• 01.02.2013 14:37

Tombazis: "Hatten wenig Entwicklungszeit im Windkanal"

Ferrari-Chefdesigner Nikolas Tombazis im Interview: Warum er dieses Jahr weniger Last trägt und wieso man noch unter dem langen Titelkampf 2012 leidet

(Motorsport-Total.com) - 2013 will Ferrari nach der Niederlage im Vorjahr mit neuem Elan angreifen. Um dies zu gewährleisten, wurde der griechische Ferrari-Chefdesigner Nikolas Tombazis durch eine Umstrukturierung im Winter entlastet und kann sich dieses Jahr besser auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Im Interview spricht er über die neue Struktur, die Nachteile der Arbeit im Windkanal in Köln und den Grund für den derzeitigen Entwicklungsrückstand beim F138.

Titel-Bild zur News: Nikolas Tombazis

Nikolas Tombazis will den F138 erst nach dem dritten Test beurteilen Zoom

Frage: "Nikolas, Die Rolle des Ferrari-Chefdesigners hat sich im Vorjahr verändert. Bitte erkläre, wie deine Arbeit nun aussieht."
Nikolas Tombazis: "Wir mussten das Team in vielerlei Hinsicht reorganisieren, um auf die schwache Performance der letzten paar Saisons zu reagieren. Wir haben zum Beispiel erkannt, dass ich zu viel Druck und zu wenig Zeit hatte, um bei allen mechanischen, aerodynamischen Aspekten und so weiter im Bilde zu sein. Wir haben also versucht, eine Struktur aufzubauen, die mir etwas zeitlichen Spielraum verleiht. Wir haben zum Beispiel die Rolle des stellvertretenden Chefdesigners eingeführt. Die zwei stellvertretenden Chefdesigner kümmern sich abwechselnd um die Autos."

"Wir haben auch die Aerodynamikabteilung des Teams verstärkt, indem wir einen Chefaerodynamiker und andere Leute geholt haben, die uns dabei helfen sollen, die Methodik in Sachen Aerodynamik zu verbessern. Meine Rolle hat sich auf eine gewisse Art und Weise weiterentwickelt, um diese Aktivitäten zu überwachen. Ich gehe auch davon aus, dass ich dadurch mehr Zeiten haben werde, um mich gewissen aerodynamischen Themen anzunehmen, und dies mit einem ruhigeren Gewissen tun kann, damit wir besser Resultate einfahren."

Frage: "Bleibt dadurch mehr Zeit für Kreativität?"
Tombazis: "Ich würde sagen, dass dafür mehr Zeit bleibt. Die Formel 1 ist in den vergangenen Jahren ganz klar sehr kompliziert geworden. Es ist also nicht vorstellbar, dass eine Person alles machen kann. Stattdessen ist es viel wichtiger, Zeit in gewissen Bereichen zu verbringen. Diese Umstrukturierung nimmt mir die Last etwas von meinen Schultern, und ich kann mich dadurch besser auf diese Bereiche konzentrieren."

Die Folgen des Titelkampfes 2012

Frage: "Die Arbeitsprozesse im Windkanal wurden geändert, aber auch die Infrastruktur wird überholt - der Windkanal in Maranello wird geschlossen. Wie lief der Designprozess des Ferrari F138 ab und wie werdet ihr das Auto im Laufe des Jahres weiterentwickeln?"
Tombazis: "Im Vorjahr haben wir sehr lange für die Weltmeisterschaft 2012 gepusht. Der F138 wurde zunächst im Windkanal entwickelt, wo wir ein paar Grundcharakteristika überprüft haben. Die Arbeit an der mechanischen Seite des Autos hat sehr früh begonnen. Wir haben an vielen mechanischen Details gearbeitet. Der Großteil der aerodynamischen Arbeit hat aber sehr spät in der Saison 2012 in Maranello begonnen, weil wir enormen Druck hatten, um den Titel 2012 zu gewinnen."


Fotos: Präsentation des Ferrari F138


"Wir haben 2012 auch etwas Arbeit in einem externen Windkanal verrichtet, und das wird über die gesamte Saison 2013 so weitergehen. Wir werden die gesamte Entwicklungsarbeit dieses Autos im Toyota-Windkanal in Deutschland durchführen, während wir den Windkanal in Maranello auf einen Stand bringen, von dem wir glauben, dass er ein gutes Niveau darstellt. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Windkanal in Maranello immer älter wird, und es gibt ein paar Bereiche, die auf den neuesten Stand gebracht werden müssen. Der Windkanal hat uns zwölf Jahre lang gut gedient, aber er muss jetzt wahrscheinlich verbessert werden."

Warum die Windkanallösung richtig ist

Frage: "Wirkt es sich auf die tägliche Arbeit aus, dass die Ingenieure in Maranello sitzen und der Windkanal sich in Köln befindet?"
Tombazis: "Ja. Es wäre natürlich ideal, wenn sich der Windkanal eine Tür weiter befindet, denn so kann man sofort überprüfen, wie das Modell funktioniert und was passiert. Ich will daher nicht sagen, dass die aktuelle Situation überhaupt kein Kompromiss wäre und die optimale Lösung ist. Wenn man aber die mittel- und langfristigen Vorteile eines generalüberholten Windkanals damit abwägt, mit dem weiterzumachen, was wir derzeit haben, dann ist klar, dass unsere Strategie die beste ist."

"Wir haben Schritte eingeleitet, um einige Probleme in Sachen Kommunikation und Logistik zu lindern und zu lösen, um den Betrieb 2013 so effizient wie möglich zu gestalten. Ich muss aber unterstreichen, dass es nach wie vor am wichtigsten ist, gute Ideen zu haben und eine gute aerodynamische Entwicklung zu erzielen. Und gute Einrichtungen, die man für Experimente nutzen kann."

Frage: "Bist du mit der Arbeit, die ihr beim F138 verrichtet habt, zufrieden?"
Tombazis: "Ich habe mir kürzlich gesagt, dass es besser ist, zu einem frühen Zeitpunkt nicht zu viel zu sagen, damit wir dann an der Strecke hoffentlich die Antwort geben können. Ich werde daher nicht zu viele Prophezeiungen machen. Ich denke, dass wir ordentlich gearbeitet haben. Wir mussten im Vergleich zu den vergangenen Jahren einen Schritt machen."

"Beim Präsentationsauto, das beim ersten Test zum Einsatz kommen wird, hatten wir relativ wenig Entwicklungszeit im Windkanal, weil wir uns so lange auf das 2012er-Auto konzentriert haben. Ich glaube, dass wir für den dritten Test und für das erste Rennen ein sehr starkes Paket haben. Damit bin ich einigermaßen zufrieden, aber ich werde mich hüten, Vorhersagen zu machen."