Schumacher: "Wir sollten auf dem Teppich bleiben"
Michael Schumacher im ausführlichen Interview über die Rascasse-Affäre und die morgige 'GPDA'-Sitzung, das Rennen in Silverstone und die Fußball-WM
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, wie sehr magst du die Strecke in Silverstone oder wie sehr magst du sie eben auch nicht? Was soll an diesem Wochenende geschehen?"
Michael Schumacher: "Generell gehe ich davon aus, dass wir konkurrenzfähig sind. Das waren wir die letzten Male auch. Es gibt keinen Grund, der dagegen spricht. Wir hatten einen guten Test in Barcelona. Insofern bin ich guter Dinge."

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Michael Schumacher will die Ereignisse von Monaco endlich hinter sich lassen
Frage: "Beginnt jetzt das Unternehmen, die 21 Punkte Rückstand in der Weltmeisterschaft aufzuholen?"
Schumacher: "Ja. Es ist nun mal jetzt so. Damit werden wir zurechtkommen und entsprechend attackieren. Ich freue mich auf dieses Rennen. Wir stießen beim Test in Barcelona auf die Probleme, die wir im Rennen dort hatten, und wir fanden Lösungen dafür. Renault war beim Test auch stark, aber ich sehe keinen Grund, weshalb wir nicht um den Sieg mitfahren sollten. Ich glaube, dass wir überall gewinnen können, aber wir müssen ja auch mehr als zwei Punkte pro Rennen aufholen. Irgendwann wird uns das gelingen."#w1#
Schumacher hinsichtlich der Reifen zuversichtlich
Frage: "Was für ein Gefühl hast du hinsichtlich der Reifen?"
Schumacher: "Wir sehen auf der Reifenseite sehr gut aus. Ich habe das Gefühl, dass Bridgestone einen guten Schritt nach vorne gemacht hat."
Frage: "Ist es ein Nachteil, dass Ferrari im April nicht mit den anderen Teams in Silverstone getestet hat?"
Schumacher: "Das ist nicht wichtig. Es ist hier im Moment viel wärmer als sonst, aber wir haben das in unserer Vorbereitung berücksichtigt."
Frage: "Gerade hier in Silverstone gibt es die Diskussion, dass die Kurvengeschwindigkeiten schon wieder zu hoch werden. Wie siehst du dieses Thema?"
Schumacher: "Das Thema generell muss man schon so sehen, dass man darüber nachdenken muss - und das wird ja auch getan, indem man für die Zukunft über andere Regeln nachdenkt, weil man das Problem erkannt hat. Wenn man bedenkt, dass wir jetzt im Sommer in Barcelona mit dem V8 schon wieder schneller fahren als die Jungs mit dem V10 im Winter, dann muss das ja irgendwoher kommen, denn auf den Geraden sind wir definitiv langsamer geworden. Also können es nur die Kurven sein."
Frage: "Was kann man dagegen tun und was könnt ihr Fahrer als Sicherheitsbeauftragte der Formel 1 unternehmen?"
Schumacher: "Wir können nicht viel dagegenwirken, weil die Situation so ist, dass wir natürlich so schnell wie möglich fahren möchten, aber dass wir an der Sache arbeiten, ist selbstverständlich. Es gibt ständig Kommunikation mit der FIA. Die sieht das Ganze auch so. Andererseits muss man sagen: Obwohl wir in den Kurven schneller sind, kommen wir langsamer bei den Kurven an. Man muss abwägen, wo wir wirklich schneller sind, wo die Risiken waren und wo sie jetzt liegen. Das wird im Moment noch im Detail analysiert."
Schumacher wünscht sich einen vernünftigen Dialog
Frage: "Wie sehr erwartest du, dass bei der morgigen Sitzung der Fahrergewerkschaft über dein 'Parkmanöver' von Monaco gesprochen wird?"
Schumacher: "Es wird sicherlich so sein, dass der eine oder andere darüber sprechen möchte. Das ist auch alles okay, solange das Gespräch in einem vernünftigen Rahmen stattfindet."
Frage: "Glaubst du, dass das möglich ist? Fast alle anderen Fahrer haben ja eine andere Sicht der Dinge als du..."
Schumacher: "Es ist okay, wenn jemand eine andere Meinung hat, es kommt nur darauf an, wie die Diskussion geführt wird. Ich kenne ein paar Spezis, die sicherlich das eine oder andere vorhaben. Andererseits weiß ich, dass die meisten ein ganz anderes Interesse an der Sache haben."
Frage: "Du hast dich in einem anderen Interview für Monaco entschuldigt. Kannst du noch mal klarstellen, wofür du dich entschuldigt hast?"
Schumacher: "Für das, wofür ich mich auch am Sonntag nach dem Rennen schon entschuldigt habe: dass es mir für diejenigen, die ihre Runde damit verloren haben, Leid tut."
Frage: "Du hast gesagt, dass es dir so vorkommt, als würden alle aus ihren Löchern gekrochen kommen und auf dich einhauen. Warum glaubst du, dass die Stimmung im Fahrerlager momentan so ist?"
Schumacher: "Man muss das einschränken: Es gibt sicher die Mehrheit, die versucht, irgendwie auf mich draufzuhauen, aber es gibt auch andere - das sind sicher die, die mir wohl gesonnen sind -, die das vielleicht aus einem anderen Blickwinkel sehen wollen und können. Wer das tut, kann vielleicht auch die Situation erkennen und verstehen. Andere, die das von vornherein nicht wollen, die nutzen das als ihr persönliches Schlachtfeld, um sich auszutoben."
Sichtweise hat sich seit Monaco nicht geändert
Frage: "Siehst du den Zwischenfall mit zwei Wochen Abstand anders als noch in Monaco?"
Schumacher: "Nein, nicht wirklich."
Frage: "Kannst du der breiten Öffentlichkeit in drei, vier Sätzen erklären, was in dem Auto passiert ist? Die Leute haben ja nur die Fernsehbilder und deine Lenkmanöver gesehen und anschließend die vielen Reaktionen gehört."
Schumacher: "Das ist sicherlich richtig. Es gibt aber gewisse Dinge, die man nicht in drei, vier Sätzen erklären kann. Ich muss mich damit abfinden, dass die Leute vielleicht nach wie vor ihre Meinung behalten, aber auf der anderen Seite muss man vor allem mit sich selbst im Reinen sein. Das ist viel wichtiger."
Frage: "Aber ist es nicht schade, dass über dich als siebenfachen Weltmeister, Sportsmann und Hobbyfußballer, der Teamgeist lebt, so geredet wird? Wäre es da nicht klüger, die Dinge einmal zu erklären und sie dann auf sich beruhen zu lassen?"
Schumacher: "Zum einen ist es ja nicht so, und zum zweiten hatte ich den Punkt schon am Samstagabend erreicht, dass ich mir gesagt habe: 'Okay, das Urteil ist gefällt. Ich kann nicht damit leben und fühle mich ungerecht behandelt, aber es gab ja auch schon in der Vergangenheit Situationen, als ich dagegen angegangen bin - und das hat auch nichts geändert.'"
"Also muss ich irgendwann sagen: 'Jungs, lasst uns wieder Rennen fahren und das Ganze vergessen!' Man muss sich die Sache an sich anschauen und im Verhältnis dazu sehen, was daraus gemacht wurde. Ob das alles im Verhältnis steht? Ich persönlich sehe es nicht unbedingt so, andere vielleicht schon. Das kann ich zum Teil verstehen, zum Teil vielleicht auch nicht. Letzten Endes muss man sagen: Das war vor zwei Wochen - und jetzt gucken wir, was die Zukunft bringt."
Frage: "Haben diese Hiebe eine Auswirkung auf deine Entscheidung, ob du nach 2006 weitermachen wirst oder nicht?"
Schumacher: "Ich würde sehr kurzfristig denken, wenn ich es mit dem Weiterfahren oder Aufhören so sehen würde. Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht kurzfristig denke und das nicht an der einen Situation festmachen werde."
Schumacher wird sich nicht bei Kollegen entschuldigen
Frage: "Wirst du dich morgen im Rahmen der Sitzung der Fahrergewerkschaft bei deinen Kollegen entschuldigen?"
Schumacher: "Ich denke, wir sollten auch da ein bisschen auf dem Teppich bleiben. Ich habe mich ja bereits entschuldigt. Ich habe am Sonntag in Monaco gesagt, dass es mir Leid tut, wenn jemand glaubt, dass ich die Rundenzeiten der anderen Fahrer absichtlich kaputt gemacht habe. So ist es nicht gewesen. Mehr als entschuldigen kann ich mich nicht. Wir alle machen irgendwann einmal einen Fehler. So ist es eben. Trotzdem sollte man sich zusammenreißen."
"Wenn jemand will, dass ich auf die Knie falle und um Verzeihung bitte, dann halte ich das für lächerlich. Wenn mir etwas Leid tut, dann das ganze Theater, das daraus gemacht wird. Die Leute sollten sich fragen: Verdient das, was passiert ist, wirklich so eine Reaktion? Ich weiß, dass es viele Leute gibt, die darüber reden und schreiben, denn wir sind in den Medien sehr präsent, aber mit dem Reden können wir es auch nicht mehr ändern. Meiner Meinung nach sollten wir nach vorne schauen. Ich konzentriere mich auf wichtigere Dinge."
Frage: "Wie lange wird dir die Sache deiner Meinung nach noch nachhängen?"
Schumacher: "Ich bin gespannt, ob ich in drei oder vier Rennen, nächstes Jahr, auch noch diese Fragen gestellt bekomme..."
Schumacher erwartet ein 2:1 gegen Costa Rica
Frage: "Wie wird deiner Meinung nach das Eröffnungsspiel der Fußball-WM zwischen Deutschland und Costa Rica ausgehen?"
Schumacher: "Am liebsten gut für uns! Ich habe gehört, dass die Mehrheit der Meinung ist, dass wir 5:0 gewinnen werden. Ich bin mal nicht ganz so optimistisch, aber dass wir gewinnen können, ist sicherlich drin. Es ist etwas Besonderes, eine WM im eigenen Land zu haben, und ich freue mich schon auf das Eröffnungsspiel."
Frage: "Wie sieht dein Tipp ganz konkret aus?"
Schumacher: "Da wir am Anfang immer ein bisschen zurückhaltend sind: vielleicht 2:1."
Frage: "Eben wegen der Fußball-WM steht die Formel 1 an diesem Wochenende nicht so sehr im Rampenlicht wie sonst immer. Wie sehr genießt du das und wie sehr verwundert es dich?"
Schumacher: "Ich denke, das ist selbstverständlich. Alle vier Jahre haben wir eine Weltmeisterschaft, diesmal auch noch in Deutschland. Das ist im Zentrum des Motorsports in Europa - und die Engländer sind natürlich auch extrem fußballbegeistert. Da ist es ganz normal, dass das Interesse an der Formel 1 an diesem Wochenende etwas geringer sein wird."
Frage: "In England ist momentan Wayne Rooneys Fuß das Thema der Nation. Inwieweit bist du besorgt über Michael Ballacks Wade?"
Schumacher: "Ich bin nicht ganz so gut informiert über Ballacks Wade wie die Engländer über Rooneys Fuß..."
Frage: "Erinnerst du dich noch an das erste Spiel bei einer Fußball-WM, das du verfolgt hast? Hast du eine Erinnerung an ein bestimmtes Tor oder dergleichen?"
Schumacher: "Schlechtes Gedächtnis! Ich weiß nicht mehr, wann ich die erste WM gesehen habe. Toni Schumacher war aber immer mein Vorbild."

