• 26.09.2006 14:20

Symonds: "Zweite Plätze helfen nicht weiter"

Renault-Chefingenieur Pat Symonds im Interview über die Chancen seines Teams in den drei noch ausstehenden Rennen dieser Saison

(Motorsport-Total.com) - Pat Symonds, Chefingenieur des Renault-Teams, hat sowohl mit Fernando Alonso wie auch mit Michael Schumacher WM-Titel gewonnen. Im Interview vor dem Grand Prix von China in Shanghai spricht er über seine Erwartungen für das spannende Saisonfinale 2006.

Titel-Bild zur News: Pat Symonds

Pat Symonds will die beiden WM-Titel noch keineswegs zu den Akten legen

Frage: "Pat, vor dem Grand Prix von China stellen sich alle die Frage, ob Shanghai eher eine Renault- oder eine Ferrari-Strecke ist. Was glaubst du?"
Pat Symonds: "Wie immer muss die Performance relativ betrachtet werden. Der Kurs in Shanghai liegt Renault ganz gut. Im Vorjahr haben wir den Grand Prix von China dominiert und uns damit den Konstrukteurstitel gesichert. Noch wichtiger ist allerdings, dass Michael Schumacher 2004 und 2005 in China keine guten Ergebnisse erzielt hat. Dieser Trend könnte sich am kommenden Wochenende fortsetzen."#w1#

Intern herrscht eine kämpferische Stimmung

"Der vergangene Monat war für das Renault-Team sehr hart." Pat Symonds

Frage: "Renault liegt erstmals in dieser Saison in der Gesamtwertung hinter Ferrari auf Platz zwei. Ist die Entscheidung im Titelkampf bereits gefallen?"
Symonds: "Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Der vergangene Monat war für das Renault-Team sehr hart. Wir haben in Ungarn den Sieg verschenkt und in Monza entwickelten sich die Dinge gegen uns. Wäre Fernando Alonso von seiner ursprünglichen Startposition ins Rennen gegangen, hätten wir um den Sieg gekämpft. Das ist Tatsache. Manche Beobachter scheinen zu glauben, dass Renault sein Pulver bereits verschossen hat, aber das ist absolut nicht der Fall."

Frage: "Dennoch schlägt das Pendel derzeit Richtung Ferrari aus..."
Symonds: "Das ist in mancher Hinsicht sicher richtig. Wir haben in der vergangenen Saison gelernt, wie wichtig der Schwung und der psychologische Vorteil sein können, als wir zu Beginn des Jahres mit vier Siegen gestartet sind. Gleichzeitig erinnere ich mich aber auch an die Reaktion des Teams, als wir in Brasilien 2005 die Führung in der Weltmeisterschaft verloren haben. Dadurch verdoppelte sich unsere Motivation und wir schlugen eindrucksvoll zurück. Das war für mich das befriedigendste Ereignis des vergangenen Jahres. Die momentane Stimmung bei Renault lässt sich am besten mit 'Okay, wir machen es einfach noch einmal' beschreiben. Eine der herausragendsten Eigenschaften des Teams ist die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Wir wissen, wo wir in puncto Performance stehen, und wir sind sehr optimistisch."

Frage: "Das Team erlebte in Monza ein turbulentes Wochenende. Wie wirkt sich das auf den bevorstehenden China-Grand-Prix aus?"
Symonds: "Das Kapitel ist geschlossen. Es bringt nichts, zu versuchen, die Geschehnisse weiter zu diskutieren. Fakt ist, dass Fernando einen Motorschaden hatte, der uns Punkte kostete. Hätte er in Führung gelegen oder an letzter Stelle, wäre der Schaden trotzdem zum gleichen Zeitpunkt aufgetreten. Wir haben uns darauf konzentriert, die Ursache zu analysieren und unsere Arbeit zu erledigen. Die Ereignisse des Wochenendes waren mit Sicherheit unglücklich, änderten im Endeffekt aber nichts an dem endgültigen Resultat. Wir müssen also einen Schlussstrich ziehen und weitermachen."

Motorschaden von Monza ist geklärt

"Die Triebwerke, mit denen wir in China fahren werden, stellen einen Leistungssprung gegen über den Monza-Motoren dar." Pat Symonds

Frage: "Es war der erste Motorschaden für Renault in dieser Saison. Was habt ihr unternommen, damit es auch der letzte bleibt?"
Symonds: "Wir haben die Schwachstelle, die zu dem Schaden führte, identifiziert und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Die Triebwerke, mit denen wir in China fahren werden, stellen einen Leistungssprung gegen über den Monza-Motoren dar - sowohl in puncto Power wie auch in der Fahrbarkeit."

Frage: "Es wurde oft davon gesprochen, dass die WM 2006 auf eine Reifenmeisterschaft hinausläuft. Michelin schien in Monza große Fortschritte gemacht zu haben. Spiegelte sich das auch in den Testfahrten der vergangenen Wochen wieder?"
Symonds: "Ja, Michelin ist weiter auf einem guten Weg. Wir sind mit unseren Vorbereitungen auf die letzten drei Rennen der Saison sehr zufrieden. Wir haben bei den Mischungen und Konstruktionen gute Fortschritte erzielt und in Jerez und Silverstone viele Verbesserungen gespürt. Michelin arbeitet wirklich sehr hart."

Renault will sich keine Fehler mehr leisten

"Es herrscht großer Druck, daran besteht kein Zweifel." Pat Symonds

Frage: "Wie sehr steht das Team angesichts der spannenden Situation in beiden WM-Wertungen unter Druck?"
Symonds: "Es herrscht großer Druck, daran besteht kein Zweifel. Wir dürfen uns in den noch ausstehenden drei Grands Prix keine Fehler erlauben. Dadurch erleichtert sich unsere Arbeit aber auch. Die einzige Möglichkeit besteht darin, eine aggressive Strategie zu verfolgen. Zum jetzigen Zeitpunkt der Saison helfen zweite Plätze nicht weiter. Das gilt für uns genauso wie für Ferrari."

Frage: "Du hast mit den beiden Hauptakteuren der WM zusammengearbeitet. Wo siehst du Unterschiede zwischen Fernando Alonso und Michael Schumacher?"
Symonds: "Sie sind beide herausragende Fahrer und großartige Sportler. Ich glaube aber wirklich, dass Fernando besser mit Druck umgehen kann als Michael. Im Laufe seiner Karriere gab es immer wieder Phasen, in denen Michael unter Druck nicht sein ganzes Potenzial abrufen konnte. Und ich denke, dass der Druck für ihn noch nie größer war als in den bevorstehenden drei Grands Prix. Bislang konnte er immer darauf verweisen, dass es noch ein nächstes Jahr gäbe, wenn er es nicht schaffen sollte. Jetzt gibt es für ihn kein nächstes Jahr mehr..."

Frage: "In beiden WM-Wertungen geht es kurz vor Ende der Saison sehr eng zu. Für die Fans ist diese Ausgangslage geradezu optimal, aber wie wirkt sich die Situation auf die Stimmung im Team aus?"
Symonds: "Ich würde es mit entschlossen, optimistisch und aufgeregt beschreiben. Wir haben ein klares Ziel vor Augen, auf das wir hinarbeiten. Gleichzeitig wollen wir das Saisonfinale aber auch genießen und alles geben. Es war bislang eine großartige Formel-1-Saison, in der alles auf einen großen Showdown hinausläuft. Es ist toll, ein Teil davon sein zu dürfen."