• 05.08.2007 20:00

  • von Inga Stracke

Surer: "Wir haben nicht die ganze Wahrheit gehört"

Der 'Motorsport-Total.com'-Experte analysiert im ausführlichen Interview die zahlreichen Vorkommnisse am Wochenende auf dem Hungaroring

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Es war ein aufregendes und ein spannendes Wochenende, vor allem in Bezug auf die Entscheidungen der Rennleitung. Was hältst du von ihrer Entscheidung?"
Marc Surer: "Für mich war es eine richtige Entscheidung. Das Reglement sagt ganz klar, wer jemanden in der Qualifikation aufhält oder behindert, der wird bestraft."

Titel-Bild zur News: Marc Surer

Marc Surer glaubt, dass die Fans nicht die ganze Wahrheit kennen

"Das hat auch Fisichella gemacht, der allerdings mit Yamamoto jemanden behindert hat, der sowieso Letzter geworden wäre, auch ohne Behinderung. Fernando hat den Teamkollegen behindert, das ist zwar Team-intern, aber er hat trotzdem jemanden behindert. Das ist nicht im Sinne des Sports."#w1#

Frage: "Alonso hat gesagt, dass der Lewis aber im Vorfeld etwas anderes machen musste, ansonsten wäre es zu dieser Situation gar nicht gekommen. Hätte man nicht auch den Lewis bestrafen müssen oder geschieht das Team-intern?"
Surer: "Lewis hat ihn ja nicht direkt behindert, er hat ja nicht dafür gesorgt, dass Alonso nicht noch eine weitere Zeit fahren kann. Er hatte sich nicht ganz an die Abmachung des Teams gehalten, hatte dafür aber auch eine ganz gute Erklärung, weil der Kimi Räikkönen noch dazwischen war. Das kann man gelten lassen. Hier lag jedoch eine direkte Behinderung vor, da der eine nicht wegfuhr und der andere seinen Boxenstopp nicht absolvieren konnte. Das ist ein ganz klares Foul."

Frage: "Warum wurde das Team bestraft, kann es denn nicht sein, dass der Alonso selbst entschieden hat, dass er noch etwas wartet? Warum muss man hier dem Team die Punkte abziehen?"
Surer: "Ich glaube, dass genau dies passiert ist. Alonso hat diese selbstständig gemacht. Er fuhr nämlich nicht los, obwohl sie ihm das Zeichen gegeben haben, und das Team hat ihn gedeckt."

"Ich denke, dass die Kommissare das geschnallt haben. Sie haben den Funkverkehr gehört und wussten, dass es nicht normal ist, dass jemand zehn Sekunden steht und nicht losfährt. Sie haben gedacht, dass das Team nicht die Wahrheit sagt und sie auch bestraft, weil sie wahrscheinlich nicht ganz offen waren."

Frage: "Wenn man so etwas als Team macht, dann könnte man dies doch viel schlauer machen, oder?"
Surer: "Dann könnte man es anders kaschieren. Dann könnte auch der Alonso den Motor abstellen oder irgendwie so etwas. Man könnte es anders machen. Ich glaube, wir haben diesbezüglich nicht die ganze Wahrheit gehört."

Frage: "Oder man hätte einfach noch einmal eine Reifendecke dazwischen legen können, wie es ja zuvor beim Alonso passiert war..."
Surer: "Das war ein Zufall, aber da hatte er ja niemanden behindert."

Frage: "Aber nichtsdestotrotz, der Krieg zwischen Ferrari und McLaren ist nicht gut für den Sport, oder?"
Surer: "Also bis jetzt war es immer so gewesen, dass Skandale der Formel 1 nicht geschadet haben. Sie bringen sie ins Gerede, man hat jetzt drei Wochen etwas, über das man schreiben kann. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein Skandal mal etwas Negatives in der Formel 1 bewirkt hat."

Frage: "Alonso hat vorhin gesagt, dass er gedacht hatte, als er bei McLaren unterschrieb, dass er als zweimaliger Weltmeister im Vergleich zu einem Neuling vom Team anders behandelt wird. Hat er Recht, dass er enttäuscht ist, oder hätte er sich denken können, dass ein aufstrebender Junge, der darüber hinaus auch noch so erfolgreich ist, derart behandelt wird?"
Surer: "Man hat sich sicherlich nicht vorstellen können, dass Hamilton so gut ist. Das hat auch sicherlich das Team selbst nicht feststellen können."

"Was Alonso meint, das verstehe ich auch. Sein großer Gegner war bisher Michael Schumacher. Und der Michael Schumacher hat eine absolute Nummer-1-Behandlung genossen. Alles wurde für ihn gemacht, und wenn der Teamkollege mal vor ihm stand, dann wurde irgendeine Lösung gefunden, damit er hinter ihm ins Ziel kommt."

"Er hat sich natürlich gedacht, dass wenn er als zweimaliger Weltmeister zu McLaren-Mercedes kommt, dass er dann genau die gleiche Behandlung genießt, dass alles für ihn gemacht wird und sich der andere fügen muss. Und jetzt ist er enttäuscht, dass es nicht so ist."

Frage: "Kommen wir zum Rennen. Lewis Hamilton hat in den letzten Runden dem Druck von Kimi Räikkönen gut standgehalten, denn der Finne hat ja zum Schluss noch einmal richtig aufgeholt, oder?"
Surer: "Ja, der Kimi war deutlich schneller, er ist ja dann zum Schluss noch einmal die schnellste Runde gefahren. Aber man sieht wieder einmal das Problem der Formel 1, dass wenn man zu nah aufschließt - das waren hier in etwa 0,7 Sekunden - dann hat der hintere Fahrer Probleme bekommen."

"Plötzlich fuhr der Kimi neben der Strecke, auch der Alonso hatte das Problem, als er plötzlich neben der Strecke zu finden war. Das liegt daran, dass die Aerodynamik auf dieser kurvenreichen Strecke eine so große Rolle gespielt hat."

Frage: "Auch Nick Heidfeld hat dem Druck von Fernando Alonso widerstanden und hat sich verdient einen Podiumsplatz gesichert."
Surer: "Ich war mir eigentlich sicher, dass der Nick das im Griff hat. Er ist ein knallharter Hund, wenn es darauf ankommt, seinen Platz zu verteidigen. Und ich habe mir da nie Sorgen gemacht."

Frage: "Für das BMW Sauber F1 Team ist es ein großartiges Ergebnis, denn es hat noch nie so viele WM-Punkte in einem Rennen geholt."
Surer: "Ja, das scheint hier ein gutes Pflaster zu sein. Nick Heidfeld war ja schon im vergangenen Jahr Dritter und nun hat es auch der Robert Kubica geschafft, nach vorn zu fahren. Das Team ist stark und wir können uns wirklich darauf freuen, wenn sie nach ganz vorn aufgeschlossen haben."

Frage: "Schauen wir noch auf das kommende Rennen in Istanbul, beschreibe einmal das Flair dort ein bisschen?"
Surer: "Die Stadt hat tatsächlich ein unheimliches Flair. Sie ist mit vielen Traditionen verbunden. Wenn man sich die Stadt anschaut, dann erinnert man sich immer an die vielen Geschichten, die man früher einmal gehört und gelesen hat. Und dann fährt man raus zur Rennstrecke, die liegt ja etwas außerhalb, und kommt zu einer wunderschön gelegenen Rennstrecke."

"Ich finde, dass sie von den neuen Rennstrecken mit Abstand die beste ist, weil es nämlich bergauf und bergrunter geht. Zudem gibt es wirklich schnelle Kurven, die auf den neuen Strecken selten geworden sind. Darunter eine Dreifach-Kurve, die mit hoher Geschwindigkeit gefahren wird. Für mich ist das eine richtige Mutprobe. Diese trennt die Spreu vom Weizen. Das ist für die Fahrer interessant und auch das Nachtleben ist dort interessant."

Frage: "Gibt es auf dem Kurs von Istanbul Überholmöglichkeiten?"
Surer: "Viel besser als beim letzten Rennen in Ungarn. Es ist eine Strecke, auf der es lange Geraden hat. Zudem ist es eine breite Strecke. Das ist also eine Strecke, auf der man überholen kann, wenn man will. Wir haben dort in der Vergangenheit auch super Überholmanöver gesehen. Ich freue mich auf jeden Fall und hoffe, dass es wieder so ausgeglichen ist wie hier."