• 10.10.2003 14:38

Stoddart: "Es ist wirklich traurig"

Minardi-Teamchef Paul Stoddart über die Änderungen für die Saison 2004, Sponsorenprobleme und die Zukunft des Minardi-Teams

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wir haben alle die Pläne für den Ablauf der Formel-1-Wochenenden für das nächste Jahr gesehen. Darin steht jedoch nichts über die Hilfe für kleine Teams, keine Kostenreduktion, kein Wettkampf am Freitag. Wir hatten in diesem Jahr eine fantastische Meisterschaft, und es gibt einem ein Gefühl von 'warum etwas ändern, wenn es nicht kaputt ist'? Was denkst du über diese Änderungen? Und könnte es in diesem Zusammenhang zu neuen Grauzonen kommen?"
Paul Stoddart: "Könnte es. Aber zurück zur ersten Frage: Es ist sehr traurig. Im letzten Jahr wurde uns eine langweilige Meisterschaft angelastet. In diesem Jahr sind beide Meisterschaften eng umkämpft. Wir befinden uns in der Situation, dass sich die Formel 1 innerhalb von zwölf Monaten geändert hat, und wir gehen hin und ändern wieder alles. Im letzten Jahr wurde viel über Initiativen für die kleinen Teams geredet. Der größte Nachteil sind unsere Budgets, und die zwei Stunden am Freitagmorgen haben den kleinen Teams enorm geholfen."

Titel-Bild zur News: Minardi-Teamchef Paul Stoddart

Minardi-Teamchef Paul Stoddart ist von den Änderungen enttäuscht

"Nun soll es wieder abgeschafft werden. Die neue Regel hilft wiederum nicht wirklich. Klar, die schlechtesten sechs Teams dürfen einen dritten Fahrer einsetzen, wenn sie es wollen, aber da gibt es einige Probleme, eine Superlizenz zum Beispiel. Der japanische Fahrer, der heute einen Jordan fuhr, dürfte das unter den neuen Regeln wahrscheinlich nicht. Zwei der Fahrer, die in diesem Jahr bei uns im Einsatz waren, dürften nach diesen Regeln nicht mitfahren. Das macht all die Ziele kaputt, die wir uns im letzten Jahr gestellt hatten. Dem Heathrow-Abkommen beizutreten war für viele Teams die richtige Wahl, und es ist wirklich sehr traurig, dass das verschwinden wird."

Warnung an nicht zahlende Sponsoren

Frage: "Die Meisterschaft ist in diesem Jahr eng umkämpft. Woran liegt das? An den neuen Regeln, oder ist das eine normale Entwicklung?"
Stoddart: "Die neue Punkteregelung dürfte einen Ausschlag gegeben haben, speziell für Michael (Schumacher). Das Qualifying? Ich weiß es nicht, vielleicht ist es interessanter, auch für die Teams. Die Strategie ist wichtig, heute vielleicht weniger als noch zu Beginn der Saison."

Frage: "Auf den Bargeboards von Minardi ist ein Aufkleber 'nicht bezahlt' über einem eurer Sponsoren zu sehen? Kannst du uns erklären warum?"
Stoddart: "Das ist eine traurige Geschichte. Viele wissen, dass wir am Anfang der Saison 40 Prozent unseres Budgets durch ein Problem mit einem Sponsor (Gazprom; Anm. d. Red) ohne eigene Schuld verloren. Mit ein oder zwei weiteren hatten wir im Laufe des Jahres auch Probleme. Der angesprochene Sponsor zahlt trotz wiederholter Aufforderung und geplatzten Schecks nicht. So habe ich entschieden, das da drauf zu kleben, um zu erklären, dass man keine Verträge abschließen sollte, wenn man sie nicht erfüllen will."

Übernahme des Minardi-Teams ist unwahrscheinlich

Frage: "Hat die Gruppe der italienischen Investoren, die angeblich Anteil von Minardi übernehmen wollen, schon euer Werk besucht?"
Stoddart: "Gute Frage. Du kannst es mir ja erzählen, wenn du es weißt. Bei den meisten Teams gibt es eine 'Silly Season' in Bezug auf die Fahrer. Bei Minardi und Jordan scheint es eine über Investoren und Besitzverhältnisse zu geben. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wenn ein Deal in Aussicht ist, der Minardi weiter voran bringen könnte, ich daran interessiert wäre. Bisher waren die Angebote jedoch nur Zeitverschwendung. Ein oder zwei ernste Leute gab es, aber aus dem einen oder dem anderen Grund ist es dann daraus nichts geworden. Derzeit finden keinerlei Gespräche in dieser Richtung statt, wir bereiten uns einfach auf das nächste Jahr vor."

Frage: "Ihr habt nun einige Vergleichstests zwischen eurem Auto und dem gekauften Arrows durchgeführt. Wie ist da die derzeitige Situation?"
Stoddart: "Zwei Tests sind wir bisher gefahren, und einige Ergebnisse waren ziemlich beeindruckend. Es wird wohl dahin gehen, dass wir am Ende ein Auto haben, das von beiden das Beste geerbt hat. Wir haben sicher einiges vom Arrows-Chassis gelernt, mussten aber feststellen, dass ein Jahr in der Formel 1 eine lange Zeit ist. Viele dachten wohl, dass das Arrows-Chassis einfach ein Minardi werden würde, das aber ist nicht der Fall. Vielleicht haben unsere Jungs trotz des kleinen Budgets einen besseren Job gemacht, als ich ihnen zugetraut habe."

Ecclestone und Minardi: Kein Geld, aber viel Hilfe

Frage: "In Kanada hat Bernie Ecclestone gesagt, dass er in dein Team investieren würde. Hast du einen Scheck oder etwas Ähnliches von ihm bekommen? Wie hat sich die Beziehung mit ihm entwickelt?"
Stoddart: "Das sind aber heute gute Fragen hier. Bernie Ecclestones Einfluss hat dem Team bereits geholfen. Ich kann sagen, dass Minardi, auch wenn er bisher kein Geld in das Team investiert hat, seine Position seit Kanada bezüglich der Sponsoren und der Finanzen verbessert hat. Das ist wahrscheinlich auch der beste Weg. Es hat keinen Schaden angerichtet, dass Bernie im Hintergrund war, vielleicht für die Zukunft, aber sicher nicht jetzt. Aber leider hat auch er keinen Einfluss auf nicht zahlende Sponsoren, aber ich wünschte er hätte sie."

Frage: "Gibt es eine Möglichkeit, dass Bernie mehr Interesse am Team hegt?"
Stoddart: "Ich denke nicht. Viel spannender ist es, das Ergebnis der GPWC zusammen mit den Banken oder das eines neuen Concorde-Agreements abzuwarten. Daraus finanzieren sich die Teams wie Minardi und Jordan. Es wird auch die Zeit kommen, in der sich die Sponsorenlage wieder verbessern wird, aber das steht wohl nicht unmittelbar bevor."

Hilfe für die kleinen Teams? Fehlanzeige

Frage: "Zu Beginn der Saison sprachst du in einer Pressekonferenz davon, dass den kleinen Teams geholfen werden sollte. Zur Mitte der Saison sagtest du es wieder, und heute nun ein weiteres Mal. Hilft denn überhaupt einer den kleinen Teams?"
Stoddart: "Ein einem Wort? Ich denke, dass die Antwort bekannt ist. Nein. Ganz fair ist das nicht, denn wir hatten in diesem Jahr schon etwas Hilfe. Es war aber nicht der Fighting Fund oder etwas anderes von dem, was am 15. Januar beschlossen wurde. Dafür gibt es aber Gründe, und ich denke, dass es langfristig sowieso nur die Lösung eines neuen Concorde-Agreements geben kann. Es ist nicht einfach am Ende der Startaufstellung, aber das ist mein Problem. Wir stehen ganz hintern, weil wir nicht gut genug darin waren, neue Sponsoren anzuziehen ? das nehme ich jedenfalls an. Es wäre dennoch schön gewesen, wenn der komplette Fighting Fund gekommen wäre."

Frage: "Haben sich die Banken und die Autohersteller schon einigen können? Ist eine Einigung nah oder fern?"
Stoddart: "Soweit ich weiß war man kurz vor einer Einigung, die dann aber nicht zustande kam. Aber was heißt kurz- oder langfristig? Ich würde gerne optimistisch sein, dass es in diesem Jahr noch dazu kommt, aber ich muss realistisch sein. Ich hoffe inständig, dass es früh im nächsten Jahr passiert."

Frage: "Wenn das neue Wochenendformat kommt, dann wird die Strecke in der ersten Stunde noch für alle schmutzig sein, weil es keine 'Straßenfeger' wie bei den jetzigen Testfahrten gibt."
Stoddart: "Es ist wirklich traurig. Wir haben einen Teil der Show am Freitag verloren. Der für mich beste Moment der Saison war der Freitag in Magny Cours, es war die Hauptnachricht in den Sechs-Uhr-Nachrichten in den Niederlanden. Ich kann nicht glauben, dass dies jetzt weg soll. Es war nichts falsch mit dem Format. Nun wurde des geändert, und der Grund dafür muss mir noch genannt werden."

Stoddart: Neue Regeln werden nichts helfen

Frage: "Macht die Formel 1, durch TV-Rechte und andere Aktionen, Geld am Freitag?"
Stoddart: "Ich sehe, dass Patrick (Head) den Kopf schüttelt, aber beim Treffen der Formel-1-Kommission wurden Zahlen vorgelegt, die belegen, dass es in Großbritannien wichtig war. Die Einschaltquoten waren gut. ITV, denke ich, hat es am Freitagabend wiederholt."

Frage: "In welcher Weise sollen die neuen Regeln der Formel 1 helfen?"
Stoddart: "Gar nicht. Sie tun es einfach nicht. Es spart kein Geld, und es zerstört den Vorteil, den die kleinen Teams hatten. Die Entscheidung war ja auch nicht einstimmig."

Frage: "Wer wird nach diesem Rennen in den Meisterschaften ganz vorn liegen?"
Stoddart: "Michael (Schumacher) wird die Fahrerweltmeisterschaft gewinnen. Ich würde mir wünschen, dass Williams die Herstellerwertung für sich entscheiden kann, aber ich denke, dass wird Ferrari schaffen."