• 03.02.2005 08:31

  • von Marco Helgert

Stoddart: Welche Interessen vertritt die FIA?

In einem langen Brief an Max Mosley machte der Minardi-Teamchef seinem Unmut Platz - Mosley reagiert gelassen auf die Anschuldigungen

(Motorsport-Total.com) - Der Ton zwischen den Teams und der obersten Motorsportbehörde FIA wird härter, nicht erst das Fernbleiben von neun Teams bei einem geplanten Meeting hat das gezeigt. In einem Brief an die FIA fasste Minardi-Teamchef Paul Stoddart detailliert (auf 42 Seiten) zusammen, was in den vergangenen Jahren passierte. Dabei, so sein allgemeines Fazit, stelle sich die Frage, welche Interessen die FIA eigentlich vertrete.

Titel-Bild zur News: FIA-Präsident Max Mosley und Minardi-Teamchef Paul Stoddart

Stoddart-Brief an Mosley: Nur der Versuch eines Freundes

"Ob dies nun wahr ist oder nicht, aber in den vergangenen sechs Monaten hat die Mehrheit der Teamchefs den Eindruck, dass die FIA und auch Du (gemeint ist FIA-Präsident Max Mosley; d. Red.) gegen die Interessen der Teams arbeiten und sich damit immer weiter von der Rolle einer unabhängigen Behörde entfernt", so Stoddart in seinem Schreiben, datiert vom 19. Januar. Besonders die offizielle Begründung für die Regeländerungen sei kaum nachvollziehbar, denn erst seit Sommer 2004 sei von Sicherheitsfragen die Rede gewesen.#w1#

Auch gemachte Zugeständnisse wurden seitens der FIA wieder rückgängig gemacht, was eine Kostensenkung so unmöglich machte. So einigte man sich Anfang 2003 darauf, die Traktionskontrolle zu verbieten. Als die Teams zeigten, dass die Einsparungen dadurch nur gering wären, sollte als Ersatz die Lieferung von erschwinglichen Motoren vorgeschrieben werden - doch dies geschah nie. In den folgenden Meetings wurden zahlreiche Punkte besprochen, die eine Kosteneinsparung zur Folge hätten, sei es durch die Verwendung von zukaufbaren Teilen, beschränkter Aerodynamik oder preiswerte Materialien. Dabei hätten jedoch immer die Einsparungen im Vordergrund gestanden, auch hier wäre nie die Sicherheit der Formel-1-Boliden in Frage gestellt worden.

Mit der Einführung der Motoren für ein komplettes Rennwochenende erklärte die FIA, "keine Änderungen an den Chassis in den nächsten zwei Jahren zu beschließen", dies war im Oktober 2003. Auch hier soll das Thema Sicherheit noch nicht angesprochen worden sein. Die Kostensenkung stand noch immer im Mittelpunkt. Doch das komplizierte Verfahren, wie Änderungen auf den Weg gebracht werden müssen, erstickte alle Bemühungen bereits im Kern. Die FIA änderte nun die Richtung, denn es sei unmöglich, eine Einigung der Teams zu erreichen. Diese sollten sich untereinander einigen und Vorschläge präsentieren, was natürlich ebenso schwierig war. Im April 2004 erklärte Mosley die ersten Vorschläge für eine Formel 1 nach dem derzeitigen Concorde Agreement.

Stodart: 2,4-Liter-V8-Motor für 2006 ein Ferrari-Wunsch

So sollte es ab 2008 kein Concorde Agreement mehr geben, da es die Entwicklungsprozesse in der Formel 1 nur hemme. Und erstmals tauchte die Erklärung auf, dass Änderungen im Sinne der Sicherheit geschehen sollten. Alle Vorschläge, seien es die 2,4-Liter-V8-Motoren oder die Standard-Elektronik, waren aber immer auf das Jahr 2008 ausgelegt, denn zuvor wäre eine Einigkeit aller Parteien nötig. Die Teams sollten über die Vorschläge, die auch einen Einheitsreifen beinhalteten, beraten. Sollten sie sich bei bestimmten Punkten einig sein, so könne dieser auch schon 2006 in Kraft treten.

So wurden für 2005 Änderungen beschlossen, die erst für 2008 geplant waren. Stoddart führt hier vor allem die Abschaffung der Reifenwechsel an. Im Mai stellte sich Mosley der Presse und erklärte, dass die Mehrheit der Teams für eine vorzeitige Einführung zahlreicher Änderungen sei. "Dies führte zu der Situation, dass einige Teammitglieder von der Presse befragt wurden, und damit so nicht einverstanden waren", so Stoddart. Da sich die Teams nicht einigen konnten, schwenkte die FIA auf die Linie der Sicherheit um, denn hier hatte sie eine freiere, wenn auch nicht freie Hand. Es sei "traurig", dass sich die Teams nicht einigen konnten, denn "sie hätten das tun müssen", so der Australier. So aber hielten zahlreiche Regeländerungen Einzug, die teilweise auf heftige Gegenwehr stießen.

Doch einige Details stoßen Stoddart besonders auf. Am 28. Juni 2004 erklärte Ross Brawn, Ferraris Technikdirektor, in einem Meeting, dass Ferrari "glücklich wäre, wenn die 2,4-Liter-V8-Motoren schon 2006 eingeführt werden würden, da man die Leistung des eigenen Motors nicht bis 2008 aufrecht erhalten könnte", wie Stoddart zitiert. "Trotz des direkten Konfliktes mit dem Concorde Agreement haben wir nun diese Motoren für 2004, kurz nachdem Ferrari erklärte, dass sie ihre derzeitige Motorleistung nicht bis 2008 halten könnten."

Hinzu komme eine Meinungsänderung in nur wenigen Wochen. Wollte die FIA zuvor gravierende Änderungen erst 2008 einführen, da man um die Entscheidungen der Formel-1-Kommission nicht herumkommen würde, so sollte nun die FIA "ein Sportliches Reglement" definieren. Zudem habe man das Vorhaben des Einheitsreifens ohne Erklärung wieder aufgegeben. Weit wichtiger sei jedoch gewesen, dass die aerodynamischen Änderungen beschlossen wurden, ohne das die Technische Arbeitsgruppe oder die Teams zuvor konsultiert wurden. Dabei, so Stoddart, habe nur die Formel-1-Kommission das Recht, solche Regeländerungen zu beschließen.

Hickhack um den Einheitsreifen

Doch einige Ungereimtheiten bleiben für Stoddart. Zum Beispiel beim Einheitsreifen. Dieser wurde erst als "grundlegend" bezeichnet, dann aber wieder von der Agenda genommen. Bis zum 31. Dezember 2004 hätte die Formel-1-Kommission den Einheitsreifen beschließen können. Die Chancen für eine Mehrheit standen auch nicht schlecht, nur: Ein Treffen hierzu habe es nie gegeben. Von den Teams jedenfalls stellte sich nur Ferrari quer. "Nur Ferrari war dagegen. Das lässt nur den Schluss zu, dass Ferrari viel Einfluss besitzen muss und gute Lobbyarbeit betrieben hat", so Stoddart. "Aber der Sport sieht dabei nicht gut aus, wenn ohne Erklärung dieser Einfluss die FIA, die so genannte unabhängige Behörde, dazu gebracht hat, davon Abstand zu nehmen."

Am Rande des Italien-Grand-Prix' wurden die Änderungen, die zum Teil schon 2005 in Kraft treten, dann offiziell. "Du hast erklärt, dass diese Änderungen direkt an den Weltrat gehen, ohne die Formel-1-Kommission zu durchlaufen. Viele von uns haben das als falsch angesehen, denn im Concorde Agreement steht es anders", fuhr Stoddart fort. "Max, es ist nicht glaubhaft, wenn man die vorherigen Aussagen hört, dass man die Motorenregeln nicht aufgrund der Sicherheit ändern kann, und es dann doch genauso macht."

Dann kam der besagte Brasilien-Grand-Prix, und neun der zehn Teams einigten sich, zusammen mit Bernie Ecclestone, auf einen Anfang in der Kostenreduzierung: Testbeschneidung und Einheitsreifen. Die Grundlage war gelegt, alle wollten es für 2005, die Mehrheit in der Formel-1-Kommission wäre gesichert gewesen. Doch das geplante Treffen für den 9. Dezember wurde abgesagt, offiziell, da keine Einigung in Aussicht stehe und die geladenen Parteien keine Vorschläge einbrachten.

Dabei hätte dieses Treffen schon für 2005 die Testbeschränkung beschließen können. "Max, dieses Debakel hat wenig dazu beigetragen, die immer stärkere werdende Ansicht, die FIA würde nur die Interessen Ferraris schützen, zu entkräften", so Stoddart. "Vielmehr bekommt man den Eindruck, es würde nicht mehr um Einheitsreifen oder Testbeschränkungen gehen, sondern darum, für den 2,4-Liter-Motor zu sein, den Ferrari für 2006 wollte, um konkurrenzfähig zu bleiben. Das sind deine Worte und die von Ferrari - nicht unsere."

"Ich kann mir keinen desaströseren Weg vorstellen, die Saison 2005 zu beginnen", schreibt Stoddart weiter. "Ich habe viele Tage für diesen Brief recherchiert. Alle Punkte werde ich nicht abgedeckt haben, auch einige deiner Kommentare werde ich falsch interpretiert haben. Aber selbst ich, einer deiner stärksten Unterstützer, fühle mich leer und bestürzt. Ich flehe ich an, diesen Brief nicht persönlich zu nehmen und ihn so zu sehen, wie er ist: Als einen Versuch eines Freundes, dabei zu helfen, ein Desaster abzuwenden. Bitte erschieße nicht den Überbringer!"

Mosley: Stoddarts Kritik übersieht wichtige Punkte

Max Mosley reagierte fünf Tage später auf die Beschuldigung, die FIA würde Ferrari bevorzugen, beschränkte ich jedoch aus "Zeitgründen" auf zwei Seiten. "Trotz der Länge deines Briefes gibt es fundamentale Punkte, die du übersehen hast", schreibt der Engländer an Stoddart. "Der Vorschlag, den Hubraum auf 2,4 Liter zu beschränken, wurde einstimmig von der Technischen Arbeitsgruppe getroffen und innerhalb von zwei Jahren mehrmals wiederholt." Zudem solle Stoddart nicht Artikel des Concorde Agreements vermischen. "Artikel 8.8 gibt uns die Möglichkeit, Regeländerungen aufgrund der Sicherheit zu beschließen. Artikel 7.5 erklärt die Prozedur, dass zum Einbremsen der Autos erst die Technische Arbeitsgruppe beraten muss. Nur bei Uneinigkeit kann die FIA selbst handeln."

Zudem sei der Einheitsreifen wegen gesetzlichen Bestimmungen vorerst wieder gekippt worden. "Das Wiederauflammen des Vorschlages für einen Einheitsreifen Ende 2004 hat komplett die EU-Wettbewerbsgesetze ignoriert", so Mosley. Einen ähnlichen Vorfall hätte es bereits im Kart-Sport gegeben. "Unsere Spezialanwälte brauchten Zeit, um einen Vorschlag auszuarbeiten. Als ich das im Mai 2004 für 2006 vorschlug, war noch Zeit. Im Oktober war es dann zu spät." Zudem zeigten die Teams kein Interesse am Treffen für den 9. Dezember. "Und hätten sie da für einen Einheitsreifen plädiert, so wäre das vom Weltrat mit Sicherheit abgelehnt worden."

"Ich denke, dass du und andere Teamchefs die Kostensenkungen in einer falschen Art und Weise angehen", fuhr Mosley fort. "Mit Sicherheit muss man damit beginnen, die Kosten pro gefahrenen Kilometer und die Anzahl der benötigten Leute zu senken. Wie viel man fährt, ist sekundär. Wenn die Kosten je Kilometer und die Anzahl der Leute gering genug sind, dann wird sogar das Testen irrelevant. Wir müssen uns den gesamten Wald anschauen, nicht nur den einzelnen Baum."