• 19.06.2005 22:54

Schumacher gewinnt ein "Geister-Rennen"

Michael Schumacher gewann in Indy, das Feiern ließ er aus - mit Polizeischutz unterwegs - Ecclestone: "Nicht gut für die Formel 1"

(Motorsport-Total.com/sid) - Nur sechs Autos am Start, ein gellendes Pfeifkonzert, Pappbecher und Müll auf der Strecke und der erste Saisonsieg für Rekord-Weltmeister Michael Schumacher: Nach dem Reifen-Skandal um Michelin ist der Große Preis der USA zur größten Farce der Formel-1-Geschichte geworden. Schumacher und seine Kollegen mussten vor den aufgebrachten Zuschauern sogar von der Polizei geschützt werden. Gleich vier Beamte begleiteten den Ferrari-Piloten nach dem Rennen zur Pressekonferenz.

Titel-Bild zur News: Polizei im Parc Fermé

Die Piloten, die fuhren, standen unter Polizeischutz

Nur die Bridgestone-Teams Ferrari, Jordan und Minardi nahmen am 9. von 19 WM-Läufen in Indianapolis teil. Die sieben Michelin-Teams dagegen fuhren aus Sicherheitsgründen bereits nach der Aufwärmrunde zum Entsetzen der mehr als 110.000 Fans zurück in die Box. Viele der Zuschauer waren sichtlich erbost über das fragwürdige Schauspiel schon unmittelbar nach dem Start abgewandert. Auch Formel-1-Boss Bernie Ecclestone wollte das Ende nicht miterleben. "Man kann den Teams nicht vorschreiben, was sie tun sollen. Auf jeden Fall war dies hier nicht gut für die Zukunft der Formel 1", sagte der Brite.#w1#

Michelin hatte Bedenken, dass seine Reifen die Renndistanz nicht durchhalten würden. Bis eine halbe Stunde vor dem Rennen wurden möglich Lösungen diskutiert, den Grand Prix zu retten. Den nachträglichen Einbau einer Schikane vor der Steilkurve hatten aber Ferrari und der Automobil-Weltverband FIA abgelehnt.

Sechs Autos - volle WM-Punkte

Daraufhin fuhren Renault, McLaren-Mercedes, BMW-Williams, Toyota, Red Bull, Sauber und BAR-Honda zwar in die Startaufstellung. Das Rennen traten sie nicht an, denn nach der Aufwärmrunde fuhren sie zurück in die Boxen. Damit war das passiert, was bis zuletzt viele nicht für möglich gehalten hatten - eine "Mini-WM" mit einem halben Dutzend Autos, für die es aber volle WM-Punkte gibt.

Ausgerechnet in diesem Skandalrennen holte Weltmeister Michael Schumacher seinen ersten Sieg seit mehr als acht Monaten, nachdem er im Rennen einmal fast mit Teamkollege Rubens Barrichello kollidiert wäre. Der Brasilianer musste auf die Wiese ausweichen, Schumacher fuhr vor Barrichello und Jordan-Pilot Tiago Monteiro zu seinem vierten Sieg in Indy. Mit 34 Punkten ist er in der WM-Wertung nun Dritter hinter Fernando Alonso (Renault/59) und Kimi Räikkönen (McLaren-Mercedes/37).

Richtig freuen konnte sich der Kerpener aber nicht, nach der Siegerehrung nahm er die Champagner-Flasche nur mit, anstatt wie üblich das edle Getränk zu verspritzen. "Das ist sicher nicht der richtige Weg für den 1. Sieg", gab Schumacher zu: "Es war ein Grand Prix der anderen Art. Ich wäre dieses Rennen gerne unter anderen Bedingungen gefahren", sagte der Champion, bat aber um Verständnis: "Ich fühle mit den Fans. Aber Ferrari hat nichts falsch gemacht. Wir müssen uns keiner Schuld bewusst sein", sagte der 36-Jährige.

"Ganz klar, die Sicherheit geht vor. Wir hatten uns für einen Kompromiss eingesetzt. Wir wollten den Zuschauern ein Rennen bieten. Leider kam es nicht dazu", sagte Mercedes-Sportchef Norbert Haug. BMW-Williams-Pilot Nick Heidfeld wollte nur noch "nach nach Hause. Ich habe keine Lust mehr, mir das Rennen anzuschauen". Heidfeld unterstützte den Verzicht aufs Rennen: "Natürlich wären wir alle lieber gefahren, die Entscheidung von Michelin war richtig. Wir wollten keinen Unfall riskieren, das wäre eine Katastrophe für alle."

Renault: "Wollten einfach nur für die Fans fahren"

Dass Ferrari leicht zu 18 wichtigen WM-Punkten kam, war Renault-Teamchef Flavio Briatore völlig egal. "Wir wären auch mit den neuen Reifen gefahren und hätten einen Abzug der Punkte durch den Weltverband FIA in Kauf genommen. Wir wollten einfach nur für die Fans fahren", erklärte der Boss von WM-Spitzenreiter Alonso. Jarno Trulli, der am Samstag die erste Pole Position für Toyota geholt hatte, meinte: "Es ist eine Schande für die Formel 1. Aber die Situation ließ sich nicht abwenden, und es wäre zu gefährlich gewesen. Es ist bitter für die Formel 1 und den ganzen Sport, dass wir heute nicht die erwartete Show bieten konnten."

Michelin hatte mit der Empfehlung des Startverzichts auf die strikt ablehnende Haltung der FIA reagiert. Der Verband hatte eine Anfrage der Franzosen und der sieben Teams abgelehnt, mit neuen Reifen in Indy zu fahren, die noch nicht in der Qualifikation benutzt wurden. Der Technische FIA-Direktor Charlie Whiting informierte am Sonntagmorgen schriftlich Michelin und die Teams davon, dass der Reifenwechsel ein Regelverstoß wäre und von den Rennkommissaren geahndet würde.

Michelin hatte auf den schweren Unfall von Ralf Schumacher reagiert, der am Freitag im freien Training nach einem Druckverlust im linken Hinterreifen in der Steilkurve in die Begrenzungsmauer gerast war und danach auf Anraten der Ärzte auf den Start verzichten musste. Auch bei ausgiebigen Tests, die bis 2.00 Uhr sonntagmorgens im Michelin-Technikzentrum in Greenville/South Carolina andauerten, "war es uns nicht möglich, den Grund zu finden", hatte die Michelin-Führungsspitze der FIA und den Teams mitgeteilt.