• 21.03.2006 14:11

  • von Inga Stracke

Stracke an der Strecke: Geschichten aus Malaysia

'F1Total.com'-Reporterin Inga Stracke berichtet aus Kuala Lumpur vom malaysischen 'Dell'-Service, dem Chaos um den Grid und der kuriosen Sprache

(Motorsport-Total.com) - "The hottest race of the world" - so preisen die Malaien ihren Grand Prix an. Formel-1-technisch dürften sie damit wohl auch Recht haben. Der Asphalt brennt bei über 50 Grad. Die Luft ist auf 40 Grad aufgeheizt. Luftfeuchtigkeit: 50 Prozent. Eigentlich gar nicht so schlimm, wenn man - und Frau wie ich - bei "normalen" Temperaturen eh immer kalte Füße hat.

Titel-Bild zur News: Malaysische Flagge

In Sepang findet bereits seit 1999 der Grand Prix von Malaysia statt

Zu schaffen machen einem aber die Klimaanlagen, die es drinnen auf rund 17 Grad abkühlen lassen, so dass sogar die Scheiben beschlagen. Doch: Netterweise war in diesem Jahr zum ersten Mal kein Frösteln angesagt - herzlichen Dank!#w1#

Dankeschön an Azhar vom Media-Center in Sepang

Azhar vom Media-Center in Malaysia

Azhar vom Media-Center rettete mit seiner Hilfe die 'F1Total.com'-Interviews Zoom

Überhaupt: Ein dickes Kompliment an die Jungs und Mädels vom Media-Center von Azhar. Das ist der Pressechef der Nationalen Formel 1. Immer freundlich. Und super hilfsbereit, wie ich am Donnerstag und Freitag erfahren durfte, als ich mich schon der Verzweiflung nahe wähnte. Denn fast hätte es diese Kolumne und die vielen Interviews für Euch auf 'F1Total.com' gar nicht geben können; Grafikkarte und Mainboard meines Laptops hatten am Donnerstagnachmittag nämlich beschlossen, sich zu verabschieden: der Bildschirm schwarz, lediglich ein paar grüne Streifen flimmerten über den Screen. Gar nicht lustig.

Der freundliche IT-Chef von Renault war so nett, mir vorsichtshalber mal meine Festplatte zu kopieren, damit ich im Notfall mit einem anderen Computer arbeiten könnte. Freitagmorgen rief ich 'Dell Malaysia' an. Und siehe da: Was für ein Glück, dass die meisten Computerteile gleich hier in Malaysia (auf der Ferieninsel Penang) hergestellt werden. Unglaublich, aber wahr: Innerhalb von nur zweieinhalb Stunden hatte ich ein neues Mainboard und eine neue Grafikkarte in der Hand. Azhar half mir dann, damit der eigens herbei geeilte Techniker das ganze auch flugs an der Strecke einbauen konnte. Ihr wisst ja, ohne Akkreditierung ist da fast nix mit auf das Streckengelände gelangen.

'Dell'-sei-dank: Um Punkt 14:00 Uhr - also zu Beginn des zweiten Freitagstrainings - war Inga wieder online! Gewöhnlicher 24-Stunden-Service ist ja schon schnell, aber dieser malaysische-mach-meine-Maschine-wieder-gesund-Service war richtig klasse! Ach ja, noch was Amüsantes: der Renault-Kollege, der mir geholfen hatte, heißt seit Jahren mit Spitznamen "Dellboy" - ich weiß auch nicht warum...

Nun war ich also gerüstet für das, was uns noch erwarten sollte. Und das war sensationell!

Das ganze Fahrerlager diskutierte über die Startaufstellung

Wohnhaus in Malaysia

Das andere Malaysia: Abseits des Kapitalismus' beherrscht Armut das Bild Zoom

Samstagnachmittag, Pressezentrum: Arbeiten war nicht mehr, stattdessen nicht endende Diskussionen unter Kollegen, Haare wurden gerauft (nur die eigenen) und bisweilen dröhnte Gelächter durch den Raum! Oben im Turm saß derweil die Rennleitung. Grübelnd, wer denn nun von wo aus am Sonntag ins Rennen startet. Für Michael Schumacher gab es gleich vier Lösungsvorschläge: Startplatz elf, zwölf, 13 und 14. Niemand konnte wirklich sagen, ob der Ferrari-Star Plätze gewinnt, weil David Coulthard (Red Bull Racing) und Rubens Barrichello (Honda) vor oder nach ihm den Motor gewechselt hatten. Das machte Ferrari dann derart erfinderisch, dass die Scuderia einen zweiten Stapel Pressemitteilungen drucken ließ. Erst hatten sie Michael in die sechste Startreihe gesetzt, dann in die siebente - Scherz eines der Natur offenbar sehr verbundenen Kollegen: "Wegen dieses Chaos' müssen jetzt zwei Bäume sterben!"

Klar war nur: Ralf Schumacher startet von ganz hinten, nachdem dem 30 Jahre alten Toyota-Piloten während der Qualifikation der Motor platzte. Oder doch nicht? Denn da kam dann noch Felipe Massa - sein Ferrari-Motor wurde NACH der Qualifikation nochmals gewechselt. Ergo lautete die einhellige Meinung: Der Brasilianer geht als Letzter in den zweiten WM-Lauf. Nun, bis des Rätsels Auflösung von den Verantwortlichen präsentiert wurde, saßen wir im klimatisierten Pressezentrum - wie bereits erwähnt war es nicht zu kalt -, und von der Strecke dröhnten die Geräusche der Schlagschrauber an unsere Ohren. Renault, Toyota und McLaren machten Pit-Stop-Practice, einen simulierten Boxenstopp nach dem anderen, Reifen- und sogar Frontflügelwechsel - und das bei 36 Grad. Formel-1-Mechaniker sind ziemlich fit!

Erster Renault-Doppelsieg seit 24 Jahren

China-Market in Kuala Lumpur

Auf dem China-Market in Kuala Lumpur gibt es natürlich auch Essensstände Zoom

Glücklicherweise hinterließ das Rennen am Sonntag nicht so viele Fragen. Stattdessen setzte Weltmeister Renault mit seinem ersten Doppelsieg seit 24 Jahren ein Ausrufezeichen. Für mich war indes um 23:00 Uhr das Signal zum Feierabend gekommen. Als ich nach vollbrachtem Tagwerk das Pressezentrum verließ, wurde in allen Boxen noch emsig geschraubt und gepackt. Die einen Kisten gingen gleich via Seefracht nach Melbourne, die anderen via Luftfracht zurück nach Europa und ein anderer, dringender Teil zusammen mit den Autos mit dem Jumbo-Cargo nach Melbourne - dort steigt am 2. April das dritte Saisonrennen!

So viel dazu. Nicht vorenthalten möchte ich euch aber, dass ich eines nun nach all den Jahren, die ich schon nach Kuala Lumpur komme, endlich geschafft habe: Ich war auf dem China-Market. Dieser - Gott sei dank überdacht, da sich Montagabend ein Platzregen über Kuala Lumpur ergoss - ist eine lange Gasse mit den verschiedensten Ständen. Dazwischen immer wieder kleine Buden, in denen von exotischen Früchten bis zu gebratenen Kastanien alles angeboten wird - nichts für empfindliche Riechorgane, aber super interessant.

Offensichtlicher Hauptverkaufsartikel sind Uhren in allen Variationen. Dazu natürlich die passenden Sonnenbrillen und auch die neuesten "Designer"-Handtaschen, alles wild durcheinander. Genauso wie das Stimmengewirr: "Miss, do you want CD, do you want DVD?" - die neuesten CDs für 1,50 Euro, DVDs auch nicht viel teurer. Prima nur, wenn man die DVD anschaut und auf einmal den Schatten von Leuten sieht, die vor dem Bild aufstehen, oder ab und an auch mal lautes Gelächter ertönt: das sind Mitschnitte aus Kinos, natürlich äußerst illegal. Klasse aber auch, wenn der Film dann kurz vor Ende, bei der spannendsten Szene aufhört, oder nur das Bild zu sehen, aber kein Ton zu hören ist!

Mit dem "Teksi" zur nächsten "Stesen bus"

Taxi in Malaysia

Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur zur Stoßzeit: Ab ins "Teksi"! Zoom

Kurios auch die Sprache in Malaysia. Irgendwann, so scheint es, haben sie Bezeichnungen, die in Malay/Bahsa nicht existieren, einfach aus dem Englischen übernommen - in Lautsprache. Beispiel? Bushaltestelle heißt - angelehnt an die englische "bus station" - "Stesen bus". Und Taxi wird wie im Englischen ausgesprochen, "teksi".

Apropos Autos: Im Vergleich zu Bahrain ist das Benzin in Malaysia richtig teuer: der Liter 0,45 Euro! Das Auftanken meines Mietwagens nach dem Grand-Prix-Wochenende hat genauso viel gekostet wie das kühle Bier, das ich mir Sonntagabend noch gegönnt habe...

So, jetzt freue ich mich auf Melbourne, eine meiner absoluten Lieblingsstädte. In diesem Sinne: Selamat Datang!

Eure Inga Stracke von der Strecke