• 29.08.2004 20:07

Schumacher: "Jeder Titel fühlt sich anders an"

Der Zweite von Belgien analysiert, warum es heute nicht gereicht hat, und spricht über den historischen siebenten Titel

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, was für ein Tag für dich. Es ist schwierig, mit einem Thema anzufangen. In den ersten Runden bist du ein wenig zurückgefallen. Hatte das damit zu tun, dass die Bridgestones in den ersten Runden gegenüber Michelin Nachteile hatten?"
Michael Schumacher: "Ich denke schon. Es war ein ereignisreicher Tag mit all den Safety-Car-Phasen und den Bedingungen. Es war ziemlich schwierig. Wenn man bedenkt, wo ich am Anfang lag und wo ich jetzt bin, dann sollte ich nur glücklich sein. Wir haben die Weltmeisterschaft geholt, es war ein harter Fight, Kimi ist ein großartiges Rennen gefahren. Ich denke, wir drei, die wir hier sitzen, können froh sein, vor allem auch Rubens, der von so weit hinten wieder auf Platz drei nach vorne gekommen ist. Ein großartiger Tag für uns alle und ich bin erfreut und glücklich. Ehrlich gesagt hätte ich den Titel gerne mit einem Sieg geholt, aber in den entscheidenden Momenten waren wir heute nicht stark genug. So ist das eben. Wir haben dieses Jahr so viele Rennen gewonnen und es war klar, dass irgendwann jemand anders gewinnen würde. Heute ist es passiert, der Bessere hat gewonnen, aber wir sind glücklich mit dem, was wir erreicht haben."

Titel-Bild zur News: Michael und Corinna Schumacher

Ein stiller Sieger: Schumacher wurde zum siebenten Mal Weltmeister

Frage: "Es ist erstaunlich, wie Spa immer wieder zu besonderen Anlässen in deiner Karriere auftaucht, nicht wahr?"
Schumacher: "Ja, das ist wahr. Wenn ich daran denke, was ich schon erreicht habe, wie hier alles begonnen hat und wie ich jetzt eine sehr wichtige Nummer, meine siebente Weltmeisterschaft, erreicht habe, dann ist das schon schön. Es ist der 700. Grand Prix von Ferrari und mein siebenter WM-Titel. Das sind Zahlen genau nach meinem Geschmack."#w1#

"Bin sehr stolz auf das, was ich mit dem Team erreicht habe"

Frage: "Siebenfacher Weltmeister - ist das ein emotioneller Moment?"
Schumacher: "Das Gute ist, dass es jedes Mal anders ist. Ich habe herausgefunden, dass man bei jedem erreichten Erfolg anders empfindet. Was ich heute fühle, ist schwer in Worte zu fassen, aber es ist ganz anders als beim sechsten oder fünften Titel. Es ist so speziell, wir sind hier in Spa, ein Ort, der mir sehr viel bedeutet, und es ist etwas Besonderes, den siebenten Titel im 700. Grand Prix von Ferrari zu erringen. Ich bin sehr stolz auf das, was ich mit dem Team erreicht habe, es ist außergewöhnlich. Das Team hat auch einen tollen Job gemacht, bei Rubens den Flügel gewechselt und ihn in derselben Runde gehalten, wodurch er noch Dritter werden konnte. Natürlich hat ihnen das Safety-Car dabei geholfen, aber das war trotzdem eine tolle Leistung. Sie sind einfach großartig. Das alles macht uns stark und es ist ein fantastischer Moment, um zu feiern. Es sind nicht die großen Gefühlsausbrüche notwendig, wichtig ist, was ich fühle und was ich denke."

Frage: "Nach der ersten Safety-Car-Phase wurdest du von Montoya und Räikkönen überholt. Speziell das Manöver von Montoya war interessant. Wie hast du das gesehen?"
Schumacher: "Er war mir überlegen, denn es hat lange gedauert, bis meine Reifen richtig auf Temperatur kamen. Das Safety-Car war lange draußen und in dem Moment hatten wir Probleme, die Reifen wieder auf Temperatur zu bekommen und der Reifendruck fiel ab, während es den Michelin-Fahrern besser ging. Wir haben das schon oft erlebt und es ist keine Überraschung, speziell bei schwierigen Bedingungen, wie sie auf dieser Strecke herrschen. Noch dazu war ich auf den harten Reifen, was natürlich nicht geholfen hat. Für das Rennen war das wegen der Konstanz an und für sich ideal, aber wir haben nicht mit drei oder vier Safety-Car-Phasen gerechnet. Allerdings war ich während des Rennens schon weit zurück und auch Rubens musste sich von hinten nach vorne kämpfen, daher können wir alle hier, auch Kimi, sehr glücklich sein."

Zweiter Boxenstopp musste nicht vorgezogen werden

Frage: "Dein zweiter Boxenstopp kam zeitgleich mit der zweiten Safety-Car-Phase. War das so geplant oder hat dich das Team reingeholt?"
Schumacher: "Nein, wir wären sowieso reingekommen. Wäre es aber nicht so gewesen, hätten wir auch reagieren können, denn ich bekam die Information in Kurve 17, also wäre noch genug Zeit gewesen, um die Strategie anzupassen. Aber wie gesagt, der Stopp war sowieso für diese Runde vorgesehen."

Frage: "Gibt es jemanden, dem du diesen WM-Titel widmen möchtest?"
Schumacher: "Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, Dinge zu widmen, denn es gibt so viele Menschen, die hinter diesem Erfolg stehen. Es wäre unfair, den Titel nur einer Person zu widmen. Ich weiß natürlich, dass unser Präsident am Dienstag Geburtstag hat, und er hat auch großen Anteil daran. Es ist nur angebracht, dass wir ihm die Anerkennung für einen Teil des Titels zusprechen, und sein Anteil daran ist sehr groß. Ich möchte das nur sagen, weil irgendjemand geschrieben hat, dass ich den Titel dem Präsidenten zum Geburtstag widmen würde. Das stimmt nicht, das hat jemand erfunden. Ich weiß nicht, wer es war."

Schumacher verteidigt deutsches Fußball-Nationalteam

Frage: "In Athen gehen heute die Olympischen Spiele zu Ende. Welche Sportarten oder Athleten haben dich besonders beeindruckt?"
Schumacher: "Ich bin sehr beeindruckt von unseren Hockey-Mädchen. Ich habe das Semifinale gesehen und nachher das Resultat gehört, und auch die Handballer waren großartig, dass sie ins Finale gekommen sind. Ich weiß noch gar nicht, ob das Finale schon aus ist oder nicht. Es gab viele emotionelle Momente. Außerdem habe ich gestern die 4x100-Meter-Staffel gesehen, wo die Amerikaner klare Favoriten waren, aber dann gewannen doch die Engländer. Außerdem finde ich es schön, dass viele kleine Nationen, von denen man nicht viel erwartet hätte, große Erfolge feiern konnten, zum Beispiel im Fußball oder im Basketball. Ich sage das speziell in Bezug auf Fußball, denn unser Nationalteam wird so oft kritisiert, aber das Niveau ist international einfach höher geworden und es gibt inzwischen so viele gute Teams."

Frage: "Welcher Reifenhersteller war deiner Meinung nach heute besser?"
Schumacher: "Bridgestone (lacht)."

Frage: "Du wusstest, dass dieser Tag einmal kommen würde, jetzt bist du siebenfacher Weltmeister. Ist es eine große Erleichterung für dich, dass es jetzt entschieden ist?"
Schumacher: "Wie ich vorher schon gesagt habe, fühlt sich jeder Titel anders an. Ich bin glücklich und denke darüber nach, was ich schon alles erreicht habe. Ich bin ruhig und versuche, das alles genießen zu können."