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Singapur: "Magic Alonso" ist der König der Nacht!

Mit ein bisschen Glück und viel Können gewann Fernando Alonso die Flutlichtpremiere vor Nico Rosberg und Lewis Hamilton - Debakel für Ferrari

(Motorsport-Total.com) - Vor dem heutigen Grand Prix von Singapur haben wir unseren Lesern das spektakulärste Formel-1-Rennen aller Zeiten versprochen - und die Königsklasse des Motorsports hat vorbildlich Wort gehalten: Vor atemberaubender Kulisse und rund 100.000 Zuschauern wurde eine optisch einmalige, sehr unterhaltsame und sportlich hochwertige Show geboten.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso ist der König der Nacht: Sieg beim Grand Prix von Singapur!

Und besondere Rennen bringen meistens besondere Sieger hervor: Fernando "Magic" Alonso, gestern im Qualifying wegen einer defekten Benzinpumpe noch der große Pechvogel, machte das Unmögliche möglich und sicherte sich den prestigeträchtigen Premierensieg auf dem 5,067 Kilometer langen Marina Bay Circuit inmitten der südostasiatischen Finanzmetropole. Für Renault war es der erste Grand-Prix-Triumph seit Suzuka 2006.#w1#

Von Siegern und Verlierern

Mit dem zweitplatzierten Nico Rosberg (Williams-Toyota) gab es in der 30 Grad heißen Nacht noch einen weiteren Helden. Rosberg führte eine Armada von vier Deutschen in den Punkterängen an - ein Novum in der Formel-1-Geschichte. Doch wo Überraschungssieger sind, da sind meistens auch Verlierer: Heute traf es das Ferrari-Team, das durch eigenes Unvermögen eine für den WM-Kampf ganz bittere Niederlage einstecken musste.

Für das siegreiche Renault-Team begann die Nacht um 20:00 Uhr Ortszeit mit einer Schrecksekunde, denn Nelson Piquet drehte sich schon in der Aufwärmrunde - später sollte er mit einem ähnlichen Missgeschick den Rennverlauf auf den Kopf stellen. Giancarlo Fisichella (Force-India-Ferrari) startete aus der Boxengasse. Interessant: Alle gingen auf harten Reifen ins Rennen, nur Alonso und Rosberg fuhren mit einem weichen Satz Bridgestones los.

Felipe Massa

Mit ein bisschen Staub, aber ohne Crashes ging es durch die erste Kurve Zoom

Der Start verlief reibungslos, denn hinter Polesetter Felipe Massa (Ferrari), der seine Führung vor Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes) und Kimi Räikkönen (Ferrari) verteidigen konnte, fädelte sich das Feld zwar zum Teil mit etwas großzügig gewählter Linie, aber doch sauber durch die erste Schikane. Nur zwischen Robert Kubica (BMW Sauber F1 Team) und Heikki Kovalainen (McLaren-Mercedes) kam es zu einer leichten Berührung, durch die Kovalainen zwei Positionen einbüßte.

Toller Start von Alonso

Nennenswerte Verschiebungen gab es in der ersten Runde nicht, nur Alonso machte gleich einmal drei Plätze gut. Doch der Vorwärtsdrang wurde schnell gestoppt, denn der neuntplatzierte Jarno Trulli (Toyota) fuhr pro Runde um bis zu drei Sekunden langsamer als die Konkurrenz und zog einen Riesenschweif nach sich, ehe er im vierten Umlauf zunächst von Rosberg und dann nach und nach auch vom Rest überholt wurde.

An der Spitze setzte sich Massa in den ersten zehn Runden um etwa drei Sekunden von Hamilton ab, während Räikkönen eine anfängliche Schwächephase überwand und den Rückstand dann bei sechs Sekunden halten konnte. Grundsätzlich fädelte sich das Feld aber recht schnell ein, denn wie erwartet ließ die Strecke kaum Überholmanöver zu. Eines der spektakulärsten war jenes von Rosberg gegen Trulli - der Williams-Toyota rutschte mit qualmenden Reifen am Werks-Toyota vorbei...

Safety-Car

Die Safety-Car-Phase nach Nelson Piquets Unfall stellte alles auf den Kopf Zoom

Bereits in der zwölften Runde kam Alonso als erster Fahrer zum Boxenstopp - die rennentscheidende Situation, wie sich später herausstellen sollte. Denn sein Teamkollege Piquet verlor ausgangs einer 90-Grad-Linkskurve das Heck, krachte in die Mauer und löste damit eine Safety-Car-Phase aus. Mark Webber und David Coulthard (beide Red-Bull-Renault) kamen gerade noch rechtzeitig vor dem Schließen der Boxengasse zum Stopp, andere hatten jedoch weniger Glück.

Tankstopps bei geschlossener Boxengasse

Rosberg und Kubica mussten mangels Benzin nachtanken lassen, obwohl die Boxengasse noch geschlossen war, und nahmen damit eine Zehn-Sekunden-Strafe in Kauf. Rosberg profitierte dennoch vom Safety-Car-Chaos, denn der Deutsche lag nach seinem Stopp in Führung und hatte mit Trulli und Fisichella zwei Einstopper als Puffer hinter sich, die den Rest des Feldes mit allen Stars aufhielten. So konnte sich Rosberg einen gehörigen Vorsprung aufbauen.

Die kurioseste Szene der heutigen Formel-1-Nacht lieferte aber das Ferrari-Team ab: Als die Boxengasse endlich freigegeben wurde, kamen Massa und Räikkönen gleichzeitig herein. Massa fuhr zu früh los und nahm - ganz im Stile von "Tanktrottel" Christijan Albers (Copyright: 'Bild'-Zeitung) - den Tankschlauch mit, räumte beim Losfahren seine halbe Crew ab und fuhr einen Mechaniker sogar so heftig nieder, dass dieser das Medical-Centre aufsuchen musste.

Nico Rosberg

Nico Rosberg fuhr ein starkes Rennen und lag sogar lange in Führung Zoom

Mit dem noch steckenden Schlauch blieb Massa am Ende der Boxengasse stehen, um auf seine Mechaniker zu warten. Der Schlauch hatte sich aber klarerweise verkantet, sodass es einige Versuche dauerte, ihn zu lösen. Immerhin blieb der Brasilianer noch in der Führungsrunde. Die Crew, die sich ja auch um Räikkönen kümmern musste, reagierte indes blitzschnell und wechselte für den "Iceman" auf die Ersatztankanlage.

Rosberg mit Trulli und Fisichella als Puffer

Während der Safety-Car-Phase blieb Rubens Barrichello (Honda) mit Verdacht auf Benzinmangel stehen, obwohl er kurz zuvor an der Box gewesen war. Gegen Massa wurde dann auch noch eine Durchfahrstrafe wegen unsicherer Fahrweise in der Boxengasse ausgesprochen, ehe das Safety-Car Ende der 20. Runde abbog und das Rennen freigab. Rosberg führte zu jenem Zeitpunkt vor Trulli, Fisichella, Kubica und Alonso.

Doch weil Rosberg und Kubica mit Strafen zu rechnen hatten und Trulli und Fisichella noch nicht an der Box waren, lag die Führung effektiv bereits bei Alonso. Mit gut 20 Sekunden Vorsprung auf Alonso trat Rosberg in der 28. Runde seine Strafe an und fiel auf den vierten Platz zurück; Kubica konnte sich in den wenigen Runden zwischen Vergehen und Strafantritt weniger gut absetzen, verlor zu viel Boden und spielte in der Folge keine Rolle mehr.

Fernando Alonso

"Magic" ist wieder da: Fernando Alonso verhilft Renault zum ersten Sieg seit 2006 Zoom

Webber hätte ebenfalls einer der großen Gewinner der Safety-Car-Phase werden können, doch der Australier leistete sich in einer ungünstigen Phase einen Fahrfehler, fiel um fünf Positionen zurück und steuerte wenig später mit technischen Problemen die Box an. Sein Teamkollege Coulthard hatte indes Hamilton hinter sich - und so blieb es für eine ganze Weile, denn Hamilton fuhr im Wissen von Massas drohender Nullrunde ein eher defensives Rennen auf sichere Punkte.

Ratlosigkeit bei Ferrari

Ferrari zog gegen Halbzeit mit Massa an aussichtsloser Position liegend den letzten Joker, als der Boxenstopp in der Hoffnung einer weiteren Safety-Car-Phase vorgezogen wurde. Doch bei Massa war die Lust nach dem Patzer an der Box längst weg, sodass er zwischenzeitlich sogar von Kubica überholt wurde. Die beiden kamen schlussendlich nach 61 Runden und fast zwei Stunden auf den Positionen elf und 13 ins Ziel.

Als Trulli in der 33. Runde seinen einzigen Boxenstopp absolvierte, übernahm erstmals Alonso die Führung. Kurios: Der spätere Sieger war unmittelbar nach seinem eigenen ersten Stopp noch 20. und Letzter gewesen. Von da an ließ er nichts mehr anbrennen: Alonso fuhr die schnellsten Zeiten, baute einen soliden Vorsprung auf seine direkten Gegner auf und kam sogar nach seinem letzten Boxenstopp wieder als Führender vor Coulthard und Hamilton auf die Strecke.

Lewis Hamilton

Hinsichtlich der WM-Situation auch ein Sieger der Nacht: Lewis Hamilton Zoom

Hamilton schnupfte kurz darauf endlich Coulthard, für eine ernsthafte Attacke gegen Alonso und Rosberg war es da aber schon zu spät. Oder doch nicht? In der 51. Runde krachte Adrian Sutil (Force-India-Ferrari) in der Unterführung gegen die Mauer und löste damit eine weitere Safety-Car-Phase aus. Massa war zuvor vom langsam werdenden Trulli irritiert worden und hatte leicht angeschlagen, Sutil musste dem gerade losfahrenden Ferrari-Piloten ausweichen.

Alonso beim Restart weltmeisterlich

Damit rückte das Feld wieder zusammen und die Entscheidung musste im Kampf Rad an Rad fallen. Alonso demonstrierte dabei seine Klasse, fuhr in zwei Runden um sechs Sekunden davon und konnte es von da an ruhig angehen lassen. Hinter ihm schnupperte Hamilton kurz an Rosbergs Heck, im Finish riskierte der WM-Leader aber nichts mehr. Je 2,9 Sekunden lagen bei der Zieldurchfahrt zwischen Alonso und Rosberg beziehungsweise Rosberg und Hamilton.

Als hätte Ferrari sich bis dahin noch nicht genug blamiert, setzte Räikkönen an fünfter Stelle liegend noch einen drauf, indem er eine Schikane etwas unkonzentriert ansteuerte, auf den hohen Kerbs leicht abhob, Lenkwirkung verlor und in den Barrieren landete. Sein Traum von der erfolgreichen Titelverteidigung ist damit wohl endgültig ausgeträumt - 27 Punkte Rückstand sind in drei Rennen kaum aufzuholen.

Felipe Massa

Felipe Massa musste nach starkem Beginn eine ganz bittere Niederlage einstecken Zoom

Möglicherweise war im vielleicht anstrengendsten Rennen des Jahres die Konzentration ein ausschlaggebender Faktor beim Räikkönen-Crash. Die Deutschen scheinen hingegen topfit zu sein: Timo Glock (Toyota) nutzte die Gunst der Stunde und wurde Vierter, Sebastian Vettel (Toro-Rosso-Ferrari) kam nach starker Leistung als Fünfter ins Ziel und Nick Heidfeld (BMW Sauber F1 Team) wurde Sechster. Coulthard und Kazuki Nakajima (Williams-Toyota) holten ebenfalls Punkte.

Noch fünf Fahrer mit WM-Chancen

Kovalainen konnte sich nach dem Safety-Car-Chaos nicht mehr groß in Szene setzen und musste mit Rang zehn Vorlieb nehmen, schrammte um 8,5 Sekunden an einem WM-Punkt vorbei - und ist damit seit heute auch theoretisch aus dem WM-Kampf raus. Insgesamt sahen 14 von 20 gestarteten Piloten die Zielflagge; 15 wurden gewertet, weil Räikkönen mit vier Runden Rückstand noch innerhalb der Toleranzgrenze lag.

Auf dem Podium spielten sich sehr schöne Szenen ab, schließlich war es für Alonso nicht nur der erste Sieg, sondern auch der erste Podestplatz seit fast einem Jahr. Der Spanier darf sich durchaus verdienter Sieger nennen, denn schon am Freitag und Samstag hatte er zwei Trainingsbestzeiten markiert. Nach dem Pech im Qualifying war er jedoch am Boden zerstört. Der riskante Poker mit dem kurzen ersten Stint war im Endeffekt der ausschlaggebende Faktor.

Lewis Hamilton und Nico Rosberg

Alte Freunde auf dem Podium vereint: Lewis Hamilton und Nico Rosberg Zoom

Nach 15 von 18 Saisonrennen haben nur noch fünf Fahrer rechnerische Titelchancen: Hamilton führt mit 84 Zählern vor Massa (77), Kubica (64), Räikkönen (57) und Heidfeld (56) - im Grunde spitzt es sich jetzt also endgültig auf einen Zweikampf zu. Bei den Konstrukteuren gab es heute einen Führungswechsel, denn McLaren-Mercedes (135) übernahm das Kommando vor Ferrari (134) und dem BMW Sauber F1 Team (120).


Fotos: Großer Preis von Singapur, Sonntag


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