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Sebastian Vettel: "Die letzten zwei Kurven nur noch Abenteuer"

Wie Sebastian Vettel den "Höhenflug" von Aston Martin in Austin erlebt hat und was er zum Duell mit Kevin Magnussen um Platz acht in der letzten Rennrunde sagt

(Motorsport-Total.com) - In Runde 42 noch abgeschlagen auf Platz 13, im Ziel nach 56 Runden starker Achter: Sebastian Vettel hat beim USA-Grand-Prix 2022 in Austin ein Rennen mit Höhen und Tiefen erlebt, wurde am Ende sogar zum "Fahrer des Tages" gewählt. Aber eigentlich war noch mehr drin für den viermaligen Formel-1-Weltmeister als das Ergebnis vermuten lässt.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel im Aston Martin AMR22 beim Formel-1-Rennen in Austin 2022

Sebastian Vettel im Aston Martin AMR22 beim Formel-1-Rennen in Austin 2022 Zoom

Deshalb hat Vettel nach dem Rennen "gemischte Gefühle", wie er in seiner Medienrunde betont. Er sagt weiter: "Wir haben noch ein paar Punkte gerettet und diese Punkte sind das Positive. Außerdem waren wir ziemlich stark im Rennen."

In der Tat: Von Startplatz zehn kommend fuhr Vettel dank eines guten Starts gleich in der ersten Runde auf Position fünf nach vorne, hielt sich lange in den Top 6 und führte nach zwei Dritteln sogar ganz kurz den Grand Prix an, weil er seinen zweiten Boxenstopp lange hinauszögerte. Dabei erzielte Vettel seine 3.500. Führungsrunde in der Formel 1.

Vettel schmunzelt und meint: "Ich kann mich gar nicht an das letzte Mal erinnern, dass ich in Führung lag. Ich schätze, es liegt eine Weile zurück." Aber gar nicht so lange, wie Vettel vielleicht denkt: 2021 führte Vettel kurzzeitig im Aserbaidschan-Grand-Prix in Baku, den er schließlich auf P2 beschloss. (Mehr dazu in der Formel-1-Datenbank!)

Was beim Boxenstopp von Vettel passiert ist

In Austin hätte es 2022 zwar wahrscheinlich nicht für ein weiteres Podestergebnis gereicht, laut Vettel aber für einen "lockeren sechsten Platz", wenn ihm da nicht ein verpatzter Reifenwechsel dazwischengekommen wäre. "Dieser Stopp hat unser Rennen verhauen", sagt Vettel im 'ORF'.

Was genau schiefgelaufen ist beim Service in Runde 41: "Wir hatten da ein Problem mit dem Radheber oder dem vorderen Wagenheber, das Auto wieder hochzuheben. Da musste dann der Ersatz kommen und das hat alles ein bisschen lang gedauert", erklärt Vettel. Er verbrachte gut 15 Sekunden mehr in der Boxengasse als die Kollegen mit normalen Reifenwechseln.

Das aber ließ Vettel nicht ausrasten: Der Aston-Martin-Fahrer bewahrte die Ruhe. "Da kann man nicht viel machen", sagt er bei 'Sky'. "In dem Moment muss man Geduld haben und warten. Also habe ich gewartet, ziemlich lange. Ich sah die anderen an mir vorbeigehen. Und es gab dann noch ein bisschen Verwirrung, was uns eine weitere Sekunde gekostet hat."


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Einen Vorwurf macht Vettel seinem Team nicht: "So etwas darf nicht passieren, soll nicht passieren, aber es ist passiert. Wichtiger ist für das Team, dass wir etwas daraus lernen."

Er selbst habe in diesem Moment nur gedacht: "Mal schauen, wo ich rauskomme." Es war Platz 13 und damit außerhalb der Top 10, aber immerhin noch auf Tuchfühlung zu den Fahrzeugen davor.

Vettel startet eine Aufholjagd von Platz 13 aus

Und dann startete Vettel eine sehenswerte Aufholjagd, die ihn binnen weniger Runden noch an fünf Autos vorbeibrachte. In dieser Phase sei ihm "total" das Herz aufgegangen, räumt der Deutsche ein. Es sei für ihn noch ein "unterhaltsames Rennen" geworden mit einigen Zweikämpfen.

Vettel schnappte sich der Reihe nach Guanyu Zhou im Alfa Romeo, Yuki Tsunoda im AlphaTauri, Alexander Albon im Williams und profitierte von einem späten Boxenstopp bei Esteban Ocon im Alpine. In der letzten Rennrunde schließlich legte sich Vettel noch mit Kevin Magnussen im Haas an und entschied auch dieses Duell für sich - in der vorletzten Kurve.

Vettel schwärmt: "Natürlich geht es dahinten ein bisschen um die goldene Ananas, um ein paar Punkte, aber für uns sind das viele Punkte. Und ich wusste, dass ich schneller bin [...], hatte die frischeren Reifen."

Wie sich Vettel an den Gegnern "vorbeigeboxt" hat

Er habe sich deshalb an seinen Vorderleuten "vorbeigeboxt", sagt Vettel. Begründung: "Wir kamen eigentlich gar nicht so richtig ran auf der Geraden und ich musste dann irgendwo da überholen, wo man normal nicht überholt. Ich musste etwas Ungewöhnliches probieren, entweder auf der Bremse oder an einer ungewöhnlichen Stelle auf der Strecke."

Nach einigen erfolgreichen Manövern lag kurz vor Schluss noch Magnussen in seiner Reichweite. "Das war der Höhepunkt", meint Vettel. "Er ist einer der schwierigsten Fahrer, den man überholen kann. Er hat gerade genug Platz gelassen und es war sehr unterhaltsam für uns beide."

Kevin Magnussen, Sebastian Vettel

Kevin Magnussen und Sebastian Vettel klatschen ab nach dem Rennen in Austin Zoom

Vettel gibt an, im Duell mit Magnussen "vorsichtig" gewesen zu sein. Ganz ohne Risiko aber sei es nicht gegangen, denn ihm "gingen die Kurven aus", so Vettel.

Prompt wurde es haarig: "Ich kam auf den Dreck, habe alle vier Räder blockiert, das Auto ging mir weg auf der Bodenwelle vor Kurve 19. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Kurve kriegen würde, aber es hat gereicht. Die letzten zwei Kurven [waren] nur noch Abenteuer." Und Vettel blieb um 0,480 Sekunden vor Magnussen.

"Natürlich: Ich bin um P8 gefahren und nicht um Platz eins, zwei oder drei. Ich hatte aber trotzdem meinen Spaß", sagt Vettel.

Wie sich Vettel die Aston-Martin-Form erklärt

Erklären kann er sich die ausgezeichnete Form von Aston Martin in Austin "eigentlich nicht", wie er meint: "Wir haben die Reifen gut geschont. Das ist meiner Meinung nach aber nicht der Hauptfaktor. Es war eine völlige Überraschung, schneller zu sein als McLaren und Alpine in diesem Rennen." Vettel räumt ein im 'ORF': "Wir hatten nicht damit gerechnet."

Ob man dann nicht mehr aus dem guten Speed hätte machen müssen? Vettel schmunzelt wieder und sagt: "Das ist eine sehr deutsche Sichtweise. Aber ich stimme zu: Ohne den missglückten Boxenstopp hätten wir doppelt so viele Punkte geholt. Im Gegenzug hatte ich ein unterhaltsames Rennen am Ende und wir haben noch ein paar Punkte gerettet."

"Das sind immerhin auch vier Punkte, aber natürlich wäre die doppelte Ausbeute heute wichtig gewesen im Hinblick auf die Konstrukteurswertung. Auch, dass Lance [Stroll] ausgeschieden ist, war nicht ideal." Vettels Teamkollege bei Aston Martin schied nach einer selbst verschuldeten Kollision mit Fernando Alonso im Alpine vorzeitig aus.


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Der USA-Grand-Prix 2022 werde ihm dennoch in Erinnerung bleiben, sagt Vettel. "Solche Momente werde ich vermissen. Das ist kein Geheimnis."

Zweifel an seinem angekündigten Formel-1-Rücktritt zum Saisonende kämen bei ihm aber nicht auf. Denn: "Ich habe lange und gut über die Entscheidung nachgedacht und auch über die Momente, die mir fehlen werden, das Adrenalin und dergleichen. Ein Teil von mir wird all das vermissen, ein anderer Teil freut sich auf das, was kommt. Meine Entscheidung steht."