• 04.09.2001 15:21

Schumacher: "Müssen das Risiko minimieren"

Michael Schumacher spricht über die Sicherheit in der Formel 1 - Hintergrundwissen zum Monocoque und Reifenstapeln

(Motorsport-Total.com/sid) - Auch zwei Tage nach dem Chaosrennen von Spa dreht sich bei Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher fast alles nur um das Thema Sicherheit. Auch wenn der Brasilianer Luciano Burti den Horror-Unfall in Belgien wie durch ein Wunder nahezu unverletzt überstanden hat, dürfe dies nicht bedeuten, dass man nicht über weitere Verbesserungen nachdenke, schrieb der Ferrari-Star am Dienstag auf seiner Homepage (www.Michael-Schumacher.de).

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Schumacher setzt sich sehr für die Sicherheit in der Formel 1 ein

"In der Formel 1 gibt es keine hundertprozentige Sicherheit, aber wir müssen alles dafür tun, das Risiko so weit wie möglich zu minimieren", sagte Schumacher: "Daher ist es wichtig, dass wir aus der Analyse des Unfalls Erkenntnisse ziehen und die dann auch umsetzen."

Burti hatte bei seinem Einschlag in die Reifenstapel mit Tempo 240 lediglich Prellungen und eine Gehirnerschütterung erlitten. Der Prost-Pilot befindet sich auf dem Weg der Besserung, soll aber noch einige Tage unter Beobachtung in der Uni-Klinik in Liège bleiben.

Wegen Burtis Unfalls habe Michael Schumacher auch keine große Euphorie nach seinem Weltrekord (52. Grand-Prix-Sieg) in Spa verspürt, sondern einfach eine tiefe Zufriedenheit: "Am Abend nach dem Sieg saßen wir mit meinem Vater, seiner Lebensgefährtin und ein paar Freunden zusammen, aber diesmal haben wir nicht sonderlich lange an der Strecke gefeiert. Es ist halt keinem so richtig nach Feiern zumute, wenn man weiß, dass ein paar Kilometer weiter ein Kollege im Krankenhaus liegt."

Aus diesem Grund ist Schumacher "verhältnismäßig früh" zurück nach Kerpen gefahren: "Am Montagmorgen flogen wir zurück nach Hause in die Schweiz, und im Flugzeug kam dann dieses schöne Gefühl der Zufriedenheit bei mir durch. Ich habe an die Siegerehrung gedacht und an die Fans, die da unten standen und jubelten."

Dass ihm der Rekordsieg ausgerechnet in Spa gelungen sei, wo vor zehn Jahren seine einzigartige Formel-1-Karriere begann, habe die Sache abgerundet. Schumacher wehrt sich dagegen, dass er immer wieder als Statistikmuffel bezeichnet wird: "Viele verstehen mich falsch, wenn ich sage, solche Statistiken haben für mich nicht die erste Priorität. Sie denken dann, dass sie mir nichts bedeuten. Aber so ist das dann auch nicht. Diese Bestenliste anzuführen, macht mich logischerweise schon ein wenig stolz. Und natürlich freue ich mich auch riesig darüber. Alles andere wäre doch auch nicht normal."

Hintergrundwissen: Monocoque
Das Monocoque eines Formel-1-Wagens besteht aus hochfestem Kohlefasermaterial und bildet das Herzstück und die Sicherheitszelle der Boliden. Die Sitzröhre, die bei hohen Temperaturen aus Kohlefaserlagen "gebacken" wird, umgibt den Fahrer und kann ihn auch bei schwersten Unfällen schützen.

1981 hatte der französische Star-Konstrukteur John Barnard als erster Kohlefaser eingesetzt, seitdem wurde die Technik immer weiter verfeinert. Erst zu Beginn dieser Saison wurde für das Monocoque zusätzlich eine 2,5 Millimeter dicke Kevlarschicht vorgeschrieben. Damit reagierte man auf Brüche des Monocoques wie bei Michael Schumachers Unfall in Silverstone 1999. Insgesamt sind die Wände des Chassis 3,5 Millimeter dick. Ebenfalls für die Saison 2001 wurde die Länge des Cockpits von 775 auf 850 Millimeter vergrößert, der vordere Fußraum muss ausgepolstert sein. Zudem wurden in den letzten Jahren auch die 75 Millimeter dicken Seitenwände der Fahrercockpits erhöht, um bei Unfällen ruckartige Seitwärtsbewegungen des Kopfes zu verhindern.

Jeder Fahrer muss innerhalb von fünf Sekunden aussteigen können. Ein Monocoque wiegt etwa 55 bis 65 Kilogramm und kostet pro Stück rund 150.000 Mark. Jedes Chassis muss vor dem Einsatz verschiedene Crash-Tests bestehen, ohne Schäden davonzutragen: einen frontalen mit einer Geschwindigkeit von 14 Metern pro Sekunde, einen seitlichen mit 12 Metern pro Sekunde (im Vorjahr 7 Meter pro Sekunde). Die maximale Verzögerung, gemessen an der Brust eines Testdummys, darf 60 g innerhalb von 3 Millisekunden nicht übersteigen.

Dazu wird jedes Monocoque an mehreren Stellen auch statisch belastet. Der Überrollbügel beispielsweise muss seitlich eine Belastung von 5, in Längsrichtung von 6 und vertikal von 9 Tonnen aushalten, wobei die Deformation nicht mehr als 50 Millimeter betragen darf.

Hintergrundwissen: Reifenstapel
Seit den siebziger Jahren werden auf internationalen Rennstrecken Reifenstapel zur Absicherung von Leitplanken oder Begrenzungsmauern eingesetzt. Seit 1981 gehören die Reifen zur Pflichtausstattung von Formel-1-Rennstrecken. Zuletzt wurden 1998 die Bestimmungen verschärft. Für die Reifenstapel gelten folgende Anforderungen und Empfehlungen:

Die Reifenbarriere muss mindestens so hoch sein wie die dahinter liegende Begrenzungsmauer (minimale Höhe ein Meter). Sie besteht aus zwei bis sechs Reihen von Reifen. An der Stelle von Luciano Burtis Unfall in Spa waren es vier Reihen. Für die Barriere werden normale Autoreifen benutzt, die nicht stark abgefahren sein dürfen, weil sie sonst nicht genügend Widerstand bieten. Alle Reifen müssen miteinander verschraubt werden.

In jede Reifenschicht soll ein Plastikschlauch eingelegt werden, der die Flexibilität und Widerstandskraft des Stapels erhöht. Die Schläuche im Durchmesser einer Autofelge sind etwa 13 Millimeter stark und füllen den Hohlraum der Stapel aus. Die Schläuche werden mit Kabeln oder Bändern verbunden. Teilweise wird die Vorderseite der Stapel mit einem etwa 12 Millimeter dicken Gummiband abgedeckt und verstärkt. Es wird vom Boden bis zur Oberkante der Barriere gespannt und an den Seiten direkt an Mauer oder Leitplanke verschraubt.

Bei Michael Schumachers Unfall 1999 in Silverstone waren die aufgestapelten Reifen nicht miteinander verbunden. Deshalb wurden die Reifen zur Seite geschoben und dämpften den Aufprall nicht genügend ab. Schumacher prallte mit 107 km/h gegen die dahinter liegende Mauer und erlitt einen Schien- und Wadenbeinbruch.