Stracke an der Strecke: Raki, Cay und Derwische
'F1Total.com'-Reporterin Inga Stracke berichtet über ihre Reise in die Türkei und ihre Erlebnisse in der Metropole Istanbul
(Motorsport-Total.com) - Hallo liebe Formel 1 Fans! Gewusst wie... der Flug mit der guten alten Lufthansa. Man kann nämlich auch mit dem Zug anreisen. Es gibt eine "direkte" Zugverbindung München-Istanbul, dieser "Orient-Express" braucht "nur" 44 Stunden und kostet ungefähr genauso viel wie der Flug. Einziger Vorteil: Sie geht via Budapest, man könnte sich also ganz viel Zeit nehmen und vom Budapest-Grand-Prix auch direkt nach Istanbul reisen.

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Istanbul bietet unzählige Möglichkeiten sich fortzubewegen
Früh ankommen ist in Istanbul nie schlecht, es kann ja auch durchaus sein, dass man zwei Stunden braucht, um dann vom Flughafen in die Stadt, und zwei weitere, um über den Bosporus zu kommen. Man kann sich aber auch in Istanbul deutlich schneller und angenehmer fortbewegen, doch kommen wir dazu später. Tatsache ist, ich habe irgendwie das Gefühl einen Großteil meiner Istanbul-Woche vor, auf und hinter der Bosporus-Bücke verbracht zu haben.#w1#

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Das Warten auf der Bosporus-Bücke versüßt der Ausblick Zoom
Krass sind ja auch die modernen Piraten, oder sollte ich sie in Anlehnung an die dortigen Freibeuter, die lange Zeit das Marmarameer beherrschten, Korsaren nennen? Da stehen die halbwüchsigen Burschen doch glatt an den Mautstationen der Autobahn, dort, wo man gezwungenermaßen stoppen und die Scheibe herunterlassen muss, um sich das bei der nächsten Station abzurechnende Ticket zu holen. Sie ziehen das Ticket schon selbst heraus und wollen es einem nur gegen Bares geben. Und dabei verhandeln sie auch noch - das ist doch kein Basar?! Wie auch immer, mein mich netterweise chauffierender Kollege hatte das Ticket schon in der Hand und trat mutig aufs Gaspedal, als der Halbstarke ihn immer wieder anschrie und das Ticket zurückziehen wollte - wir entkamen gerade noch.
Beruflich begann das Wochenende - wie sollte es nach dem ersten Sieg Jenson Buttons anders sein - mit Honda, und unter anderem einem sehr interessanten Interview mit Otmar Szafnauer, Vizepräsident von Honda Racing Development. Der Mann spricht sogar gutes Deutsch! Kulinarisch begann der Grand Prix - wie könnte es anders sein - mit Döner! Keine Angst, es war ja in der Türkei, nicht in Deutschland/Bayern, also keine Gefahr von wegen Gammelfleischskandal! Und der Döner war richtig lecker! Wo's ihn gab? Bei Rüd Büll Rücüng - okay, nur ein schlechter Kalauer. Richtig heißt es natürlich Red Bull Racing, in der Energy-Station beim traditionellen Chill-Out-Thursday.

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Otmar Szafnauer und Inga Stracke in Istanbul Zoom
Nur eines müssen die roten Bullen langsam mal angehen: Seit Monaco läuft immerfort das gleiche Video: Teamchef Christian Horner, der nach dem Podiumsplatz des Teams, nur mit dem roten Superman-Umhang bekleidet, in den Swimming Pool springt. Danach springt das halbe Team hinterher und ich frage mich immer wieder, so oft ich das Video sehe, wie viele Handys dabei den qualvollen Ertrinkungstod sterben mussten.
Nicht Er-Trinken, sondern Trinken kann man in Istanbul vieles und gut. Das Traditionsgetränk Raki (das wahrscheinlich auch desinfizierend wirkt, ob des hohen Alkoholgehaltes) hatte ich ja schon in meiner Vorschau erwähnt. Aber das eigentliche Nationalgetränk ist der Cay! Ohne diesen Tee läuft nichts. Ein ganzer Berufsstand lebt davon, der von morgens bis abends nichts anderes macht, als Tee zu kochen und ihn an die Geschäfte oder Büros zu verteilen. Auf großen Tabletts, damit auch schön viel drauf geht. In der Werkstatt, Bank, beim Teppichhändler um den Preis für einen Teppich feilschend, immer wird ein Glas Tee angeboten. Alternativ kann man auch auf den berühmten Apfeltee (Elmacayi) oder den so genannten Adacay ausweichen, ein leckeres Gebräu zum Beispiel aus Salbei.

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Toller Blick vom kleinen Balkon des Hotelzimmers in Istanbul Zoom
Freitagmittag hatte Lucky Strike Honda Racing eingeladen - zum Döner Buffet! Börök sei Dank, konnte ich dann Freitagabend auch andere türkische Speisen genießen, ich habe doch glatt im Chaos der Millionen Seitenstraßen der Fußgängerzone mein Lieblingsrestaurant vom vergangenen Jahr wieder gefunden. Und - Tatsache - die netten Gastgeber trugen wieder begeistert einen Tisch nach draußen (denn alle vorhandenen waren besetzt) und brachten sogleich das große Tablett mit den unzähligen leckeren Vorspeisen heran. Herrlich! Nur vom Raki hielt ich mich fern. (Mein Kopf dankte es mir!) Herrlich übrigens auch diesmal wieder: der Blick von meinem Mini-Balkon.
Am Samstag dann war die Anreise zur Strecke durchaus okay, denn die Mautstellen waren geschlossen, man konnte ohne lange anstehen zu müssen hindurchfahren (wahrscheinlich wieder einmal aufgrund Mr. E's Verkehrs beschleunigenden Anregungen). So war ich rechtzeitig genug zurück, um mich noch mit einem Bekannten auf ein Bier zu treffen, und an einem Straßenmarkt für Familie und Freunde beschützende "türkische Augen" (siehe meine Istanbul-Vorschau) zu erstehen. Und nachdem ja am Freitagabend die große Formel-1-Galaparty (mit Missy Elliott statt Christina Aguilera) im Nobel-Club 'Reina' ohne uns hatte stattfinden müssen (in Ermangelung einer Einladung, das muss ich an dieser Stelle leider zugeben), beschlossen wir, uns den Club eben mal anzuschauen.
Gesagt getan. Ein Taxi war ja schnell hergerufen, doch mit dem standen wir dann ewig im Stau. 10 Meter in 20 Minuten, neuer Rekord, und dabei wollten wir doch gar nicht über die Brücke! Als uns das Taxi endlich absetzte, meinte der Fahrer, es seien nur noch drei Minuten zu Fuß zum Club, er wolle sich das Abbiegen sparen. Nur leider war weit und breit kein Club, und so fragten wir einen freundlichen jungen Polizisten nach dem Weg. Entsetzt fragte er, ob wir laufen müssten. Als wir bejahten, drehte er sich zu seinen beiden Kollegen und begann auf sie einzureden. Uns wurde schon mulmig und wie wollten weiterziehen, als die Drei plötzlich grinsten und erklärten, wir sollten doch bitte einsteigen, sie würden uns gerne hinfahren!

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Istanbul bei Nacht: Die Irrfahrt zum Nobel-Club 'Reina' Zoom
Naja, eigentlich heißt es ja, die Polizei, dein Freund und Helfer (und lieber im Polizeiauto zum Club als vom Club weg), und so stiegen wir - wenn auch zögerlich - in den Polizeibus ein. Als es dann ebenfalls im Stau wieder nicht voranging, schalteten unsere neuen Freunde - übrigens Fans von Michael Schumacher - gleich mal Blaulicht und Sirene an. Doch leider half das auch nichts, und so lachten sie freundlich, und zogen ganz einfach mal rüber auf die Gegenfahrbahn. Spätestens jetzt wurde mir dann doch mulmig. Aber - alles easy -der Gegenverkehr machte Platz und in Windeseile waren wir vor dem Club.
Die Türsteher machten große Augen und einen Schritt zur Seite, um uns freundlich begrüßend einzulassen - welch ein Feeling, denn zu beiden Seiten standen die Menschen an, um hereinzukommen - und unsere neuen Freunde winkten fröhlich zum Abschied! Doch was erwartete mich drinnen? Eine übergroße Leinwand auf der - man glaubt es kaum - gerade Christian Horner im roten Superman-Cape in Monaco in den Pool sprang - und sämtliche Handys hinterher.
Das rote Super(man)-Cape konnte sich bei den Roten am Sonntag wirklich nur einer anziehen - Felipe Massa. Unisono Kopfschütteln in Pressezentrum, Fahrerlager und auf den Tribünen als Ferrari beide Piloten zusammen zum Stopp holte. Mehr dazu, Analysen und Expertenkommentare findet Ihr ja ausführlichst bei uns auf 'F1Total.com'!
Ich habe dafür Sonntagabend im nächsten Bosporus-Club ('Angelique') die Red-Bull-Afterparty genossen - ohne Großbildleinwand, aber vielleicht habe ich sie ja auch einfach nicht gesehen. Eines muss man den Clubs am Fluss ja lassen, es ist schon verdammt cool, wenn die Gäste mit der Privatjacht an die Tanzfläche andocken. Und ich habe es ziemlich genossen, feudal, dekadent und beeindruckt, die Party nicht mit dem schnöden Taxi zu verlassen, sondern via Boot den Bosporus entlang zu schippern, dem Sonnenaufgang entgegen. Okay, zu meinem Hotel musste ich dann doch wieder Taxi fahren, doch was habe ich gelernt: Es gibt der Transportmittel vieler in Istanbul - und so vielseitig.

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Stress in Istanbul: Keine Zeit für eine intensive Stadtbesichtigung Zoom
Wie so oft habe ich es auch diesmal nicht geschafft, in einen meiner - wie einige meiner Familienmitglieder und Bekannte es immer noch nennen - Wochenendkurztrips Sightseeing einzubauen. So müssen Blaue Moschee, Hagia Sophia sowie der große Basar bis nächstes Jahr auf mich warten, und auch eine Gruppe türkischer Herren, die ich doch zu gerne gesehen hätte. Doch niemand tat mir die Freude, sie im Fahrerlager oder einem der Clubs auftreten zu lassen, die "Mevleviler" (tanzende Derwische). Ihre Musik wird beherrscht von dem eindringlichen Ton der Rohrflöte - "Ney" - und ist während der Mevlana-Gedenkfeiern in Konya alljährlich im Dezember zu hören. Auch kann man diese mystischen Tänze bei den typisch "Türkischen Abenden" miterleben.
Nun denn - vielleicht tanzen sie ja nächstes Jahr zum Grand Prix in Istanbul - ich "tanze" weiter zum nächsten Grand Prix nach Monza, um die 22 "Derwische" der Formel 1 weiter zu beobachten und interviewen.

