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  • 30.10.2016 10:12

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Der Red-Bull-Poker erklärt: Letzte Chance ist der Rennstart

Während Mercedes mit einem Stopp liebäugelt, will Red Bull mit Supersoft zu Beginn in Führung und mit mindestens zwei Stopps gewinnen - Reifen geben Rätsel auf

(Motorsport-Total.com) - Der Mexiko-Grand-Prix am Sonntag könnte zur Strategieschlacht zwischen Mercedes und Red Bull werden. Die Topteams planen offenbar mit unterschiedlichen Strategien. An der Spitze beginnen Lewis Hamilton und Nico Rosberg auf Soft, wollen den Reifen so lange wie möglich behalten und dann auf Medium wechseln, um mit einem Boxenstopp durchzukommen. Hinter ihnen sind Max Verstappen und Daniel Ricciardo, die auf Supersoft starten, wohl auf zwei Reifenwechsel gepolt.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen

Max Verstappen muss in den ersten Runden vorbei an den Mercedes Zoom

Damit die auf dem Papier langsamere Taktik funktioniert, muss Red Bull aus den ersten Runden Kapital schlagen. 2015 war eine Einstoppstrategie für Mercedes in Sachen Reifenverschleiß ein Problem (sie kamen zweimal), weshalb die Österreicher trotzdem nicht auf einbrechende Silberpfeile hoffen sollten. Ricciardo will deshalb sofort zuschlagen: "Wenn Mercedes und wir perfekt starten, dann bin ich vielleicht eine Position weiter vorne, etwas näher dran und bekomme gut Windschatten", erklärt der Australier.

Heißt: Mit Supersoft hat Red Bull beim Beschleunigen über die ersten 200 Meter den Vorteil. Der Weg bis zur ersten Kurve ist in Mexiko mit 900 Metern so lang wie auf keiner anderen Strecke, sodass die Piloten den Windschatten nutzen. "Einfache Überholmanöver vor dem Anbremsen", unterstreicht Williams-Chefingenieur Smedley. Hinzu kommt, dass Mercedes mit der empfindlichen Kupplung oft Startprobleme hat. So kam Ricciardo schon in Austin an Rosberg vorbei.

Hamilton und Red Bull haben mehr frische Soft als Rosberg

Ricciardo will die Führung. Muss er auch. Wenn nicht ein Red Bull in der Frühphase die Spitze übernimmt, wird es schwierig, Hamilton und Rosberg per Undercut ebenfalls zwei Boxenstopps aufzuzwingen. "Ich bin gespannt, wie lange der Vorteil hält", meint Ricciardo über die Supersoft. Auszugehen ist von zehn Runden, dann könnten er und Verstappen mit einem weiteren Supersoft-Stint den Druck erhöhen und sich beim letzten Halt Medium holen - oder zweimal auf Soft setzen.

Rosberg bereitet keines der Szenarien Bauchschmerzen: "Am Start mag der Supersoft in Ordnung sein, aber anschließend baut er zu schnell ab und wird strategisch zu einem Nachteil." Verstappen widerspricht seinem Kontrahenten: "Natürlich, aber ich kann das über die Balance meines Autos beeinflussen." Klar ist, dass Red Bull sich auf mehr Unbekannte einlässt als Mercedes. "Wir setzen voll auf Risiko, weil wir sie so vielleicht zwingen, etwas anders zu machen", betont Ricciardo.

Mercedes mit beiden Autos auf "sehr ähnlicher Strategie"

Mercedes-intern hat Hamilton mehr Optionen: Er verfügt wie die Red Bull neben zwei frischen Sätzen Medium über ungenutzte Soft-Pneus. Rosberg hat sein Pulver verschossen und nur noch angefahrene Gummis in der Garage. "Beide Strategien sind sich aber sehr ähnlich", bremst Toto Wolff. Der Sportchef sieht ein taktisches simples Rennen: "Man muss einfach den Reifen, den man am Start drauf hat, möglichst über die Distanz bringen. Dann könnte ein Stopp möglich sein."

Pirelli bezweifelt, dass dieser Plan aufgeht. Der Reifenzulieferer hat sich nämlich ausgerechnet: Der schnellste Weg ins Ziel von Mexiko-Stadt ist die Reifenfolge Soft-Soft-Medium oder sogar vier Stopps mit Supersoft-Supersoft-Soft-Soft. Die Italiener erwarten, dass die weicheren Mischungen 22 respektive 18 Runden mitmachen würden und der Medium sogar "unlimitiert haltbar" wäre.


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Button kritisiert Pirelli für zu harte Mischungen

Nach weicheren Mischungen, die der Zulieferer versprochen hatte, klingen weder diese Prognose noch die Mercedes-Aussichten. Jenson Button lacht sarkastisch und winkt ab: "Die Reifen mögen jetzt einen anderen Streifen an der Flanke haben, aber ob sie wirklich weicher sind?" McLaren hat wie viele andere Teams Probleme, das Verhalten der Gummis vorauszuberechnen. "Diese Reifen kapieren wir nie. Das tut aber niemand", so Button weiter. In Mexiko scheint es besonders knifflig.

Grund ist der recht neue Asphalt, der ähnlich dem in Sotschi grundsätzlich milde mit den Pneus umgeht. "Wenn man das Limit findet, ist er super", stimmt Button zu. "Aber wenn man nur ein kleines bisschen zu viel riskiert, verliert man das Heck komplett oder hat richtig übles Untersteuern. Mit so wenig Abtrieb in der Höhenlage ist alles noch zehnmal schlimmer. Das wiederum ist Gift für den Reifen." In der dünnen Luft leidet allen voran der Supersoft, den Button daher meiden will.

Nico Rosberg

Nico Rosberg hat einen frischen Satz Soft weniger in der Garage als Hamilton Zoom

"Ich wäre überrascht, wenn viele Piloten außerhalb der Top 10 auf Supersoft starten würden", sagt er. Immerhin soll es mit 20 Grad Celsius zur Startzeit nicht extrem heiß werden, was gemessen an einem kühlen Trainingsfreitag und einem heißen Qualifying wieder Neuland bedeutet. "Die Bahn hat jetzt sehr viel mehr Grip", wirft Hamilton ein. Williams-Pilot Valtteri Bottas warnt wegen der milden Temperaturen vor einem zweiten Phänomen: "Wenn die Reifen körnen, verbremst man sich insbesondere mit dem Supersoft schnell." Eckigen Pneus will in Anbetracht langer Bremszonen niemand.