Teams: Einstellung zu Pay-TV ändert sich

Der Umstieg auf Pay-TV kostet der Formel 1 kurzfristig Zuschauer, das Zukunftsmodell mit Tablet-Apps, Facebook und Co. macht den Teamchefs aber Mut

(Motorsport-Total.com) - Als die BBC ihr Sportbudget drastisch reduzierte, sodass ab 2012 nur noch die Hälfte aller Formel-1-Rennen im britischen Free-TV ausgestrahlt wurden, sprang der Pay-TV-Sender Sky als neuer Broadcaster der gesamten Saison ein. Doch weil Sky (genau wie in Deutschland) Geld kostet, ging diese Maßnahme mit einem Einbruch der Zuschauerzahlen einher.

Titel-Bild zur News: Sky TV

Sky hat mit dem britischen Pay-TV-Deal eine große Diskussion ausgelöst Zoom

In Summe soll die Königsklasse des Motorsports auf der Insel 19 Prozent ihrer Live-Zuschauer verloren haben. In Frankreich wird durch den Wechsel zu Canal+ ein noch drastischerer Einbruch erwartet. Doch während es 2011 noch einen Aufschrei gab, als sich die Änderung des TV-Deals in Großbritannien abzeichnete, scheinen die Teams Pay-TV-Modelle inzwischen positiver zu bewerten, selbst wenn sie damit potenziell Publikum verlieren.

"Wir müssen akzeptieren, dass sich die Welt verändert, dass sich die Medien verändern", sagt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. "Durch Pay per View ist das klassische Publikum sicher kleiner geworden. Das muss eine Sorge sein." Denn je weniger Zuschauer eine Live-Übertragung am Sonntagnachmittag erreicht, desto weniger interessant wird es für Sponsoren, viel Geld an die Teams zu überweisen, um ihre Logos auf den Autos abbilden zu dürfen.

Mehr TV-Geld hilft auch den Teams

Umgekehrt kann Bernie Ecclestone als Geschäftsführer durch Pay-TV-Deals mehr Geld lukrieren als bei konventionellen Sendern, und der große Einnahmentopf der Formel 1 wird immerhin zu rund 50 Prozent unter den Teams aufgeteilt. Sprich: Je mehr zum Beispiel Rennstrecken, Seriensponsoren oder eben auch TV-Stationen an Ecclestone überweisen, desto mehr verdienen auch die Teams - und das soll die Verluste durch das schrumpfende Publikum ausgleichen.

"Wir müssen hart an den anderen Plattformen arbeiten, weil immer weniger Leute auf traditionelle Weise fernsehen", erklärt Whitmarsh. "Sie nutzen ihre mobilen Geräte, Laptops, Tablets und so weiter. Wir müssen uns das Gesamtpaket anschauen, wie die Menschen Entertainment konsumieren. Die Vorstellung, dass sich die Leute um 13:00 oder 14:00 Uhr an einem Sonntagnachmittag zum Fernseher setzen, wird bald veraltet sein."

F1-Timing-App von Soft Pauer

Ergänzung zum TV-Signal: Die offizielle Live-Timing-App der Formel 1 Zoom

Das Ziel müsse sein, Plattformen wie Apps für Tablets und Smartphones (etwa die offizielle Timing-App), Internetseiten, YouTube, Facebook und Twitter zu forcieren, sodass das Publikum wächst, obwohl die Zuschauerzahlen im klassischen Fernsehen zurückgehen. "Ich mache mir keine Sorgen, denn in den Vereinigten Staaten funktioniert das schon ganz gut", meint etwa Mercedes-Sportchef Toto Wolff zum Pay-TV-Modell. "Am Anfang wird es wehtun, aber das ist der richtige Weg."

Europa schrumpft, Nordamerika wächst

"Stimmt schon, dass es im Fernsehen andere Einschaltziffern geben wird, aber das kumulierte Publikum könnte sogar wachsen", sieht auch Lotus-Teamchef Eric Boullier die aktuelle Entwicklung positiv. "Einige urbane Märkte stellen auf Pay-TV um, aber wir müssen immer auf das globale Publikum schauen. Amerika kommt neu dazu und wird frei empfangbar sein. Das sollte den Einbruch in Europa eigentlich kompensieren."

Doch gerade für Serienpartner wie Pirelli bleibt das Free-TV eine wichtige Stütze der Kosten/Nutzen-Rechnung: "Wenn wir unsere Kalkulationen anstellen, dann sind die Zuschauerzahlen wichtig", erklärt Paul Hembery, der Sportchef des Reifenherstellers. "Wir können uns nicht mehr auf nationale Broadcaster verlassen. Pay-TV ist vielleicht die Zukunft, aber vielleicht noch nicht heute. Kurzfristig kostet uns das Zuschauer, aber langfristig müssen wir da hin."


Das Business der Formel 1

"Es ist derzeit ein schmaler Grat. Man muss einerseits ein bisschen besorgt sein, aber andererseits muss man genau verfolgen, was sich generell in der TV-Branche abspielt. Es geht ja nicht nur um die Formel 1, sondern um das Geschäftsmodell Fernsehen als Ganzes", philosophiert der Brite. Whitmarsh fügt an: "Natürlich hoffen wir, durch Pay per View mehr Geld zu generieren. Wir müssen aber unweigerlich auch ein Massensport bleiben."

Fußball funktioniert auch im Pay-TV

Grundsätzlich gilt es zu unterscheiden zwischen Pay per View, wo man für jeden Grand Prix einzeln bezahlen muss, und Pay-TV, wo ein Abo für einen bestimmten Zeitraum Geld kostet. In Europa ist es vor allem dem Fußball gelungen (etwa in Großbritannien oder Deutschland), solche Geschäftsmodelle lukrativ auszuschöpfen. "Der Fußball", sagt Boullier, "hat damit eine Menge Geld verdient. Bei der Formel 1 als globale Sportart ist es aber etwas komplexer."

"Es ist heutzutage viel schwieriger, große Sponsoren zu finden, und wenn Sponsoren den Sport verlassen, ist das für niemanden gut. Wir sollten uns aber auch nicht schlecht reden", so Wolff, dessen Team mit BlackBerry gerade erst einen großen Partner an Land gezogen hat, damit aber eher die Ausnahme im Paddock ist. "Wir befinden uns in einem schrecklichen Marktumfeld. Große Firmen steigen aus. In ein paar Jahren werden wir sagen, dass das eine harte Zeit war."

McLaren Tooned

McLarens unterhaltsame Animation "Tooned" ist im Internet der Renner Zoom

"Andererseits steigen die Einnahmen durch Fernsehen und Bernies Marketing", fährt der Österreicher fort. "Vielleicht verändert sich auch das Modell, sodass wir uns regionaler orientieren müssen. Teams haben schon öfter Deals mit regionalen Sponsoren nur für einen Grand Prix abgeschlossen, und es gibt neue Kanäle wie das Internet. Ja, das Modell verändert sich gerade, aber vielleicht verändert es sich langfristig gesehen zum Guten."

Was bringt ein Logo in einem Computerspiel?

Denn während sich die Reichweite von TV, Internet und Zeitungen relativ einfach messen lässt, steckt die Messung von alternativen Verbreitungsmethoden noch in den Kinderschuhen. So weiß zum Beispiel noch kaum jemand, wie hoch der Werbewert der neuen Animationsfilmchen von McLaren und Ferrari ist, die über Internet verbreitet werden, und wenn ein Jugendlicher auf seiner PlayStation spielt, konsumiert er genauso die Sponsorenlogos wie beim Schauen eines Live-Grand-Prix.

"Es gibt verschiedene Kanäle, die wir noch gar nicht richtig evaluieren", betont Hembery und sieht darin eine große Chance für die Zukunft. "Nehmen wir zum Beispiel Videospiele: Mir hat noch niemand vorgerechnet, was es bringt, wenn eine Marke in einem Spiel abgebildet wird. Ich bin mir sicher, es wird schon bald so weit sein, aber das sind eben diese Bereiche, die uns mehr Wertschöpfung bringen als das klassische Fernsehen."

"Mir hat noch niemand vorgerechnet, was es bringt, wenn eine Marke in einem Spiel abgebildet wird." Paul Hembery

"Martin hat schon Recht, wenn er sagt, dass die meisten jungen Menschen unter 20 heutzutage kaum noch fernsehen", erläutert der Pirelli-Sportchef und spricht das Web 2.0 als immer häufiger genutztes Medium an. "Die Welt verändert sich. Die Formel 1 hat die große Chance, an der Spitze dieser Technologie zu stehen, insbesondere weil sie so ein technologischer Sport ist. Wir müssen das Thema also von zwei Seiten betrachten."