Theissen: Zuversicht und gute Grundstimmung
Der BMW Motorsport Direktor ausführlich über Sebastian Vettels Formel-1-Debüt, das Comeback von Robert Kubica und die Ziele in Magny-Cours
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Renault hat verkündet, dass sie hier an BMW Sauber vorbeigehen wollen. Was kontern Sie?"
MarioTheissen: "Super Aguri auch. Alle, die hinter uns sind, versuchen, uns zu überholen."

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Mario Theissen ließ sich nichts zu Vettels Zukunft entlocken
Frage: "Wie ist die Grundstimmung im Team?"
Theissen: "Grundstimmung ist gut. Wir haben gesehen, dass wir in den Überseerennen von der Fahrzeugperformance her stark unterwegs waren. Wir waren sogar auf dem Niveau von Ferrari, was die Rundenzeiten anging. Wir hatten einen sehr guten Test in Silverstone. Man ist hier sehr zuversichtlich im Team."#w1#
Frage: "Die Strecke hat in den vergangenen Jahren ja BMW und Sauber auch gelegen."
Theissen: "Nein, eigentlich nicht, das war mittelmäßig. Es war kein spezieller Kurs für uns. Aber auch nicht irgendwie schlecht."
Frage: "Wissen Sie, welche Auswirkungen der neue Asphalt hier haben wird und wann der gelegt wurde?"
Theissen: "Der wird sicher Auswirkungen haben, aber ich kann selbst nicht einschätzen, welche besonders. Wir fahren ja jetzt erstmals mit diesem Einheitsreifen. Den haben wir hier auch noch nicht gehabt."
Innen- und Außenansicht eines Unfalls
Frage: "Glauben Sie, dass der Unfall von Robert Kubica auf ihn einen Einfluss haben wird?"
Theissen: "Ich glaube es nicht, wenn ich mit ihm spreche, und nicht nur, wenn er sich zu dem Thema äußert. Es war wohl so, dass er das im Auto weniger dramatisch erlebt hat als wir vor den Bildschirmen."
Frage: "Hat er es sich schon angeschaut?"
Theissen: "Er hat es sich im Nachhinein angeschaut und da hat er mir bestätigt, dass er es so dramatisch nicht empfunden hat, wie es im Fernsehen ausschaute. Es hat im Fernsehen auch dramatischer ausgeschaut, als es war. Weil einfach die Kameraperspektive so war, dass ich zumindest vermutet hatte, dass der erste Aufprall in die Mauer nahezu rechtwinklig war. In Wahrheit war er nur unter 30 Grad. Also relativ spitz. Die Datenanalyse hat dann ergeben, dass es eben nicht so hart war, wie wir das alle vermutet hatten."
Frage: "Ist es vielleicht eine besondere Stärke von ihm, mit solchen Erlebnissen gut umgehen zu können?"
Theissen: "Er ist der erste Fahrer in unserer Obhut, der so einen Unfall wegstecken muss. Auf mich macht er den Eindruck, als habe ihn der Unfall gar nicht so berührt, wie wir uns das vorstellen. Also ich hab den Eindruck, er hat ihn schon weggesteckt. Wir werden es ja an diesem Wochenende sehen."
Frage: "Erwarten sie von ihm jetzt weniger oder anderes?"
Theissen: "Nein, dasselbe. Ich erwarte, dass er ins Auto steigt und sich so wohl fühlt und so fährt wie vorher."
Frage: "Mit Blick auf die WM-Punkte erwarten Sie sich von der Paarung Heidfeld/Kubica also mehr als von der Paarung Heidfeld/Vettel?"
Theissen: "Ja, das ist klar, aufgrund der Rennerfahrung. Sebastian hat, aus meiner Sicht, einen sehr guten Einstand gehabt in Indy. Er hat das erreicht, was man von ihm erwarten konnte, vielleicht sogar etwas mehr. Er ist mit relativ wenig Erfahrung in diesem Auto auf einer Strecke, die er noch nicht kannte, eingestiegen, hat auf Anhieb einen sehr guten Freitag mit mehr als einer Renndistanz hingelegt. Hat das, was er da mitgenommen hat, am Samstag im Qualifying komplett umgesetzt mit Platz 7."
"Im Rennen am Start hat er Leergeld bezahlt, aber danach auch keinen Fehler mehr gemacht. Der Punkt war sicher ein verdienter Lohn dafür. Und die Tatsache, dass er damit der einzige Teenager ist, der je in der Formel 1 einen Punkt geholt hat, ist sicher auch Ausdruck davon. Aber es ist klar, dass er noch einiges lernen muss. Er hat erst sehr wenige Rennsituationen erlebt. Und diese Erfahrung kann man auch keinem am grünen Tisch beibringen. Das ist ein Lernprozess, den der Nick längst hinter sich hat und den Robert auch abgeschlossen hat."
Frage: "Kann man den Einstand von Vettel in Indianapolis den von Robert im Vorjahr vergleichen?"
Theissen: "Das kann man nicht vergleichen, weil der Robert im vergangenen Jahr jeden Freitag gefahren ist. Wir hatten auch noch nicht die Testrestriktionen wie in diesem Jahr. So ist er auch zwischen den Rennen immer wieder im Auto gesessen, weil wir mit zwei Autos testen konnten. Sebastian hatte den letzten richtigen Testtag im Februar, in diesem Auto hatte er sowieso nur ein, zwei, drei Tage hatte, und dann eben die zwei Freitage. Das ist ein Riesenunterschied."
Keine Umstellungen bei Vettel
Frage: "Können Sie nachvollziehen, wie es sich nun für ihn anfühlen muss nach dem Start? Er würde zwei Wochen später sicher wieder zeigen wollen, was er kann."
Theissen: "Ja, natürlich. Er hat ja auch das Zeug dazu. Das Verlangen war vor dem Einsatz in Indy vielleicht genauso groß."
Frage: "Müssen Sie ihn jetzt zügeln und in die richtigen Bahnen lenken?"
Theissen: "Da gibt es nicht viel zu zügeln, die Situation ist klar. So klar, wie er in Indy ins Auto gekommen ist, so klar ist nun, dass Robert wieder fährt. Das ist eben Teil des Geschäfts. Ich erwarte da keine größeren Schwierigkeiten."
Frage: "Ist Timo Glock auch in allen Sitzungen dabei?"
Theissen: "Nein. Insbesondere deshalb nicht, weil er hier am Wochenende etwas anderes zu tun hat. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass es nicht geschickt ist, einen Fahrer an einem Wochenende in zwei Kategorien fahren zu lassen oder ihn auch nur mit zwei Kategorien auseinandersetzen zu lassen. Ich habe mich heute Morgen mit Timo über die Unterschiede GP2 und Formel 1 unterhalten, und das ist weit mehr als nur das Auto. Es ist die Einstellung, wie man so ein Rennwochenende angeht. Die ist völlig unterschiedlich. So haben sie für das ganze Rennwochenende vier Reifensätze, der vierte muss beim Beginn des zweiten Rennens am Sonntag noch neu sein. Die müssen also mit einer ganz anderen Einstellung an Training, Qualifying und das erste Rennen herangehen. So ist es auch in anderen Fragen. Wenn man da immer hin und her springt, dann tut man ihm keinen Gefallen damit."
Frage: "Bei McLaren soll es für Lewis Hamilton immer eine ganz genaue Vorbereitung auf die Strecken geben. Wie lief das bei euch und Sebastian Vettel ab?"
Theissen: "Die Vorbereitung auf das Rennen war intensiver. Erstens haben wir natürlich das Freitagsprogramm umgestellt, haben es maximiert. Und dann haben sich auch die Ingenieure viel Zeit genommen, um mit Sebastian alles das durchzusprechen, was ihn erwartet."
"Vettel-Hype" kam nicht unerwartet
Frage: "Haben Sie den Hype miterlebt, der in Deutschland wegen Sebastian ausgebrochen ist? Haben Sie das erwartet?"
Theissen: "Das habe ich schon erwartet, ich hab es aber nicht in vollem Maß mitgekriegt. Ich habe es mir nachher nur mal angelesen."
Frage: "War der Hype übertrieben?"
Theissen: "Was heißt übertrieben. Gemessen an dem, was im vergangenen Jahr in Istanbul (als Vettel seinen Freitagseinstand gab; Anm. d. Red.) passiert ist, sicher nicht übertrieben."
Frage: "Spielt es für einen Teamchef auch eine Rolle, dass bei so etwas auch ein PR-Faktor mitspielt?"
Theissen: "Ja, schon. In Indianapolis wurde ich gefragt, warum wir Sebastian nicht schon im Montréal als unseren Ersatzfahrer vorgestellt haben. Das genau ist der Grund. Wenn wir das getan hätten, dann hätte Sebastian von Montag bis zum Rennwochenende im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden. Wenn dann, was ich eigentlich erwartet habe, der Robert die Rennfreigabe erhalten hätte, dann hätte er noch einmal zwei, drei Tage Storys gehabt oder Stress. Das wollten wir vermeiden."
Frage: "Haben Sie wirklich damit gerechnet, dass Robert die Freigabe bekommt?"
Theissen: "Ja. Insbesondere aufgrund der Aussage des Arztes in Kanada, der ja ein erfahrener Mann ist."
Frage: "Wo soll Sebastian Vettel denn im nächsten Jahr Formel 1 fahren?"
Theissen: "Dazu gibt es nichts Neues."
Frage: "Wie ist denn der Stand bis jetzt?"
Theissen: "Dass es dazu nichts Neues gibt. Und da gab es auch noch gar nichts zu"
Frage: "Würden Sie sich das wünschen?"
Theissen: "Dass es etwas Neues gibt?"
Frage: "Nein, dass er ein Cockpit bekommt."
Theissen: "Das ist kein Thema zurzeit. Jedenfalls keines, über das ich derzeit sprechen kann."

