema und - ganz ungewöhnlich für mich - sitze ich zwischen zwei Stühlen", so Webber.

Ästhetik für Webber nicht von Bedeutung

Einerseits fürchtet der Australier um das einzigartige Gefühl, mit offenen Rädern sowie offenem Cockpit zu fahren und nennt dieses das, "was die meisten Rennfahrer wollen", ein Erfordernis an "unglaublicher Präzision" und die Boliden die "besten Autos der Welt". Webber mahnt: "Das will man nicht verlieren, also müssen wir die richtige Entscheidung treffen." Doch für die scheinen nicht nur Sicherheitsaspekte, sondern auch ästhetische Gesichtspunkte relevant zu sein.

Das darf für Webber allerdings keine Rolle spielen: "Für den Sport ist das ein großer Schritt. Die Leute sagen, es würde hässlich werden. Aber das muss man beiseite schieben." Vielmehr kommt der 35-Jährige ins Grübeln, wenn es darum geht, welche die wirksamste Maßnahme ist, um für mehr Sicherheit des Kopfes zu sorgen. "Das Knifflige ist, sich zu entscheiden, wogegen man sich schützen will", erklärt Webber und betont, dass der Spa-Unfall nicht der erste seiner Art war.

Wann ist das Glück aufgebraucht?

Auch der Unfall mit David Coulthard und Alexander Wurz in Australien im Jahr 2007 sei geschehen, weil sich Wagen übereinander katapultiert hätten und in die Luft aufgestiegen seien. "Das ist mir auch passiert, als ich mich 2010 in Valencia überschlagen habe", zählt Webber auf. Dem Routinier ist bewusst, dass hauptsächlich Glück einen schlimmeren Ausgang verhinderte. "Aber wir wissen alle, dass es uns eines Tages im Stich lassen wird", warnt er.

Webber stellt die Gretchenfrage: "Sollte man das also verhindern, indem man die Reifen verdeckt, das Cockpit aber offen lässt? Oder sollten die Räder offen bleiben und mehr Schutz des Cockpits erreicht werden?" Er hat sich bereits eine Meinung gebildet, die auf tönernen Füßen steht: "Persönlich halte ich es für wichtiger, die Wagen am Aufsteigen zu hindern. Allerdings nur, weil ich glaube, dass es öfter passiert. Gefahren für das Cockpit sind seltener, müssen aber ernstgenommen werden."

Verantwortung der Fahrer gefragt

Die Konsequenz liegt für Webber aber nicht nur in technischen Lösungen: "Die Fahrer müssen Verantwortung übernehmen", fordert er. In den vergangenen zehn Jahren sei das Niveau an Aggressivität leicht gestiegen. "Weil die Jungs wissen, dass sie einen Unfall in der Regel unbeschadet überstehen. Aber du kannst aggressiv und sicher oder aggressiv und unsicher fahren", erklärt der Red-Bull-Pilot. Ein unterschwelliger Tadel für Grosjean und Pastor Maldonado?

Startunfall in Belgien 2012

Können Reifenabdeckungen das Aufsteigen der Autos verhindern? Zoom

Webber gesteht jedem Piloten zu, sein Können in der Königsklasse noch zu verbessern. "Ich habe immer gesagt, dass man in der Formel 1 nicht ausgelernt hat", stellt er klar und spielt auf den Franzosen und den Venezolaner an: "Man muss nicht involviert werden, aber einige Jungs haben mehr Zwischenfälle als andere und sie sollten sich das zu Herzen nehmen. Wir sollten unser Bestes geben unter allen Bedingungen, auf allen Strecken - dazu muss die Etikette der Fahrer passen."

Unfälle, obwohl der Start an Brisanz verloren hat

Doch Webber besänftigt auch, wenn er die restlichen Rookies der vergangenen Jahre ins Kalkül zieht: "Die meisten Youngster haben ihre Sache gut gemacht." Auch den Grosjeans-Unfall in Belgien betrachtet er nüchtern: "Wäre er im laufenden Rennen passiert, wäre es in Ordnung gewesen. Aber es waren viele Autos drumherum, die Strecke ist an dieser Stelle eng und es entwickelte sich ein haarsträubender Unfall." Liegt genau da der Hund begraben?

"Es ist überraschend, dass so viele Dinge in der ersten Runde passieren." Mark Webber

Denn Webber wundert sich über die Begebenheit, dass es in der Saison 2012 immer wieder am Start zu Kollisionen kommt: "Es eine Überraschung, dass einige der Dinge in der ersten Runde passieren", gibt er zu bedenken. "Die Natur der Formel 1 hat sich wegen der Pirelli-Reifen und dem DRS verändert. Das Überholen ist jetzt einfacher, man muss am Start nicht verzweifelt alles versuchen." Und doch tun es die Fahrer.