• 26.07.2006 17:38

Technik-Fokus Hockenheim

Der Grand Prix von Deutschland steht fast schon traditionell für spannende Rennverläufe - das Renault F1 Team erklärt, was es zu beachten gilt

(Motorsport-Total.com) - Im Vergleich zum "klassischen", aber auch ziemlich eintönigen Highspeed-Layout von Hockenheim - das bis 2001 von den scheinbar endlosen Waldgeraden dominiert wurde - zeichnet sich die aktuelle Strecke durch abwechslungsreiche Rennen aus und erlaubt interessante Zweikämpfe. Nach wie vor sorgt die Lage inmitten eines dichten Nadelwaldes dafür, dass bei Regen viel Feuchtigkeit in der Luft hängen bleibt - auf der anderen Seite sind Hitzerennen typisch für Hockenheim. Das erschwert die Arbeit der Reifen. Besonders die Hinterräder werden wegen der vielen Beschleunigungsvorgänge im Anschluss an die langsamen Kurven hart gefordert.#w1#

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Das Finden des optimalen Setups ist in Hockenheim nicht einfach

Auf dem Papier verlangt die Grand-Prix-Strecke im Badischen nach einem mittleren Abtriebsniveau, um die optimale Rundenzeit zu erzielen. Der Grund sind die vielen mittelschnellen Kurven gegen Ende eines Umlaufs. Allerdings fahren wir nicht auf Papier, sondern auf Asphalt - und in der Renn-Realität spielen noch andere Faktoren eine Rolle. Wie alle Strecken des deutschen Architekten und Hobby-Rennfahrers Hermann Tilke besitzt Hockenheim lange Geraden, gefolgt von langsamen Kurven, die zu Überholaktionen einladen. Deswegen müssen die Piloten Grip im engen Motodrom opfern und eher auf eine gute Endgeschwindigkeit auf den Geraden setzen - um nicht überholt zu werden und selbst Gegner schnappen zu können. Die Renningenieure verwenden also ein mittleres bis niedriges Abtriebsniveau, ähnlich wie etwa in Bahrain.

Aufhängung

Die langen Geraden und langsamen Kurven von Hockenheim verlangen nach zwei widersprüchlichen Eigenschaften der Radaufhängung: steif, um bei hoher Geschwindigkeit die volle aerodynamische Abtriebsleistung zu nutzen, und weich, um optimalen Grip zu genießen. Grundsätzlich wird dieses Dilemma so gelöst, dass die Autos relativ weich abgestimmt werden, die Aufhängung aber bei höherem Tempo auf Gummiblöcken aufsitzt, um eine stabile Bodenfreiheit zu erreichen.

Das Auto erhält ein "nach vorn verlagertes Setup", also eine mechanische Abstimmung, bei der die Front steifer eingestellt ist als das Heck. Dies verbessert Grip und Traktion und optimiert zugleich das Bremsvermögen. Die Bremsstabilität ist auf diesem Kurs besonders vor Turn sechs ein entscheidender Faktor. Dort verzögern die Autos aus mehr als 300 km/h, so dass sich hier die wichtigste Überholmöglichkeit bietet. Dieser Streckenabschnitt spielt in den Setup-Überlegungen deshalb eine große Rolle.

Streckencharakteristik

Traditionell herrschen in Hockenheim mit die heißesten Temperaturen der Europa-Saison. Wegen der hohen Traktionsanforderungen werden besonders die Hinterreifen genauestens beobachtet, denn wenn sie Blasen werfen oder überhöhten Verschleiß zeigen, wirft das die Balance des Autos über den Haufen. Außerdem weist der Kurs die Besonderheit auf, dass er am Übergang von "neuer" zu "alter" Strecke erheblich schmaler wird, vor allem in Turn zwölf. Die Einfahrt ins 'Motodrom' ist eine der schnellsten Kurven des Kurses und verengt sich am Eingang. Das erhöht die Gefahr, dass die Fahrer die Ideallinie verlassen und ihr Auto bei einem Ausrutscher ins tiefe Kiesbett beschädigen, wenn sie es hier übertreiben.

Motorleistung

Hockenheim war immer ein "Motorenkurs", doch in diesem Jahr haben sich die Anforderungen an die Triebwerke im Vergleich zu den übrigen Kursen eher entschärft. Die etwas leistungsärmeren V8-Triebwerke Motoren laufen etwa zehn Prozent länger unter Volllast (jetzt rund 80 Prozent) als die bisherigen V10. Dies ist jedoch von allen Grand-Prix-Kursen die geringste Differenz zwischen 2005 und 2006. Das erklärt sich daraus, dass der Kurs wenige Highspeed-Kurven aufweist, die sonst den größten Unterschied ausmachen.

Denn wo mit dem V10 Halbgas möglich war, stehen die Fahrer mit dem V8 voll auf dem Gas. Nichtsdestotrotz sind die Drosselklappen des RS26 über rund drei Viertel der Runde voll geöffnet. Damit bleibt Hockenheim ein anstrengender Kurs für die Triebwerke - auch, weil neben der Spitzenleistung ein guter Durchzug aus niedrigen Drehzahlen gefragt ist. Ein gutes Drehmoment ist entscheidend für die Beschleunigung aus den vielen langsamen Kurven heraus.

Verschiebung der Leistungskurve

Wie bei heißen Temperaturen üblich, dürfte auch in Hockenheim das Phänomen des "acoustic offset" auftreten. Aufgrund des geringeren Sauerstoffgehalts der Luft erreicht der Motor seine Spitzenleistung erst bei höheren Drehzahlen als üblich. Damit verschiebt sich die gesamte Leistungskurve nach oben. Unter diesen Umständen stellt es einen großen Vorteil dar, wenn der Motor höhere Drehzahlen zulässt, damit die nominelle Leistung auch tatsächlich ausgeschöpft wird. Die auch in dieser Hinsicht optimierte C-Spezifikation des RS26 wird den Renault-Piloten bei heißer Witterung also einen Extra-Schub verleihen.