• 08.03.2006 17:12

  • von Adrian Meier

Stefano Domenicali über die neuen Regeln für 2006

Der Ferrari-Teammanager erklärt die Regeländerungen für die kommende Saison und erläutert Auswirkungen auf Herangehensweise und Rennstrategie

(Motorsport-Total.com) - Die Saison 2006 bringt einige tief greifende Regeländerungen mit sich. Die größte Änderung im technischen Reglement ist die Umstellung von 3,0-Liter-V10- auf jetzt 2,4-Liter-V8-Motoren, die jedoch nach wie vor zwei Rennwochenenden eingesetzt werden müssen. Im sportlichen Teil stellt vor allem das neu eingeführte Qualifying-Format eine große Veränderung dar. Daneben wurden auch Reifenwechsel wieder erlaubt. Ferraris Teammanager Stefano Domenicali erklärt die Änderungen sowie deren Auswirkungen auf die Herangehensweise der Teams.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali

Stefano Domenicali erläutert die Regeländerungen für die Saison 2006

"Bei der Reifensituation werden wir jetzt sieben Reifensätze für trockene Bedingungen mit zwei unterschiedlichen Spezifikationen haben, die wir über das Wochenende einsetzen dürfen", beginnt Domenicali seine Erläuterungen. "Ab jetzt muss dabei nicht mehr zu einem bestimmten Zeitpunkt formell eine Reifenspezifikation benannt werden, so wie das bisher der Fall war. Allerdings müssen wir im kompletten Qualifying und Rennen die gleiche Spezifikation verwenden."#w1#

Die Parc-Fermé-Regeln bleiben in den Bereichen, in denen es um die Arbeit am Auto selbst geht, im Wesentlichen gleich. Allerdings gibt es Änderungen in den Bereichen Reifen und Spritmenge: "Die Regeln, die die Spritmenge betreffen, sind unterschiedlich, weil sie jetzt mit der Qualifying-Prozedur verknüpft sind", analysiert Domenicali, "und bei den Reifen, weil man im Rennen jetzt so viele Reifensätze nutzen kann, wie man möchte."

Komplexe neue Qualifikations-Regeln

Den Ablauf der Qualifikation erklärt Domenicali, der seit 1991 für Ferrari arbeitet, ebenfalls: "Das Qualifying ist in drei Abschnitte unterteilt: Der erste Teil dauert 15 Minuten, gefolgt von einer fünfminütigen Pause, dann der zweite Teil mit ebenfalls 15 Minuten, wieder gefolgt von fünf Minuten Pause, und dann schließlich der Schlussabschnitt mit 20 Minuten Dauer. Im ersten Abschnitt werden alle 22 Fahrzeuge auf der Strecke sein, danach nehmen die sechs langsamsten nicht mehr an der Session teil. Die gleiche Prozedur wiederholt sich dann im zweiten Teil", erläutert der Italiener den Ausscheidungsmodus. "Am Ende dieser zwei Abschnitte belegen diese zwölf Autos dann die letzten Startplätze."

In diesen ersten beiden Teilen darf noch mit einer beliebigen Spritmenge gefahren werden. Normalerweise werden die Fahrer also mit relativ leerem Tank auf die Strecke gehen, um eine möglichst schnelle Zeit erzielen zu können. Auch die Anzahl der verwendeten Reifen oder eine maximale Rundenzahl ist nicht vorgeschrieben. "Dann vor dem Start des dritten Abschnitts mit den letzten zehn Autos gelten jedoch wieder die vorgeschriebenen Restriktionen in Bezug auf die Spritmenge", äußert sich Domenicali zum letzten Teil der Qualifikation. "Weil die Zeit zwischen den drei Teilen der Session so knapp bemessen ist, wird es erlaubt sein, mit der normalen Renn-Betankungsanlage Sprit nachzufüllen."

FIA errechnet die nachzufüllende Spritmenge

"Die Spritmenge, die man im letzten Abschnitt der Qualifikation verbraucht, bekommt man wieder zurück." Stefano Domenicali

"Das jetzige System sieht vor, dass man die Spritmenge, die man im letzten Abschnitt verbraucht, wieder zurückbekommt, so dass man dann am Sonntag mit der gleichen Spritmenge ins Rennen geht, mit der man am Samstag auch den letzten Teil der Qualifikation begonnen hat" erklärt der Italiener die Sprit-Regeln. "Das wird nach einer Formel kalkulieret, die die FIA zu Beginn des Rennwochenendes bekannt gibt. Die FIA wird dabei eine Schätzung machen, wie viele Kilogramm Sprit man für eine Runde zurückbekommt. Wenn also man annimmt, dass ein Auto im letzten Teil des Qualifyings zehn Runden gefahren ist und die FIA festlegt, dass auf dieser Strecke drei Kilogramm pro Runde benötigt werden, dann muss man am Sonntagmorgen im Parc Fermé insgesamt 30 Kilogramm Sprit nachfüllen", beendet Domenicali seine Ausführungen zum Ablauf der Qualifikation.

Viele Experten halten das System für sehr kompliziert und schwer durchschaubar. Auf jeden Fall bringt der neue Modus wieder einige Überraschungsmomente mit sich, da die Autos mit verschiedenen Spritmengen in den letzten Qualifikationsteil starten und aufgrund der unterschiedlichen Anzahl Runden die Nachtankmenge variiert. Auch werden die Motoren je nach Rundenzahl bei den einzelnen Autos ungleich belastet.

Neues Format aufregender?

"In den ersten beiden Abschnitten des Qualifyings könnten schnellere Zeiten gefahren werden als die Pole Position." Stefano Domenicali

Domenicali glaubt, dass das neue Format aufregend werden wird, solange es den Zuschauern gut erklärt wird. "Andernfalls wird sehr schwierig zu verstehen sein, was da vor sich geht, vor allem wenn man in Betracht zieht, dass die Autos, die nach den ersten beiden Abschnitten ausgeschieden sind, mit einer minimalen Spritmenge unterwegs waren und somit eventuell im ersten und zweiten Teil der Qualifikation schnellere Zeiten gefahren haben könnten als die spätere Pole Position", sieht er jedoch durchaus auch großes Verwirrungspotenzial.

"Aber es sollte wesentlich spektakulärer sein, schließlich ist es lange her, als das letzte Mal alle Fahrer gleichzeitig zur Qualifikation auf der Strecke waren, und ich bin mir sicher, dass es da einige interessante und kontroverse Momente geben wird", beendet der Ferrari-Angestellte seine Qualifying-Analyse.

Auswirkungen auf die Rennstrategie

Die veränderten Regeln werden sich laut Domenicali auch auf die Rennstrategie auswirken, die die Teams 2006 anwenden werden. "Die zwölf Autos am Ende der Startaufstellung dürfen am Sonntag, wenn der Start um 14:00 Uhr ist, bis 12:30 Uhr so viel Sprit nachfüllen wie sie möchten. Sie können dann die Leistungen, die sie bei den zehn Autos in den Top 10 der Startaufstellung beobachten konnten, als Basis für ihre Spritkalkulationen heranziehen, da diese Fahrer mit ihren Renn-Spritmengen unterwegs waren", erläutert Domenicali einen ersten Effekt.

"Im ersten und zweiten Teil der Rennen werden wir ein sehr durcheinander gewirbeltes Feld haben." Stefano Domenicali

"Das bedeutet, dass wir ein sehr durcheinander gewirbeltes Feld im ersten und zweiten Teil der Rennen haben werden", beschreibt er die Auswirkung der verschiedenen Strategien. Darüber hinaus gibt es noch einen zweiten Unterschied bezüglich der Strategie in der vergangenen Saison. "Die Möglichkeit, im Rennen wieder Reifen wechseln zu können, ist ein sehr wichtiger Einflussfaktor auf die Strategie", erklärt Domenicali hierzu.

"Man könnte sich dazu entscheiden, eine sehr aggressive Strategie zu wählen, wenn man gute Reifen hat, und meiner Meinung nach wird das die Qualität des Rennens verbessern", hofft der Italiener. "Ohne Reifenwechsel musste man mit den Reifen anders haushalten. Jetzt können wir wieder wechseln, wann wir wollen. Und je nachdem wie viele Reifen man noch zur Verfügung hat, kann man so aggressiv fahren wie man möchte. Ich bin mir sicher, dass das die Show verbessern wird", meint Domenicali abschließend.