Sutil: "Kimi hat mir keine Chance gegeben"
Adrian Sutil im ausführlichen Interview über das beste Ergebnis seiner Formel-1-Karriere und vor allem den Zweikampf mit Kimi Räikkönen
(Motorsport-Total.com) - 53 Runden lang folgte Adrian Sutil dem Ferrari von Kimi Räikkönen wie ein Schatten, doch die einzige Chance beim zweiten Boxenstopp vergab er mit einem Fahrfehler. Trotzdem bedeutet der vierte Platz in Monza für den Force-India-Piloten das beste Ergebnis seiner Formel-1-Karriere. Dementsprechend zufrieden wirkte er im Anschluss an das Rennen.

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Adrian Sutil freut sich über seinen vierten Platz beim Italien-Grand-Prix
Frage: "Adrian, ärgert es dich, dass du das Podium verpasst hast, oder freust du dich über Platz vier?"
Sutil: "Ich bin sehr glücklich. Wir haben uns bei der Strategie ein bisschen vertan, denn wir hatten ausgerechnet, dass zwei Stopps ein bisschen besser sind. Am Ende stellte sich die Einstoppstrategie als eindeutig besser heraus. Das ist enttäuschend, aber so haben wir uns im Qualifying nun mal entschieden. Man muss halt etwas probieren, aber hier war nach ein paar Runden schon klar, dass ein Stopp besser ist. Herr Brawn hat wieder mal die richtige Entscheidung getroffen! Ich habe aber schon im zweiten Qualifying gesehen, dass die verflixt schnell sind."#w1#
Respekt vor Räikkönens Leistung
"Am Start habe ich meine Position gut verteidigt, aber gegen Kimi und den McLaren mit dem KERS-Button hatte ich einfach keine Chance. Dann war ich eigentlich das ganze Rennen hinter Kimi. Er ist ein toller Fahrer, es war ein netter Fight. Aber ich will mich nicht aufregen, denn der vierte Platz ist ein tolles Ergebnis."
Frage: "Adrian, Vierter in Monza, knapp hinter Kimi Räikkönen im Ferrari. Dabei warst du auf den Geraden sogar ein bisschen schneller, oder?"
Adrian Sutil: "Ganz leicht. Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich noch schneller bin, aber mit KERS konnte er das ganz gut wegmachen, sodass er dann auch einen guten Topspeed hatte."
Frage: "Er hat dir mit KERS aus den Kurven raus immer ein bisschen was abgenommen, nicht wahr?"
Sutil: "Ganz genau. Am Ende bin ich wieder drangekommen, aber letztendlich hatte ich das Gefühl, dass es nicht reicht."
Frage: "Wie viel schneller wäre es bei freier Fahrt gegangen?"
Sutil: "Deutlich schneller! Das kostet etwa eine halbe Sekunde pro Runde. Außerdem hat es meine Strategie ruiniert, denn ich steckte hinter Kimi fest und verlor eine Menge Zeit. Das zog sich das ganze Rennen durch, aber so ist es nun mal im Moment. Die KERS-Autos haben am Start einen Vorteil."
Frage: "Du warst mit 344 km/h der Schnellste auf der Gerade und du bist die schnellste Runde im Rennen gefahren. Glückwunsch!"
Sutil: "Schnellste Runde ist sehr gut, 344 macht auch Spaß, aber es ist anscheinend immer noch nicht schnell genug."
Wiedersehen mit Räikkönen
Frage: "Du bist schon zweimal mit Kimi kollidiert. Hast du während des Rennens mal dran gedacht, dass das passieren könnte, wenn du angreifst?"
Sutil: "Ich habe daran gedacht. Auch am Start war es sehr eng. Er ist einfach ein harter Fighter, aber es macht sehr viel Spaß, gegen so einen Fahrer zu fahren. Er ist ein perfektes Rennen gefahren und er hat mir einfach keine Chancen gegeben, ihn zu überholen. Aber ich habe ihn wirklich gepusht, ich habe extrem gefightet - und jedes Mal, wenn eine Position da gewesen wäre, hätte ich sie genutzt, um einen Angriff zu machen."
Frage: "Mit ein bisschen Glück und einem besseren zweiten Boxenstopp wäre der dritte Platz doch drin gewesen. Kimi Räikkönen hatte Probleme, du aber auch. Was ist da passiert?"
Sutil: "Ich habe gewusst, dass das meine Chance ist, ihn zu überholen, also habe ich extrem gepusht. Ich war ein bisschen spät auf der Bremse. Der Spiegel war dann futsch, aber unglaublich, dass sich die Mechaniker so schnell umjustiert haben und mir alles gewechselt haben. Ich hatte nicht wirklich das Gefühl, dass ich dort viel Zeit verloren habe. Letztendlich hat es leider nicht gereicht, um Kimi zu überholen. Er hat ein perfektes Rennen gemacht."
Frage: "Im Training fährt ihr in der Boxengasse nur 60, im Rennen 100 km/h. Hat das den Unterschied ausgemacht, dass du den Bremspunkt ein bisschen verpasst hast?"
Sutil: "Ja, das ist schon total schwierig, muss man sagen - auch die Boxeneinfahrt ist schwierig einzuschätzen. Man hat fast gar keine Chance, das im Freien Training zu üben. Das ist vielleicht mal eine Sache, wo man überlegen sollte, das im Reglement umzustellen für Freitag. Vielleicht kann man am Samstagmorgen ein bisschen trainieren, sonst ist es natürlich ein großer Fehlerfaktor."
Frage: "Der Mechaniker hat dir ja den Spiegel abgeschlagen. Ging das Auto auf der Gerade dann schneller?"
Sutil: "Ich weiß gar nicht (grinst; Anm. d. Red.). Es war anscheinend noch nicht genug, um ihm zu überholen! Ich habe das auch wirklich erst am Ende gesehen, dass der Spiegel ab war..."
Kein Problem ohne Rückspiegel
Frage: "Das heißt, du schaust nie in den Spiegel?"
Sutil: "Jetzt habe ich echt nicht in den Spiegel geschaut. Ich wusste, dass von hinten kein Druck ist, und ich war so konzentriert auf das rote Auto vor mir - alles nach vorne!"
Frage: "War der heutige Tag wichtig für dein Selbstvertrauen?"
Sutil: "Absolut, ja. Es war ein toller Tag. Ich bin ein bisschen frustriert über KERS, denn die drücken einfach den Knopf und das hat uns in den letzten Rennen immer Positionen gekostet. Das ist im Moment die Situation. Am Start ist das unfair, aber dafür haben sie in den schnellen Kurven einen Nachteil. Selbst wenn du das beste Auto hast und es auf Pole stellst, muss dich nur einer mit KERS überholen und deine ganze Strategie ist beim Teufel. Es ist nett, wieder vorne zu sein. In den Nachwuchsklassen war ich das gewöhnt, aber jetzt geht es endlich auch in der Formel 1."
Frage: "Dein neuer Teamkollege Vitantonio Liuzzi ist heute ausgeschieden..."
Sutil: "Schade für ihn, denn er hat eine sehr, sehr starke Leistung gezeigt dieses Wochenende. Es war nicht einfach, nach langer Zeit zurück im Auto zu sein und dann wirklich ins dritte Qualifying zu kommen. Sein Rennen war bis zum Ausfall auch super. Herzliche Glückwünsche von mir!"
Frage: "Was sagst du zum Abflug von Lewis Hamilton in der letzten Runde?"
Sutil: "Das war ein ganz normaler Unfall - eigentlich nicht notwendig. Das ist eine typische Stelle, denn außen gibt es keinen Curb mehr, sondern dieses grüne AstroTurf. Da wird es rutschig und da muss man in der Kurve extrem aufpassen. Sobald man ein bisschen Untersteuern kriegt, fährt man zu weit raus. Noch dazu war ein Auto vor ihm, durch das er wahrscheinlich ein bisschen Downforce verloren hat."
Zuversicht für die nächsten Rennen
Frage: "Es gab jetzt drei Rennen, in denen die Höchstgeschwindigkeit sehr wichtig war. Glaubst du, es geht jetzt so weiter, oder kommt jetzt der Schritt zurück in die Normalität?"
Sutil: "Ich glaube schon, dass es so weitergeht, denn wir haben ein sehr effizientes Auto. Natürlich, diese Highspeedstrecken sind sehr gut für uns, aber ich glaube, wir sollten auch in Singapur sehr gut ausschauen. Wir kriegen ein großes Update und das hat uns in der Vergangenheit extrem geholfen. Es gibt also keinen Grund, warum wir beim nächsten Rennen nicht auch ähnlich stark sein sollten."
Frage: "Was traust du euch in Singapur zu?"
Sutil: "Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, ob wir auch in Singapur eine Siegchance haben werden, aber Japan wird uns sicher gut liegen und São Paulo auch. Dort gibt es eine lange Gerade. Abu Dhabi ist für alle eine neue Strecke, das ist für alle gleich. Auch dort gibt es viele Geraden. Wir haben ein effizientes Auto und wir bekommen ein großes Update für das nächste Auto. Ich bin wirklich optimistisch."
Frage: "Wie sehr freust du dich schon auf Suzuka?"
Sutil: "Ich liebe Asien generell. Japan ist mein Lieblingsland. Ich freue mich schon darauf, habe schöne Erinnerungen. Suzuka ist eine meiner Lieblingsstrecken. Ich freue mich generell auf die nächsten zwei Strecken, auch auf Singapur. Die Motivation ist hoch."
Frage: "Diese Ergebnisse stimmen dich sicher auch für nächstes Jahr optimistisch, oder?"
Sutil: "Ja, definitiv. Im Moment habe ich nur eine Option bei diesem Team, aber die zu haben, ist gerade wirklich gut! Wenn der Erfolg kommt, schweißt uns das noch mehr zusammen. Ich mag dieses Team und ich fühle mich wirklich wohl. Es tut gut, die Leute lächeln zu sehen. Ich muss mir wirklich zweimal überlegen, ob ich hier weg will!"

