Technik Aston Martin: DRS verbessert, lange Kurven als Schwachstelle

Obwohl Aston Martin 2024 von mehr DRS-Effekt profitiert, ist das Team im Vergleich zu 2023 im ersten Saisonabschnitt nach Punkten zurückgefallen

(Motorsport-Total.com) - Das Aston-Martin-Team hat im Qualifying zum Grand Prix von Australien 2024 beide Autos in die Top 10 gebracht, allerdings nur auf den Positionen 9 und 10. Sowohl Lance Stroll als auch Fernando Alonso unterliefen Fehler, weswegen unter optimalen Bedingungen wahrscheinlich auch die vierte Startreihe möglich gewesen wäre.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Aston Martin hat bei geöffnetem DRS im Vergleich zu 2023 große Fortschritte gemacht Zoom

Das ist im Vergleich zu Melbourne 2023, als Alonso am Samstag im Albert Park Vierter war und Stroll Sechster, sogar ein Rückschritt. Und obwohl der AMR24 zumindest am Saisonbeginn im Vergleich zur direkten Konkurrenz zurückgefallen ist und man derzeit wohl Nummer 5 der Hackordnung ist, scheint das Team eine wesentliche Schwäche ausgemerzt zu haben.

Das zeigt der Blick auf den Geschwindigkeitsunterschied bei aktiviertem DRS. Beim Saisonauftakt in Bahrain lag das Delta zwischen aktiviertem und deaktiviertem DRS bei mehr als 20 km/h, zuletzt in Saudi-Arabien immerhin noch bei 19 km/h. Deutlich mehr als vor einem Jahr, als sich der Unterschied zwischen aufgeklapptem und geschlossenem Flügel bei 12 bis 15 km/h bewegte.

Fernando Alonso führt das auf eine veränderte Aerodynamik zurück: "Der DRS-Effekt war vergangenes Jahr ziemlich gering. Die Basis des Autos war gut, besonders im Renntrimm. Aber im Qualifying wurden wir bestraft, weil unser DRS so schlecht war. Wir haben jetzt auch kein mega DRS, aber es ist zumindest nicht mehr so schlecht wie vergangenes Jahr."

Was sich im Vergleich zu 2023 verändert hat

2023 war Aston Martin im Renntrimm die große Sensation des Saisonbeginns, mit sechs Podestplätzen in den ersten acht Rennen. In den Qualifyings tat sich Alonso jedoch schwerer. Kein Wunder: Im Qualifying darf das DRS in jeder Runde aktiviert werden. Da war der DRS-Nachteil maximal.

In den Rennen hingegen kommt DRS nur zum Einsatz, wenn man direkt hinter einem Gegner fährt. Das wirkte sich weniger dramatisch aus. Engineering-Direktor Luca Furbatto hält fest: "Wenn wir uns die Daten genauer anschauen, sehen wir ganz eindeutig, dass unser DRS besser geworden ist." Und zwar "um ein paar km/h" im Vergleich zu 2023.

Wo steht Aston Martin derzeit wirklich?

Aston Martin hat nach den ersten zwei Saisonrennen in der Konstrukteurs-WM 13 Punkte auf dem Konto. 2023 waren es zum gleichen Zeitpunkt 38. Ein Rückschritt. Dennoch herrscht im Team keine Panik. Der relative Abstand zur Spitze ist seit Saisonende 2023 nicht viel größer geworden. Doch Teams wie Ferrari, McLaren und Mercedes haben größere Fortschritte gemacht.

Ungeachtet dessen glaubt Performance-Direktor Tom McCullough, dass selbst Red Bull nicht uneinholbar ist: "Sie sind im Rennen besonders stark. Da sind sie die Referenz. Und das ist nicht nur ein Faktor, sondern wir reden da von gesamthafter Optimierung. Wie sie ihr Auto entwickeln, die Bodenhöhe, die sie fahren können, die Steifheit, das Management der Reifen. All das spielt da rein."

Aber: "Jeder kann eingeholt werden. Die Entwicklung, die McLaren vergangenes Jahr während der Saison gezeigt hat, war beeindruckend", sagt McCullough und betont: "Red Bull hat nicht so viel Entwicklungszeit im Windkanal." Nämlich 224 Windkanaltests für das erste Halbjahr im Vergleich zu 288 bei Aston Martin.

Handicapregel: Aston Martin hat wieder mehr Ressourcen

Das liegt an der Handicapregel, die in der Formel 1 2021 eingeführt wurde, und die funktioniert so: Windkanaltests werden auf Basis der Konstrukteurs-WM des Vorjahres zugeordnet. Der WM-Siebte bekommt 100 Prozent, also 320 Tests. Red Bull als Weltmeister bekommt 70 Prozent, also 224 Tests. Und Aston Martin als WM-Fünfter 288 Tests.

Dieser Schlüssel auf Basis des WM-Ergebnisses 2023 gilt bis Ende Juni. Für das zweite Halbjahr wird die Tabelle dann neu berechnet, auf Basis des Zwischenstands in der Konstrukteurs-WM nach dem Grand Prix von Österreich am 30. Juni. Aston Martin hatte im zweiten Halbjahr 2023 als WM-Dritter 256 Versuche. Im aktuellen Halbjahr sind es wieder 288.

Also Nachteil Red Bull? "Die sind eine gut geölte Firma", winkt McCullough ab, "und ihre Führungskräfte sind seit Jahren in den gleichen Positionen. Wir sind da noch in der Aufbauphase, lernen, wie wir am besten zusammenarbeiten, haben eine neue Fabrik. Ein neuer Windkanal kommt bald, ein neuer Simulator. Das geht nicht von heute auf morgen."

Daher gibt es bei Aston Martin aktuell zwei Entwicklungsebenen. Erstens die Maximierung der Ressourcen wie etwa der neuen Fabrik, die im Sommer 2023 bezogen wurde. Ein sehr langfristiger Prozess. Und zweitens die Maximierung des AMR24 mit den Mitteln, die das Auto eben hergibt. Da gibt's auch kurzfristige Lösungen.

Alonso: AMR24 ist kein "Reifenflüsterer" mehr

Ein Problem: "Die Art und Weise, wie wir die Reifen behandeln", räumt Fernando Alonso ein. "So, wie unsere Radaufhängung designt ist, scheinen wir die Temperatur auf eine schnelle Runde sehr leicht in die Reifen zu bekommen. Dafür sind wir an den Rennsonntagen nicht mehr so reifenschonend. Das müssen wir so schnell wie möglich in den Griff bekommen."

Ein anderes Thema: "Es ist für uns eine Herausforderung, die Balance in schnellen Kurven, die sich lang ziehen, hinzubekommen", erklärt Tom McCullough. "In den kürzeren Kurven kriegen wir das ganz gut hin. Aber in den Onboards sehen wir, dass unsere Fahrer in den langgezogenen Kurven ganz schön kämpfen müssen."


Übrigens eine Parallele zu McLaren, wo Teamchef Andrea Stella erst kürzlich eine ähnliche Analyse gemacht hat, und möglicherweise ein Grund, warum der Aston Martin kein "Reifenflüsterer" mehr ist. Wenn das Auto ausgerechnet da unruhig liegt, wo die Last auf die Reifen am höchsten ist, kann das für das thermische Management der Reifen nicht ideal sein.

Nach Melbourne steht mit Suzuka der erste echte Aerodynamik-Härtetest der Formel-1-Saison 2024 auf dem Programm. Luca Furbatto freut sich drauf: "Die Eigenschaften von Suzuka sind ganz anders als hier. Melbourne ist ein bisschen wie Dschidda. Aber ich glaube, dass wir in Suzuka konkurrenzfähiger sein werden", sagt der Aston-Martin-Ingenieur.

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