• 22.03.2012 16:19

Tropenhitze bringt Renault-Herz nicht ins Schwitzen

Motorenspezialist Remi Taffin erklärt, wieso der aktuelle V8-Motor bei Hitze keine Leistung einbüßt und wichtigen Einfluss auf die Aerodynamik hat

(Motorsport-Total.com) - Achtung, heiß und feucht! Beim Rennen in Malaysia haben sich die Motorenspezialisten von Renault bei der Vorbereitung mit der brütenden Hitze und der immensen Luftfeuchtigkeit in den Tropen auseinanderzusetzen. Auch in anderer Hinsicht unterscheidet sich der Lauf in Sepang deutlich vom Saisonauftakt in Melbourne. In Australien trafen die Teams auf eine "grüne" Rennstrecke, die den Rest des Jahres als öffentliche Straße oder Parkplatz benutzt wird. Sepang dagegen ist eine permanente, intensiv genutzte Piste.

Titel-Bild zur News: Taffin, Remi (Renault)

Lässt das Renault-Herz höher schlagen: Motorenspezialist Remi Taffin

Während in Melbourne neben angenehmem Herbstwetter auch eine kühle Brise und europäisch anmutende Regenschauer vorherrschten, wird es in Kuala Lumpur definitiv tropisch. Konkret heißt das: sehr warm, sehr feucht und mit der Chance auf plötzliche Wolkenbrüche. Wie bereitet Renault die Motoren für die vier Partnerteams vor? Remi Taffin, Leiter des Einsatzteams, erklärt das Vorgehen der Ingenieure: "Die grundlegende Arbeit geschieht während des Winters auf unseren Prüfständen in Viry-Chatillon. Dort simulieren wir die Verhältnisse von Sepang und gewinnen die entscheidenden Daten."

Fahrbarkeit als größte Herausforderung

"Die Motoren laufen unter sehr realitätsnahen Bedingungen. Wir können die extreme Luftfeuchte, die Außentemperatur, den Luftdruck und anderes darstellen. Unter diesen Verhältnissen absolvieren die Triebwerke eine Renndistanz mit allen Belastungen. Das machen wir solange, bis wir sicher sind, dass die Motoren mit dem einzigartigen Stress des tropischen Klimas fertig werden", sagt Taffin über die Arbeit der Spezialisten bei Renault.

Die spezifische Herausforderung ist nicht die Haltbarkeit. "Das größte Problem, das sich aus der hohen relativen Luftfeuchte ergibt, ist die Fahrbarkeit. Dafür müssen wir den Motor deutlich anders abstimmen als unter normalen Bedingungen", so Taffin, der fortfährt: "Es ist aber nicht so, dass deshalb die Aggregate stärker beansprucht würden, denn wir kontrollieren die Motortemperaturen hier ganz besonders genau und die üblichen Änderungen an den Karosserien verbessern die Kühlung."

"Natürliche Temperaturschwankungen spielen keine Rolle" Remi Taffin

Obwohl die tropischen Temperaturen im Vorfeld des Grand Prix in Malaysia immer heiß diskutiert werden, spielen sie für die eigentliche Arbeit der Motoren auf der Rennstrecke kaum eine Rolle, wie Taffin einräumt. Die einfache Erklärung lautet: "Die Arbeitstemperaturen des Triebwerks liegen so hoch, da spielen die natürlichen Schwankungen zwischen den Schauplätzen kaum eine Rolle."

Kühlungsbedarf kostet Abtrieb

"Wir zielen stets auf dasselbe Temperaturfenster ab. Es liegt bei 120 bis 130 Grad für die Kühlflüssigkeit und bei 110 bis 120 Grad für das Motoröl. Wir versuchen, den Einfluss der Temperatur der durchströmenden Luft völlig auszuschließen", macht Teamleiter Taffin klar. "Wir möchten dieses Fenster einhalten und danach richtet sich die Kühlkonfiguration des Autos. Aus Sicht der Motorentechnik machen weder Hitze noch Feuchtigkeit der Luft einen Unterschied."

Logische Folge dieser Denkweise: Die vier Partnerteams müssen sich in Malaysia intensiv damit auseinandersetzen, wie den Triebwerken die richtige Menge an Kühlluft zugeführt wird, ohne die aerodynamisch Effizienz übermäßig zu stören. Taffin erläutert: "Ein erhöhter Kühlungsbedarf für den Motor ist immer auch mit Einbußen beim Abtrieb verbunden. Denn die Kühlluft muss auf einem weniger effizienten Weg umgeleitet werden. Wenn der Motor höhere Temperaturen aushält, macht dies das Auto schneller. Denn so kann die Karosserie möglichst eng am Triebwerk anliegen, was wiederum die Aerodynamik und den Abtrieb positiv beeinflusst."

Die Wechselwirkungen fasst Taffin so zusammen: "Das gibt den Teams zusätzlichen Handlungsspielraum. Das ist einer der Vorteile, die den Renault RS27-V8 auszeichnen: Er verkraftet auch hohe Temperaturen ohne Einbußen bei der Zuverlässigkeit oder der Leistung. Dadurch verfügen die Partnerteams von Renault beim Design des Heckbereichs ihrer Fahrzeuge über einen deutlich größeren Gestaltungsspielraum und können das schmal zulaufende 'Cola-Flaschen-Design' umsetzen. Dem RS27 genügen kleinere Kühlluftöffnungen in der Verkleidung."

Im Winter Tausende Kilometer abgespult

Dieses Vertrauen in den Motor und seine Zuverlässigkeit basiert auf einem umfangreichen Testprogramm: Der aktuelle Renault-Motor spulte während der Winterpause auf den Prüfständen Tausende von Kilometern ab. "Unser Testprogramm im Winter umfasst normalerweise zwei Dauerläufe über eine Distanz von rund 3.000 Kilometern. Dabei handelt es sich um einen grundlegenden Langzeit-Test. Aber wir simulieren auch speziell jene Bedingungen, die hier in Sepang herrschen. Rund 1.000 Kilometer - also ein Drittel der Gesamtlaufleistung während des Prüfstand-Tests - werden unter vergleichbaren klimatischen Bedingungen wie in Malaysia absolviert", so Taffin.

Bruno Senna

In Malaysia gibt es viel Arbeit für die Motorenspezialisten von Renault Zoom

So könne Renault sicherstellen, dass die Motoren optimal auf das spezielle Klima vorbereitet seien. Taffin weiter: "Dieses Prozedere spulen wir insgesamt zwei Mal ab. Obwohl es sich beim Grand Prix von Malaysia erst um das zweite Rennen der Saison handelt, verfügen wir also bereits über sehr umfangreiches Datenmaterial. So können wir die bekannt hohe Zuverlässigkeit unserer Motoren sicherstellen." Der Kurs von Sepang stellt also besondere Anforderungen an das RS27-Aggregat.

Kein Spezialaggregat für Malaysia

Daher läge es nahe, dass Renault seinen Partnerteams für dieses spezielle Rennen ganz neue Triebwerke zur Verfügung stellt. "Doch diese Vermutung ist erfreulicherweise falsch", schmunzelt Taffin. "Wie bereits in der vergangenen Saison kommen hier in Malaysia exakt dieselben Motoren zum Einsatz, die beim Saisonauftakt in Australien verwendet wurden. Im Grunde geht es darum, wie wir mit nur acht Motoren pro Auto die insgesamt 20 Saison-Rennen bestreiten können. Wir haben viele ver-schiedene Szenarien durchgespielt und uns letztlich dazu entschlossen, die ersten Triebwerke besonders ausgiebig zu nutzen und ihre maximale Kilometerleistung voll auszuschöpfen. Dadurch haben wir gegen Ende der Saison einen größeren Handlungsspielraum."

"Wir setzen großes Vertrauen in unseren RS27 und wissen, dass wir ihm in den ersten Rennen alles abverlangen können. Der Vorteil ist, dass wir somit bei den letzten Grands Prix des Jahres möglichst viele neue Motoren zur Verfügung haben, die dann noch maximal zwei Rennen absolvieren müs-sen", blickt Taffin voraus.