• 16.12.2002 18:01

  • von Fabian Hust

Stoddart: "Ich konnte Mark nicht in die Augen sehen"

Paul Stoddart über den Wechsel seines Freundes Mark Webber zu Jaguar und die Suche nach neuen Talenten

(Motorsport-Total.com) - Minardi-Teamchef Paul Stoddart nahm sich für australische Journalisten viel Zeit, um per Telefonkonferenz aus England unter anderem zahlreiche Fragen zur finanziellen Situation und der Zukunft der Formel 1 und seines Teams zu beantworten. Wir präsentieren Ihnen das ausführliche Interview in sechs Teilen. Im fünften Teil spricht der Australier über Michael Schumachers Ausfahrt im Minardi-Doppelsitzer.

Titel-Bild zur News: Stoddart, Webber

Stoddart will, dass Webber eine erfolgreiche Formel-1-Karriere hat

Frage: "Haben sie irgendwelche schlechten Gefühle angesichts der Tatsache, dass Mark Webber zu Jaguar gewechselt ist?"
Paul Stoddart: "Nein. Mark und ich sind wahre Kumpel und wir haben uns über seine Zukunft unterhalten. Ich wäre gerne in der Lage gewesen, Mark für 2003 ein sehr konkurrenzfähiges Paket zu garantieren, aber irgendwann mussten wir die Entscheidung treffen. Ich wusste nicht, ob wir 2003 am Start sind und um ehrlich sein ? und das wird Mark unterschreiben ? haben wir die Entscheidung zu Gunsten seiner Karriere getroffen. Das wichtigste ist, dass er weiterhin Australien in der Formel-1-Weltmeisterschaft repräsentiert."

Frage: "Was Bezahlfahrer angeht, so haben wir gehört, dass einer ihrer potentiellen Fahrer ein paar Millionen in das Team mitbringen kann. Werden beide Piloten Bezahlfahrer sein?"
Stoddart: "Ich denke, dass es vielleicht falsch ist, sie Bezahlfahrer zu nennen. Wir hatten eine Situation, in der ich an einem Punkt 21 Namen sehr talentierter Fahrer auf meiner Liste stehen hatte, da es eine Menge Fahrer gibt, die ihm Moment noch nicht wissen, wo sie 2003 fahren werden. Wir haben kein Geheimnis daraus gemacht, dass wir Geld brauchen, damit wir kommendes Jahr in Australien und bei den anderen Rennen sein können."

"Wir haben klar gestellt, dass kein Fahrer einen Platz im Team bekommt, wenn er nicht eine beträchtliche Geldsumme in das Team bringen kann. Das ist ein großer Unterschied im Vergleich zu jemandem, der Geld mitbringen muss, damit er fahren darf. Wir sprechen hier von Jungs, die absolut talentiert sind und ihren Platz verdient haben. Aber sie müssen einen Sponsor mitbringen, da wir Geld brauchen."

Frage: "Bedeutet dies, dass Mark Webber Glück hatte, da er ein Jahr zuvor zu ihnen kam, wo dieser Bedarf noch nicht vorhanden war?"
Stoddart: "Sehen wir doch den Fakten ins Auge, Mark ist Australier, ich bin Australier, wir sind Kumpel. Mark war ein Spezialfall, ich wollte den nächsten Australier in die Formel 1 bringen. Er war dieser Position würdig, er durfte wie die Leute wissen kostenlos fahren und darauf bin ich stolz. Das hätte kein besserer Junge bekommen können."

Frage: "Ist der Optimismus des Paul Stoddart denn ungebrochen?"
Stoddart: "Es liegen harte Zeiten vor uns und ich habe kein Geheimnis daraus gemacht, dass wir unsere Probleme hatten. In diesem Jahr stehen wir etwas besser da als im letzten Jahr, aber es ist immer noch ein Kampf. Was die langfristige Zukunft der privaten Teams angeht, so denke ich, dass wir große Partner oder Hersteller brauchen, denn wir können nicht gegen Teams ankommen, die mit dem zehnfachen Budget arbeiten."

Frage: "Es gab Berichte, wonach sie einen russischen Testfahrer haben und damit zugleich einen Sponsor aus Russland an Bord holen konnten."
Stoddart: "Ja, das stimmt. Einer unserer neuen Sponsoren, Gazprom, ist das nationale Gas- und Energieunternehmen Russlands und wir haben mit Sergey Zlobin einen russischen Testfahrer. Wir hatten ihn die letzten vier Monate dieses Jahres und er wird dieses Programm während dem kommenden Jahr fortsetzen."

Frage: "Sind die Tage der australischen Fahrer nun gezählt, nachdem Mark aus Australien kaum Unterstützung erhalten hat?"
Stoddart: "Nein, das hoffe ich wirklich nicht. Ich hoffe, dass das Gegenteil eintreten wird. Ich hoffe dass wir durch mein und Marks Engagement zeigen können, was Australier leisten können, denn ich weiß, zu was sie fähig sind, ihr wisst, zu was sie fähig sind, aber es gab kommerziell gesehen einen großen Mangel an Unterstützung aus Australien. Ich habe nie herausgefunden, was dafür der Grund ist. Ich habe es wirklich nicht."

Frage: "Wurde Mark Webber aus seinem Vertrag im Zusammenhang mit dem Cosworth-Motorendeal gelöst?"
Stoddart: "Nein, nicht im finanziellen Zusammenhang. Wir haben seit Juli mit Ford verhandelt, da wir uns ziemlich sicher waren, dass Asiatech nicht mehr weitermachen wird oder wenn sie weitermachen werden, dann nicht mit uns. Ford war für uns eine logische Wahl, wir haben dort sehr viele Freunde. Was Mark angeht, so wollten wir schlussendlich seine Zukunft sicherstellen. Ich musste beim Ungarn-Wochenende im August eine Entscheidung treffen, ich konnte zu dieser Zeit Mark nicht in die Augen schauen und sagen, dass wir in Melbourne auf der Startaufstellung stehen."

"Es war eine harte Entscheidung und es war auch für ihn schwierig, da wir gut miteinander auskamen, er mochte jeden im Team und umgekehrt. Aber schlussendlich, was wäre gewesen, wenn ich an Mark festgehalten hätte und ich seine Karriere zerstört hätte? Das ist nicht mein Stil. Wir taten das, was wir tun mussten. Und um ihre Frage direkt zu beachten, nein, wir bekamen keinen finanziellen Ausgleich."

Frage: "Hatten sie das Gefühl, dass das Risiko besteht, dass Mark kein Cockpit mehr erhält, wenn Minardi pleite gegangen wäre?"
Stoddart: "Was das Talent angeht, so hätte er immer ein Cockpit verdient gehabt, aber die Formel 1 ist ein sehr lustiger Sport. Wenn man nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist, so kann man den Zug verpassen und wenn man Glück hat, dann macht man den Deal seines Lebens. Es gab Zeiten, da musste ich entscheiden, ob ich Mark für ein zweites Jahr halte oder nicht."

"Hand aufs Herz, ich wusste, dass ich wenn ich diese Entscheidung getroffen hätte und nicht weiterfahren hätte können, die anderen Plätze wohl schon vergeben wären. Das wäre vielleicht nicht das Ende seiner Karriere aber er hätte 12 Monate lang aussitzen müssen. Das war nicht geplant. Wir wollen Mark Rennen gewinnen sehen und vielleicht größere und bessere Dinge erreichen."

Frage: "Sein neuer Teamkollege Antonio Pizzonia gelang in der Formel 3000 nie der Durchbruch, aber er war als Williams-Testfahrer hoch angesehen. Was halten sie von ihm?"
Stoddart: "Einige Leute zeigen in bestimmten Formeln keine Leistungen und in der Formel 3000 hat sich das in den letzten paar Jahren ein paar Mal gezeigt, da die Autos schwierig zu fahren sind. Ich denke, dass Antonio wohl einen sehr guten Job machen wird. Ich habe den Vorteil, dass ich mit Mark sprechen kann und er schätzt ihn ziemlich hoch ein, ich denke, dass er also eine ordentliche Leistung zeigen wird. Er ist ein weiterer Neuling und für mich ist das eine gute Nachricht, denn Leute wie Antonio wollen schon vom ersten Rennen an Gas geben."

Frage: "Die Formel 1 ist ganz offensichtlich das Gegenteil vom Fußball. Dort muss man selbst nach Talenten schauen, in der Formel 1 scheinen die Talente selbst auf einen zuzukommen."
Stoddart: "Allgemein gesprochen ja. Das heißt aber nicht, dass wir keine Ausschau halten. Gian Carlo Minardi hat ein gutes Auge für Talente und hat das in der Vergangenheit auf beeindruckende Art und Weise gezeigt. Und er schaut sich in Bereichen um, von denen vielleicht nicht mal ich etwas weiß, um den vielleicht kommenden Superstar zu finden. Aber es ist eine Kombination von beidem. Leider müssen wir erneut auf das Geld zurückkommen aber es stimmt, dass gute Talente manchmal unentdeckt bleiben, da sie nicht die Sponsoren finden, um die Leiter hinaufsteigen zu können."

Frage: "Welche Rolle verfolgt Gian Carlo Minardi im Moment eigentlich genau?"
Stoddart: "Seine wahre Position ist im Moment jene des Direktors des Unternehmens und sein Verantwortungsbereich als Direktor beinhaltet auch den Generalmanager der Fabrik in Faenza. Aber er ist auch für das Fahrerprogramm verantwortlich und erfüllt verschiedene kommerzielle Rollen auf unterschiedlichen Gebieten ? Russland ist eines davon. Er macht also einen großartigen Job und erfüllt verschiedene Rollen."

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