• 21.07.2012 20:55

  • von Dieter Rencken

Senna: "Wenn du im falschen Fenster bist..."

Bruno Senna hadert nach dem Qualifying in Hockenheim mit dem schmalen Temperaturfenster der Pirelli-Reifen und hofft auf "ein paar Punkte" im Rennen

(Motorsport-Total.com) - Williams-Pilot Bruno Senna hielt im bisherigen Verlauf des Hockenheim-Wochenendes bei trockenen Bedingungen gut mit Teamkollege Pastor Maldonado mit. Im ersten Teil des Qualifyings wurde der Brasilianer auf seiner schnellsten Runde aufgehalten. Im zweiten Durchgang wurde er auf dem falschen Fuß erwischt. Das knappe Temperaturfenster der Reifen machte ihm zu schaffen.

Im Interview spricht Senna über seine Leistung im Qualifying, über seine Erwartungen für das Rennen und die zweite Saisonhälfte sowie seine Einschätzung seiner bisherigen Performance als Williams-Pilot.

Titel-Bild zur News: Bruno Senna

Bruno Senna hatte sich vom Qualifying mehr erhofft als Rang 16

Frage: "Bruno, wie lief das Qualifying aus deiner Sicht?"
Bruno Senna: "Nun, es war im Grunde eine Lotterie. So ist das immer bei derart wechselhaften Bedingungen. Auf Intermediates war der Abstand zwischen Pastor und mir sehr gering. Mit den aktuellen Pirelli-Reifen können aber schon die geringsten Unterschiede große Auswirkungen auf die Rundenzeiten haben. Das bedeutet, wenn du einmal im falschen Fenster bezüglich der Reifen bist, findest du dich nirgendwo wieder. Selbst Rosberg war heute hinter mir und auch Grosjean, der gestern im Regen schnell war, fand sich heute im Nirgendwo wieder. In einer Situation wie heute spielt das Glück eine größere Rolle als das Fahren selbst. Bist du im richtigen Temperaturfenster der Reifen, dann bist du auch schnell."


Fotos: Bruno Senna, Großer Preis von Deutschland, Samstag


Frage: "Es gibt also auch bei den Intermediates ein Temperaturfenster?"
Senna: "Ja, bei den Pirelli-Reifen gibt es derzeit immer ein Temperaturfenster. Ich will nicht nach Ausreden suchen, aber manchmal musst du einfach akzeptieren, dass das Fenster sehr klein ist. Es muss alles passen, um halbwegs mithalten zu können."

Frage: "Das heißt: Das Wichtigste ist im Grunde, nicht überstürzt zu reagieren und umfangreiche Veränderungen am Auto vorzunehmen?"
Senna: "Es gab für uns keinen Grund, irgendwas am Auto zu verändern. Unser Fahrzeug war im Trockenen sehr schnell. Wenn man bedenkt, dass ich meine schnellste Runde auf den Option-Reifen in Q1 nicht zu Ende bringen konnte, weil ich Verkehr hatte, dann ist Platz elf im ersten Durchgang nicht schlecht. Im Auto steckten durchaus noch zwei, drei Zehntelsekunden. Das hätte mich in die direkte Nähe von Pastor gebracht. Aus diesen Erkenntnissen ziehe ich meine Hoffnung für das Rennen. Von der Position, von der ich das Rennen aufnehme, sind aber anstatt zwölf oder zehn WM-Punkten eher einer oder maximal deren zwei realistisch. Es ist ja nicht so, dass wir es im Rennen mit langsamen Autos zu tun hätten."

Frage: "Mit einer Platzierung am unteren Ende der Top 10 wärst du also morgen zufrieden?"
Senna: "Wenn es uns gelingt, ein paar Punkte mitzunehmen, wäre das ein gutes Ergebnis für uns. Natürlich kann immer alles passieren. Unterm Strich geht es darum, das Bestmögliche herauszuholen. Wir waren in diesem Jahr schon mehrfach in schwierigen Situationen und brachten trotzdem vernünftige Rennen zustande. Ich würde sagen, wir haben mehr Punkte verdient, als wir bisher eingefahren haben."

Frage: "Pastor fuhr eigener Aussage zufolge keine Longruns im Training. Wie sieht es bei dir aus?"
Senna: "Bei mir verhält es sich genauso. Ich fuhr ebenfalls keine Longruns. In puncto Reifenmanagement war unser Auto in diesem Jahr immer sehr gut. Wir sollten daher auch diesmal über die Distanz gut aufgestellt sein. Es ist eher eine Frage, wie hart du als Fahrer die Reifen beanspruchst. Sollte die Wettervorhersage stimmen, dann werden die Temperaturen morgen deutlich höher sein als bisher an diesem Wochenende. Das wird einige Leute überraschen."

Frage: "Glaubst du, dass Williams in puncto Weiterentwicklung in der zweiten Saisonhälfte mit den anderen Teams mithalten kann?"
Senna: "Ja, wir haben noch ein paar Sachen in der Hinterhand. Das stimmt mich zuversichtlich. Ich weiß, dass das Team in Bezug auf die Zukunft große Anstrengungen unternimmt, denn es ist sehr wichtig, auch künftig eine gute Performance abzuliefern. Auch wenn einige andere Teams größere Schritte als wir gemacht haben, so entwickeln wir uns als Team dennoch in die richtige Richtung. Wir sind nach wie vor wettbewerbsfähig und brauchen keine Angst vor der Zukunft haben."

Frage: "Bist du nach deiner ersten Saisonhälfte in einem der größeren Teams zufrieden?"
Senna: "Ich erkenne einen großen Unterschied zum vergangenen Jahr, wenn es um meine Performance in den Qualifyings und den Rennen geht. Im vergangenen Jahr hatte ich im Rennen oft Probleme. In diesem Jahr ist das Qualifying mein Schwachpunkt. Das liegt meiner Meinung daran, dass die meisten Fahrer diese Art des Qualifyings über Jahre gewohnt sind. Bei mir ist das anders. Mit meinen Vorstellungen im Rennen bin ich zufrieden. Ich habe wenige Fehler gemacht. Der eine oder andere schleicht sich immer ein, aber das geht allen Fahrern so. Wenn ich weiterhin starke Rennen zeigen kann, bin ich mir sicher, dass ich in diesem Jahr noch einige WM-Punkte einsammeln werde. Das muss mein Ziel sein."