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  • 30.03.2009 14:23

  • von Roman Wittemeier

Theissen: "Man muss auch wollen"

BMW Motorsport Direktor Mario Theissen über die Rückbesinnung der Formel 1 als Entwicklungs-Katalysator für Serienautos

(Motorsport-Total.com) - Am vergangenen Wochenende ist in der Formel 1 endgültig das Zeitalter der Hybridtechnik eingeläutet worden. KERS ist in den vergangenen Monaten vielfach diskutiert worden, abgesichts der hohen Entwicklungskosten und der großen technischen Herausforderung hatte man von vielen Seiten für eine Verschiebung der KERS-Einführung plädiert. Nun hat man einen Kompromiss: Der Einsatz ist 2009 freiwillig, für 2010 kommt voraussichtlich ein Einheitssystem.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen (BMW Motorsport Direktor)Melbourne, Albert Park Melbourne

Mario Theissen sieht die Formel 1 wieder auf einem gesunden Weg

Wie fällt die KERS-Bilanz nach dem Auftakt in Melbourne aus? Eigentlich besser als erwartet. Der Zusatzschub in Form von 82 PS über 6,6 Sekunden war mehrfach deutlich erkennbar, überholen offenbar tatsächlich dank der Hybridtechnik einfacher. Zwar litten die KERS-Autos möglicherweise unter schlechterer Balance und höherem Reifenverschleiß, aber zum Beispiel Ferrari konnte dennoch lange Zeit vorne mitfahren. Am wichtigsten: Kein einziger Ausfall war auf Zuverlässigkeitsprobleme mit KERS zurückzuführen.#w1#

Synergien: KERS ist nur der Anfang

Mario Theissen hat also - zumindest zum Auftakt - mit seinem vehementen Festhalten an KERS Recht behalten. Das spielt dem BMW Motorsport Direktor perfekt in die Karten, auch wenn Nick Heidfeld in Melbourne mit seinem Hybridwagen keine Bäume ausreißen konnte. "KERS ergänzt bei BMW in idealer Form die Entwicklung künftiger Serientechnologien unter dem Titel 'Efficient Dynamics'. Ein Stopp hätte zu einer Neubewertung von Aufwand und Nutzen geführt", erklärte Theissen in der 'Welt am Sonntag'.

Eben jene Berwertung von Aufwand und Nutzen sei die Grundlage für das Engagement des Herstellers in der Formel 1. Falls sich die Königsklasse von KERS verabschiedet hätte, wäre möglicherweise bei der Rechnung ein negativer Wert zum Vorschein gekommen. "Wer neue Technologien entwickelt, muss dafür Geld in die Hand nehmen. Offensichtlich sind wir bei KERS effizienter unterwegs als einige Konkurrenten. Zweitens hat zumindest bei BMW KERS sehr wohl etwas mit künftigen Serienlösungen zu tun", argumentierte der Deutsche.

Nick HeidfeldMelbourne, Albert Park Melbourne

Nick Heidfelds Probleme im Rennen hatten mit KERS gar nichts zu tun Zoom

"Wir haben bei den Komponenten einen Quantensprung erreicht bezüglich Leistungs- und Packungsdichte, und diese Erkenntnisse kommen nicht nur Hybridfahrzeugen zugute. Generator, Batterie und Elektronik finden sich schließlich in jedem Auto", stellte Theissen die Auswirkungen auf den Serienbau dar. Die Kritik von zum Beispiel Ferrari und Renault konterte er: "Man muss auch wollen. Wer einen solchen Technologietransfer nicht aktiv treibt, die Ingenieure zusammenbringt, der wird auch keine Synergien erschließen."

Der Sport steht nicht in Frage

Die Formel-1-Bühne biete nach wie vor die beste Grundlage, um Imagewerte des modernen Automobilbaus zu tunen. "Weil wir über den Motorsport am besten unsere Markenwerte demonstrieren können: Technologieführerschaft, Innovationskraft, Dynamik, Freude am Fahren", erklärte der BMW Motorsport Direktor. Und weiter: "Für die Umsetzung dieser Parameter gibt es keine bessere Bühne." Es sei kein Thema gewesen, dass sich BMW möglicherweise zurückgezogen hätte, wenn KERS auf Eis gelegt worden wäre.

¿pbvin|512|1411||0pb¿Der Austausch zwischen Sport und Serie sei natürlich längst nicht mehr so intensiv wie zu Beginn des Grand-Prix-Zirkus. Aber: "Der aktuelle Ansatz der FIA leitet jedoch eine Trendumkehr ein, die wir begrüßen." Er erklärte: "Reduzierung des Entwicklungsaufwands in Bereichen, die entweder von ihren Möglichkeiten erschöpft sind oder für künftige Serienautos keine Bedeutung haben. Öffnen von Innovationsfeldern, die tatsächlich die Serie befruchten können. Auf diese Weise kann man die Formel 1 repositionieren auch in ökologisch und ökonomisch angespannten Zeiten. Wir stehen hinter KERS nicht nur, weil es gut für BMW ist, sondern auch für die Formel 1."

Die Königsklasse rücke so noch deutlicher in den Fokus der Öffentlichkeit. Eine Rechtfertigung für die Existenz des Sports sei es jedoch nicht: "Im Ernst: Wollen Sie einer Sport-, Kultur- oder sonstigen Veranstaltung, die im Jahresverlauf weltweit mehr als 600 Millionen Menschen zum Teil in der Nacht auf die Beine bringt, die Daseinsberechtigung absprechen? Nur Olympia und Fußball-WM haben eine größere Resonanz als die Formel 1, aber eben nur alle vier Jahre. Und was die zeitgemäße Botschaft angeht, da kann ich nur nochmals auf Themen wie KERS verweisen."