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  • 06.11.2002 17:36

  • von Fabian Hust

Toyota: Nichts ist unmöglich aber alles ist neu

Neue Fahrer, ein komplett neues Auto ? Toyota riskiert in der zweiten Saison eine Menge, um einen Sprung nach vorne zu machen

(Motorsport-Total.com) - Toyota rüstet sich derzeit in Köln zum Angriff auf die zweite Formel-1-Saison. Dazu läuft der firmeneigene Windkanal in zwei Schichten 16 Stunden am Tag, um aus dem "klobigen" TF102 ein aerodynamisch ausgereifteres Nachfolgemodell zu machen. Nur wenige Teile des TF102 wird man übernehmen, ansonsten wird beim TF103 jedes noch so kleine Detail neu entworfen und fabriziert.

Titel-Bild zur News: Toyota TF102

Der TF103 wird sich deutlich vom TF102 unterscheiden

Saison 2002 viel besser als erwartet

Das Ziel für die vergangene Saison war für einen Formel-1-Neuling ein logisches: Sich für alle Rennen qualifizieren und möglichst viele Rennen beenden: "Es verlief dann viel besser als erwartet", wird Teamchef Ove Andersson in der britischen Presse zitiert. "Das Ziel war es gewesen, der Formel-1-Welt zu zeigen, dass wir ernst zu nehmen sind und man uns akzeptiert. Ich denke, dass wir dieses Ziel erreicht haben. Wir haben uns für jedes Rennen qualifiziert und zwei Punkte als Bonus geholt."

Die Leute wollten zu viel

Diese Punkte waren "glückliche" Punkte und sie haben dafür gesorgt, dass "bis zu einem gewissen Grad die Leute zu viel wollten." Besonders der Druck aus Japan wurde größer, Andersson wurde erst vor wenigen Tagen als Präsident der Toyota Motorsport GmbH (TMG) abgesetzt und durch John Howett ersetzt. "Ich nehme an, dass die Leute enttäuscht mit der Leistung waren, weil wir nicht noch weitere Punkte geholt haben", so Andersson.

Ziel für 2003: Top-10-Startplätze und regelmäßig punkten

Der Schwede ist nun entlastet und kann sich ausschließlich auf seine Rolle als Formel-1-Teamchef konzentrieren. In der kommenden Saison will man mehr erreichen als in der Debütsaison: "Mit einem stärkeren Chassis und der neuen Motorenspezifikation erwarte ich uns kommende Saison in einer stärkeren Position. Realistisch gesehen sollten wir in jedem Rennen aus der Top 10 starten und beginnen, regelmäßiger in die Punkte zu fahren."

Ein Vorteil fällt für Toyota weg

Doch Ex-Toyota-Fahrer Mika Salo spricht ein wichtiges Detail an: "Wir hatten einen guten Start in die Saison, weil wir gut vorbereitet waren, danach ging es rauf und runter." Im letzten Jahr war Toyota noch nicht in die Formel 1 eingetreten, man konnte auch im November testen, so viel man wollte. Nun jedoch muss man sich an die Testbeschränkungen halten, wie jedes andere Team auch. Die logische Konsequenz: Ein Vorteil gegenüber den anderen Mannschaften fällt weg.

Es könnte also durchaus sein, dass Toyota plötzlich mit ungewohnten Problemen zu kämpfen hat. Mika Salo erlebte in der vergangenen Saison am eigenen Leib, dass japanische Autos nicht zwangsläufig immer zuverlässig sein müssen: "Wir hatten in der Mitte der Saison rund fünf Rennen, in denen die Zuverlässigkeit ärmlich war. Aber das Team hat daraus gelernt und wir waren dann ziemlich konkurrenzfähig bei Rennen wie Spa und Monza, wo wir hätten Punkte holen sollen."

Keine peinlichen Schlappen

Damit die vielen neuen Ingenieure lernen konnten, wie in der Formel 1 gearbeitet werden muss, konzentrierte Chefdesigner Gustav Brunner absichtlich ein sehr konservatives Auto ? das Konzept ging auf: "Wenn ich zurückschaue, so bin ich sehr stolz auf die Saison", so der Österreicher. "Wir haben uns selbst keine peinliche Schlappe geleistet und besser gearbeitet, als wir uns das jemals ausgemahlt hatten."

Zwei Sorgen konnte Brunner gleich beim ersten Rennen in Australien abhaken ? dass das Team nicht gut zusammenarbeiten würde und das Auto vielleicht zu langsam ist. Auch das Qualifying in Silverstone nennt der Designer als Highlight der Saison: "Ich war über den achten Startplatz sehr überrascht, das war das achte Weltwunder!"

Der TF103 macht gute Fortschritte

Mit dem TF102 wollte man "nie die Top-Teams in Gefahr bringen", wie Brunner versichert, mit dem nächstjährigen Auto will man frei nach dem Motto "schneller und besser" angreifen. Auch für Brunner sollen es viele Startplätze in der Top 10 und einige WM-Punkte sein: "Wir machen mit dem neuen Auto gute Fortschritte, etwas zum Auto sagen kann man aber erst, wenn wir das Auto im Januar zum ersten Mal gefahren sind."

Wo waren die Fehler?

Für Teammanager Ange Pasquali stand in dieser Saison vor allem die Arbeit des Teams im Vordergrund und mit ihr war er zufrieden: "Ich kann mich nicht an einen einzigen Fehler des Teams erinnern und das ist ein unglaublich gutes Gefühl! Wir stießen nie auf eine Situation, in der wir dachten 'Verdammt, wie konnten wir daran nur nicht denken?'. Was hinter den Kulissen von jedem im Team geleistet wurde, ist schwierig zu erklären. Die Leute, die man beim Rennen sieht, sind ja nur die Spitze des Eisberges."

Chassis als Schwachpunkt

Ganz zufrieden ist Pasquali mit der Saison aber dennoch nicht. Man müsse "jedes Detail" verbessern, dazu zählen auch die Boxenstopps: "Wir waren in Sachen Motor in diesem Jahr gut und weniger gut mit dem Chassis, aber wir wissen, dass die Ingenieure hart daran arbeiten und im Moment ziemlich optimistisch sind."

Motor als Geheimwaffe

Für Motorenchef Norbert Kreyer war das Rennen in Magny-Cours der schwärzeste Moment des Jahres, als man beide Autos mit einem Motorschaden verlor: "Ansonsten waren wir von der Motorenabteilung mit der Saison ziemlich zufrieden. Die letzten vier Rennen von Spa bis Suzuka waren aus Sicht der Motoren sehr gut und wir zeigten in Spa und Monza starke Leistungen."

Dass die Japaner in der kommenden Saison aggressiver zu Werke gehen wollen, zeigt die Tatsache, dass man im kommenden Jahr definitiv einen Qualifying-Motor einsetzen wird, auf den man in diesem Jahr verständlicherweise noch verzichtet hatte. Und auch der Rennmotor wird verbessert: "Der RVX-03 wird viel leichter sein und über einen niedrigeren Schwerpunkt verfügen", erklärt Kreyer. "Und schlussendlich werden wir auch mehr PS haben."

Zu viel Optimismus ist unangebracht

Ob Toyota alle Vorhaben in die Tat umsetzen kann, bleibt abzuwarten. Über den Winter sind die Hoffnungen aller Beteiligten groß. Nicht nur Toyota will einen großen Schritt nach vorne machen. Sauber will Renault wieder den vierten Platz streitig machen, Renault plant den Angriff auf die Top-Teams. Jaguar will einen großen Schritt nach vorne machen, bei Jordan soll der Cosworth-Motor verbunden mit einem neuen Autokonzept ebenso zum Sprung nach vorne helfen wie der Ex-Williams-Aerodynamiker Geoff Willis als Designer des BAR.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das zweite Jahr in der Formel 1 fast immer das schwierigste ist. Dass Toyota aus diesem Grund nicht nur ein komplett neues Auto und neuen Motor baut, sondern mit Olivier Panis und Cristiano da Matta auch noch zwei neue Fahrer - da Matta ust sogar ein Formel-1-Neuling - verpflichtet, zeigt den Mut, den man in Köln und Japan an den Tag legt. Ob das Team die harte Realität der Formel 1 einholt oder nicht, bleibt abzuwarten.