• 23.07.2002 15:08

  • von Fabian Hust

Todt: "Man kann nicht sagen, dass Michael der Beste ist"

Ferrari-Rennleiter Jean Todt über Michael Schumacher, den WM-Titel, Juan Manuel Fangio und weitere Ziele bei Ferrari

(Motorsport-Total.com) - Ferrari-Rennleiter Jean Todt denkt immer noch voller Stolz an den vergangen Sonntag zurück, als man in Magny-Cours zusammen mit Michael Schumacher seinen fünften WM-Titel feiern durfte: "Zu Beginn des Jahres dachten wir nie daran, dass wir mit Michael beim Frankreich-Grand-Prix Weltmeister sein würden. Es war wichtig gewesen, das Maximum an Punkten zu holen, nachdem Rubens Barrichello nicht losfahren konnte, um unsere Position in der Weltmeisterschaft zu verteidigen, denn wir wussten sehr gut vor dem Start dieses Rennens, dass wenn einer unserer Fahrer Zweiter, Dritter oder Vierter ist und dann alle Rennen gewinnt, müsste Michael 15 Punkte holen, was für uns nach dem Start der Saison als sehr realistisch erschien."

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher und Jean Todt

Jean Todt will Schumacher nicht zum besten Fahrer aller Zeiten ernennen

Vor dem Rennen hatte man aber noch nicht die Rechnung mit den Silberpfeilen gemacht, die Ferrari unterstützten, in dem sie BMW-Williams Punkte wegholen: "In gewisser Weise waren die Fahrer vorn im Feld abgesehen von Ferrari nicht die Gleichen wie gewöhnlich, was bedeutete, dass die Weltmeisterschaft für uns gut aussah. Es war schon an sich ein sehr aufregendes Rennen und zusammen mit der Tatsache, dass wir unser Ziel früher als erwartet erreichten war es ein echtes Bonbon."

"Eine riesige Last fällt ab"

Für Todt war der Sieg ein sehr emotionaler: "Er war emotional, denn ab einem bestimmten Moment widmeten wir uns diesem bestimmten Ziel und wenn man dies erreicht hat, dann ist das wie wenn eine riesige Last von den Schultern abfällt. Es war eine große Erleichterung, dass wir es geschafft haben, besonders deshalb, weil es uns früher als jemals zuvor gelang."

Für seine "Familie" hat der Franzose viel Lob übrig: "Ich denke, dass sie für uns ein großes Kapital ist. Es ist eine unserer Stärken und die Tatsache, dass jedes Teammitglied eine wichtige Rolle hat, die respektiert wird, ist eine großartige Motivation. Vielleicht ist der Grund, warum wir so gut sind, die Tatsache, dass wir alle schwierige Zeiten durchgemacht haben und Probleme schweißen einen mehr zusammen als wenn es gut läuft."

"Michael kann man nicht mit Fangio vergleichen"

Auch Todt gehört zu jenen Leuten, die einen Vergleich zwischen Fangio und Schumacher scheuen: "Für mich war Fangio eine Legende. Ich hatte das Privileg, ihn kennen zu dürfen, ihn einige Male zu sehen, ihn in Argentinien, in Europa und zu Hause zu besuchen, aber für mich fuhr er in einer Ära, in der ich nicht involviert war. Ich machte nicht das, was ich im Moment tat. Michael ist jemand anderes. Michael ist Teil meines beruflichen und privaten Lebens, es ist also etwas anders. Ich glaube nicht, dass man ihn mit Fangio vergleichen kann, wie gut er im Vergleich zu Michael war, da sie aus verschiedenen Epochen stammen."

Einen Vergleich mit dem fünffachen Formel-1-Weltmeister aus Argentinien, der seinen letzten Titel 1957 fuhr, will Todt also nicht ziehen: "Michael ist einfach ein großartiger Fahrer, er fährt ein fantastisches Auto, er hat ein super Team hinter sich stehen, er hat sehr gute Reifen. Alle diese Dinge arbeiten als Kombination zusammen und machen ihn außergewöhnlich. Ich denke, dass es sehr vermessen wäre zu behaupten, dass er der Beste ist. Woher wollen wir das wissen?"

"Michael respektiert die Leute"

Seit 1996 arbeiten Jean Todt und Michael Schumacher nun eng zusammen, dennoch gibt es immer wieder Dinge, die den Franzosen an seinem deutschen Mitarbeiter verblüffen: "Seine Herangehensweise. Er will immer alles wissen. Seine Widmung, was auch immer passieren wird, er wird es tun. Er ist sehr realistisch, er hat einen Sinn für Werte, er respektiert die Leute und er mag es, wenn man ihn respektiert."

Für Todt ist ganz klar Michael Schumacher nicht der Star des Teams, sondern der Star ist die ganze Mannschaft: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand daran denkt, dass Michael im Moment ein anderes Auto als einen Ferrari fahren würde. Das ist für mich das beste Ergebnis. Es ist der größte Erfolg, gute Leute bei Ferrari zusammengebracht zu haben, wo jeder seine klare Verantwortung übernommen hat. Jeder geht in die gleiche Richtung und das ist unsere Stärke."

"Vor uns liegt eine großartige Zeit"

Trotz aller Feiern weiß Jean Todt, dass die Saison noch nicht gelaufen ist: "Das Team wird nicht relaxen. Jeder Schritt, den wir mit dem 2002er-Auto machen, wird uns 2003 helfen, ich denke also, dass es der schlimmste Fehler wäre zu sagen 'lasst uns die Entwicklung des Autos stoppen'. Wir müssen das Auto, den Motor, die Reifen entwickeln und den Vorteil, den wir daraus bis zum Saisonende ziehen, werden wir zum nächstjährigen Auto, Motor und Reifen mitnehmen können. Es ist ein stetiger Prozess. Ich denke, dass wir noch eine großartige Zeit vor uns liegen haben."