• 10.08.2002 15:15

  • von Marcus Kollmann

Theissen fordert Verbot von "exotischen" Metallen

Treibt die Furcht vor Ferraris Dominanz den Motorenpartner auf die Barrikaden? - Theissens Äußerungen geben Anlass zum Nachdenken

(Motorsport-Total.com) - Lange Zeit galt der BMW-Motor als der stärkste Zehnzylinder in der Formel 1; zumindest war dies Expertenmeinungen zufolge in der Saison 2001 der Fall. Doch das Blatt hat sich gewendet, denn die Scuderia Ferrari hat, wie kürzlich erst BMW-Williams-Pilot Juan-Pablo Montoya äußerte, aufgeholt.

Titel-Bild zur News: Dr. Mario Theissen

Theissen sieht die Gefahr, dass die Kosten auch weiterhin "explodieren" werden

Die einstigen Vorteile von Weiß-Blau gegenüber den Roten sind jedenfalls auf dem Motorensektor merklich zusammengeschrumpft, was sich auch in Form des Standes in der Konstrukteursweltmeisterschaft zeigt. Dort steht es 141 zu 76 Punkte für Ferrari. Damit BMW-Williams das Team aus Maranello vor der fast schon gesicherten Titelverteidigung abhält, müssten Ralf Schumacher und Juan-Pablo Montoya praktisch in allen fünf noch ausstehenden Rennen Doppelsiege erreichen. Gleichzeitig dürften Michael Schumacher und Rubens Barrichello jedoch keine Punkte holen. Ein scheinbar aussichtloses Unterfangen.

Theissen fordert eindeutigere Bestimmungen von der FIA

Der zweite Platz, laut Aussage der Verantwortlichen von BMW-Williams das gesetzte Ziel für 2002, ist zwar sicherlich eine beachtenswerte Leistung, doch in einem Sport in dem es nur um das Gewinnen geht, ist der Zweite immer der erste Verlierer. Deshalb hat man bei BMW in München und bei Williams in Grove schon fleißig vorgearbeitet und Pläne geschmiedet, wie man die Scuderia Ferrari davon abhalten will auch im nächsten Jahr das Renngeschehen zu bestimmen.

In den englischsprachigen Motorsportmedien wird BMW-Motorsportdirektor Dr. Mario Theissen dieser Tage mit einer Aussage zitiert, welche auf den ersten Blick hin allgemein betrachtet Sinn macht, auf den zweiten Blick hin aber auch Fragen aufwirft.

"Wenn man die Kosten reduzieren will, dann muss man sich auch genau überlegen welche Materialien eingesetzt werden dürfen. Im Moment gibt es nur Auflagen was die spezifische Stärke einiger Materialien betrifft. Allein dadurch verringern sich die Kosten aber nicht notwendigerweise, denn wenn die Zulieferer ihre Materialien bis an die Grenze der erlaubten Härte entwickeln, dann könnte das im Endeffekt genauso kostspielig sein als wenn man Beryllium einsetzen würde", wird Theissen zitiert.

Will Theissen erreichen, dass man bei der Motorenherstellung wieder Beryllium benutzen darf?

Stellt sich die Frage, ob sich Theissen als Verfechter der Reduzierung des von Jahr zu Jahr in die Höhe steigenden Entwicklungsaufwandes in den Sinn der guten Sache stellt, oder ob er damit bezweckt, dass die FIA gezielt vorgeht und Ferrari den Einsatz neuer Metall-Legierungen verbietet. Die Italiener sollen nämlich für 2003 ein neues Motorenkonzept an den Start bringen wollen, welches von radikalen Metall-Legierungen profitiert. Schlussfolgerung: Ferrari könnte den ärgsten Verfolgern (BMW-Williams, McLaren-Mercedes, Renault) über den Winter noch weiter entrücken.

Möglich wäre aber auch, dass der BMW-Motorsportdirektor damit nur ausdrücken will, dass bei der Motorenherstellung ohnehin keine Kosten eingespart werden können, da das Wettrüsten inzwischen so radikale Formen angenommen hat, dass man die Benutzung von Beryllium eigentlich auch wieder erlauben könnte. Dass ein Einschreiten der FIA, wenn diese durch ein Verbot präzisiert welche Metalle, Metall-Legierungen und Werkstoffe beim Bau eines Motors eingesetzt werden dürfen, sich positiv auf eine Umverteilung des Kräfteverhältnisses in der Formel 1 auswirken könnte, zeigt die Vergangenheit. Als die Motorsportbehörde Mercedes und somit Motorbauer Mario Illien verbot Beryllium einzusetzen, warf das die Silberpfeile um Jahre zurück. O-Ton Illien: "Wir hatten 2001 nicht mehr PS als in der Saison 1998."

Ferrari kann Ressourcen anders einsetzen als die Konkurrenz

Von einem harten Durchgreifen gegenüber Ferrari würden in erster Linie BMW-Williams und McLaren-Mercedes profitieren, für die die derzeitige Leistungsfähigkeit der Roten scheinbar eine kaum zu bewältigende Herausforderung darstellt. Grundsätzlich ist der Kerngedanke von Theissens Äußerungen aber klar: Das Engagement in der Formel 1 darf nicht von Saison zu Saison mehr Geld kosten. Die Teams verfolgen diesbezüglich die gleichen Ziele, doch die zur Verfügung stehenden Ressourcen (finanziell und materiell) sind von Rennstall zu Rennstall so verschieden, dass es auch weiterhin eine Zweiklassengesellschaft geben wird. Gefordert ist nun wieder einmal die FIA und somit Max Mosley.

Ob man Ferrari, die auf Grund des Wettbewerbsvorteils in einigen Bereichen (z.B. der Aerodynamik) die Ressourcen anders einsetzen können als die Konkurrenz - die Mühe hat dem Entwicklungstempo der Italiener zu folgen -, verbieten kann "exotische" Materialien bei der Motorherstellung zu verwenden, ist fraglich. Zumal man sich in Maranello ja offensichtlich an das Reglement halten wird.