• 28.09.2008 17:58

  • von Dieter Rencken

Theissen: "Diese Regel gehört längst abgeschafft"

Der BMW Motorsport Direktor im ausführlichen Interview über das erste Nachtrennen in Singapur und die Bilanz für sein Team

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wie lautet Ihr Fazit des heutigen Tages?"
Mario Theissen: "Ich bin sehr enttäuscht über den Ausgang des Rennens, insbesondere darüber, dass die Safety-Car-Regel erneut zugeschlagen hat und uns zum zweiten Mal getroffen hat. Robert ist dadurch in einer entscheidenden Phase der Weltmeisterschaft aus dem Rennen geworfen worden. Wir haben die bisherigen Safety-Car-Phasen der Saison ausgewertet."

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

Mario Theissen ärgert sich über die Safety-Car-Regel

"Es war bisher so gewesen, dass nach einer oder zwei Runden hinter dem Safety Car die Boxengasse wieder geöffnet wurde. Die einzige Ausnahme war der Unfall von Kovalainen, als er aus dem Auto geborgen werden musste. Wir gingen also davon aus, dass es nach einer oder nach zwei Runden passiert. Es gab für uns auch keine Anzeichen, dass es länger dauern müsste. Leider haben sie sie erst nach zweieinhalb Runden geöffnet. So lange konnten wir nicht draußen bleiben."#w1#

Frage: "Wie lange wird es noch dauern, bis sich diese Regel ändert? Wir hören nun bei fast jedem Rennen, dass sie sich bald ändern soll, nun haben wir nur noch drei Rennen in dieser Saison vor uns..."
Theissen: "Es wird sich auch in dieser Saison nichts mehr ändern, weil eine Veränderung in der laufenden Saison eine Einstimmigkeit der Teams erfordert hätte. Und diese hat es im Frühjahr nicht gegeben. Sie wird sich also erst für kommendes Jahr ändern, in meinen Augen hätte sie jedoch längst auf den Müll gehört. Diese Regel stellt Rennen ohne das Zutun der Fahrer oder des Teams auf den Kopf."

Frage: "Sie sind also der Meinung, dass diese Regel heute die Weltmeisterschaft entschieden hat?"
Theissen: "Nein, das meine ich nicht. An der Spitze ist ja eigentlich fast überhaupt nichts passiert. Ferrari hatte einen Totalausfall und McLaren-Mercedes hat auch nur mit Hamilton Punkte geholt. Der entscheidende Effekt ist, dass ein Rennen weniger zu fahren ist und damit weniger Punkte zu vergeben sind. Aber von einer Entscheidung reden wir dann, wenn es vorbei ist."

Frage: "Was sagen Sie zu der Leistung ihrer beiden Fahrer?"
Theissen: "Diese war in Ordnung. Sie haben beide getan, was sie konnten. Nick hat von seinem neunten Startplatz aus das bestmögliche Ergebnis erzielt. Er hat im Verkehr fest gesteckt, hätte deutlich schneller fahren können. Er hatte aber keine Chance zu überholen. Für ihn ist die Strafe von gestern immer noch ärgerlich, weil ohne sie wäre er deutlich weiter vorne gelandet. Aber vom neunten Rang ging einfach nicht mehr. Bei Robert lief eigentlich alles nach Plan. Er war gut auf der vierten Position dabei, konnte sich auch nach hinten ein ordentliches Polster verschaffen und wäre ziemlich weit vorne ins Ziel gefahren."

Frage: "Haben Sie die Strafe gestern gegen Nick verstanden?"
Theissen: "Verstehen tue ich sie, da es natürlich richtig ist, dass Rubens Barrichello die Runde ohne Nick hätte schneller fahren können. Aber ich sehe einen solchen Vorfall als unvermeidbar an. Denn die Ideallinie kreuzt an der Einfahrt direkt die Einfahrt zu Boxengasse. Wenn einer in die Boxengasse fährt, kann dieser gar nicht woanders hin fahren. Er müsste auf die andere Seite fahren und dann noch einmal eine Runde dran hängen, was aber im Qualifying alleine schon wegen des Benzins nicht geht."

Frage: "Sie hatten schon am Donnerstag gesagt, dass man sich auf alle Eventualitäten wie das Wetter und Safety-Car-Phasen einstellen muss. Wie zufrieden sind Sie damit rückblickend?"
Theissen: "Ich bin natürlich nicht zufrieden. Unsere Strategie mit Robert wäre aufgegangen, wenn die Boxengasse wie üblich nach zwei Runden hinter dem Safety Car wieder geöffnet worden wäre. Ansonsten hat eigentlich alles gepasst. Wir haben Robert nach der ersten Safety-Car-Phase vorzeitig reingeholt, nachdem er so weit hinten lag."

"Wir haben ihm dann recht früh einen neuen Reifensatz mit viel Benzin mitgegeben, damit eine weitere Safety-Car-Phase ihn nicht zurückwirft, sondern ihm die Chance bietet, wieder nach vorne zu stoßen. Die zweite Safety-Car-Phase kam aber erst dann, als schon alle getankt hatten. Damit hatte sie keinen Einfluss."

Frage: "Sie hatten ihm während der ersten Safety-Car-Phase gesagt, dass er Benzin sparen soll. Wie viel Benzin kann man denn auf zwei oder drei Runden sparen?"
Theissen: "Das müsste ich jetzt nachschauen, ich denke jedoch, dass man hinter dem Safety Car irgendetwas zwischen der Hälfte und zwei Drittel des Benzins benötigt."

Frage: "Kann man mit vorsichtigem Fahren eine Runde raus kitzeln?"
Theissen: "Ja, wir können die Reichweite sehr genau berechnen, praktisch auf Zehntel-Runden genau. Dann kann man schon genau sagen, wie schnell er fahren muss, um eine Runde später rein zu kommen."

Frage: "Wie knapp war es letztendlich?"
Theissen: "Da gab es keine Chance mehr. Das Benzin-Sparen war auch nicht dafür gedacht, sondern um in dieser Runde reinzukommen. Denn wir gingen wirklich davon aus, dass die Boxengasse in dieser Runde wieder öffnet."

Frage: "Würden Sie trotz allem das gesamte Premieren-Wochenende in Singapur als gelungen betrachten?"
Theissen: "Die Veranstaltung ist auf jeden Fall ein riesiger Erfolg. Es war für die Zuschauer spektakulär und turbulent. Den Zuschauern wurde eine Menge geboten. Ein solches Ergebnis, wie wir es hier gesehen haben, hat natürlich auch etwas für sich. Bei den drei führenden Teams lief es heute nicht nach Plan. Ferrari hat sogar einen Nuller eingefahren."

"Dafür hat Renault den ersten Sieg geholt, es ist damit das fünfte Team, das dieses Jahr ein Rennen gewinnt. Auch Nico Rosberg lag vorne, für den es mich sehr erfreut, da er eine sehr zähe Saison hinter sich hat und hier endlich mal auf dem Podium steht."

"Sebastian Vettel war wieder dabei, Timo Glock ebenfalls. Wir hatten vier deutsche Fahrer in den Punkten, das hat es glaube ich noch nie gegeben. Das ist natürlich auch ein sehr erfreuliche Aspekt."

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