Schachspiel Spritverbrauch: Wer zu viel tankt, verliert

(Motorsport-Total.com) - An diesem Wochenende gastiert die Formel 1 beim Großen Preis von Europa zum fünften Mal auf dem Straßenkurs von Valencia. Für die Motoreningenieure hält die abwechslungsreiche Bahn einige interessante Herausforderungen bereit - dazu zählt vor allem der überdurchschnittlich hohe Kraftstoffverbrauch auf der Stop-and-go-Piste.

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Schnell, aber sparsam sein: Motorenexperte Remi Taffin erklärt das Dilemma

!Valencia ähnelt in vielem dem Albert Park in Melbourne", sagt Remi Taffin, der bei Renault für den Einsatz der V8-Motoren an der Strecke verantwortlich ist. "Es gibt das gleiche Wechselspiel zwischen langen Geraden und Kurven, die im ersten, zweiten oder dritten Gang gefahren werden. Das heißt, dass die Autos jedes Mal extrem langsam werden, bevor die Fahrer dann wieder Vollgas geben", beschreibt der Franzose die Charakteristik des Kurses.

Eine Runde in Valencia frisst 2,7 Kilo Sprit

Das hat Folgen: "Hartes Bremsen und dann wieder voll aufs Gas - dieses pausenlose Schließen und volle Öffnen der Drosselklappen führt zu dem bekannt hohen Spritbedarf in Valencia", so Taffin "Im Schnitt verbrauchen wir 0,5 Kilogramm Benzin pro Kilometer. In Montreal - ebenfalls ein spritfressender Kurs - summiert sich das auf etwa 2,15 Kilo pro Runde. In Valencia liegen wir mit rund 2,7 Kilo pro Runde noch einmal deutlich darüber. Das hängt natürlich auch etwas vom Wetter ab", weiß der Motorenexperte.

Bei nasser Strecke wird weniger Leistung abgerufen, das senkt den Verbrauch. Aber da es in Valencia meistens - auch an diesem Wochenende - sehr warm und trocken ist, liegt der Wert am oberen Ende der Verbrauchsskala. Wie so oft, spielt die Charakteristik des Motors auch an der Mittelmeerküste in Chassis-Konstruktion und -Setup hinein. "Jeder weiß, dass wir für Valencia eine größere Menge Kraftstoff brauchen", bemerkt Taffin.

Mageres Gemisch kostet Leistung

"Gleichzeitig möchten die Teams die Tankzellen so klein wie möglich halten, um das Gesamtpaket zu optimieren. Folglich steht Renault als Motorenpartner in der Pflicht, den Kraftstoffbedarf so weit wie möglich zu senken, damit der Tank kleiner ausfallen kann", unterstreicht der Renault-Mitarbeiter. "Theoretisch könnten wir das Benzin-Luft-Gemisch abmagern, denn je weniger Sprit pro Zündvorgang in den Zylinder eingespritzt wird, desto geringer ist der Gesamtverbrauch."

So einfach geht es natürlich nicht, denn ein mageres Gemisch kostet unweigerlich Leistung. Außerdem gefährdet eine zu starke Abmagerung die Haltbarkeit des Motors. "Also müssen wir die optimale Balance aus Leistung, Kraftstoffsparen und Zuverlässigkeit finden", folgert Taffin. Wie in so vielen Bereichen der Formel 1 ist also keine Extremlösung, sondern ein tragfähiger Kompromiss gefragt. Aber wie kann das ausgerechnet auf einem Kurs gelingen, der nach maximaler Power verlangt und maximal Sprit kostet?

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Fahrer und Ingenieure müssen mit der richtigen Strategie antworten Zoom

Sprit sparen durch cleveres Setup

"Wir machen sehr viele Prüfstandtests, um mehr über die verschiedenen Einsatzbedingungen unserer Motoren zu lernen", erklärt Taffin. "Es gibt immer Wege, den Kraftstoffbedarf bei voll oder halb geöffneten Drosselklappen weiter zu senken. Auch beim Bremsen und Herunterschalten haben wir noch Möglichkeiten, Sprit zu sparen. Bekanntlich erhält der Motor beim Herunterschalten in Bremszonen einen automatischen Zwischengasstoß. In diesem Bereich ließe sich noch etwas Benzin sparen."

Genau genommen ist dies sogar der wichtigste Ansatzpunkt: Clevere Abstimmungen könnten auf eine Runde gesehen den Verbrauch um etwa ein Prozent senken - was über eine Renndistanz betrachtet schon 1,5 Kilogramm ausmacht. "Wenn man bedenkt, wie eng das Feld in diesem Jahr zusammen liegt, kann das schon einen Unterschied machen", weiß Taffin.

DRS-Nutzung erhöht Spritverbrauch

Auch Einflussgrößen außerhalb des Antriebsstrangs können sich auf den Spritverbrauch auswirken. "Nach sieben Rennen in dieser Saison haben wir eine ziemlich gute Datensammlung, die den Einfluss von Reifenverschleiß oder DRS-Einsatz erfasst", ist sich Taffin sicher. Diese Erfahrungswerte sind umso wichtiger, da im Qualifying mit frischen, im Rennen naturgemäß meist mit gebrauchten Reifen gefahren wird.

Außerdem darf DRS im Qualifying nach Belieben benutzt werden, im Rennen aber nur auf einem vorgegebenen Streckenteil. "Um den Einfluss von DRS zu verdeutlichen: Wenn der Heckflügel auf der längsten Geraden in Montreal flach gestellt ist, steigt der Verbrauch in so einer Runde um zwei bis drei Prozent an", verrät der Einsatzleiter von Renault. Es wird noch komplexer: "Um über die Renndistanz möglichst schnell zu sein, nutzen wir nicht immer das fetteste Gemisch", überrascht Taffin.

Die Kilos purzeln lassen

"Wer zum Beispiel in den letzten 20 Rennrunden auf das magerste Setting umstellt, kann beim Start mir rund fünf Kilogramm weniger Sprit losfahren - das macht etwa 0,2 Sekunden pro Runde aus", rechnet Taffin. "Auf der anderen Seite haben wir auch die Möglichkeit, mehr Kraftstoff zu verbrennen, als eigentlich nötig wäre. Das ist beispielsweise nach einer Safety-Car-Phase oder hinter einem langsameren Gegner sinnvoll."

"Wenn die Hochrechnungen ergeben, dass wir zuviel Benzin, sprich Gewicht, für die Restdistanz an Bord haben, versuchen wir, den Überschuss zu verbrennen, bis das jeweilige Auto wieder im geplanten Gewichtsbereich liegt. Die Fahrer haben die Möglichkeit, die überzähligen Kilos sehr schnell zu verbrennen oder sie wechseln am Rennende einfach später oder gar nicht in den mageren Modus", weiß der Renault-Experte.

Gespart wird erst zum Schluss

Diese Entscheidung hängt natürlich stark von der Strategie und der Rennsituation ab. "Du musst wissen, in welcher Phase du am schnellsten fahren willst - nach dem Start, zur Rennmitte oder gegen Ende des Rennens. Das wiederum hängt von der gewählten Strategie und der Position auf der Strecke ab, von den Zweikämpfen, die sich ergeben, vom Timing der Boxenstopps und von den jeweils benutzten Reifen", erläutert Taffin.

"Dieses Strategie-Puzzle beeinflusst nicht bloß die Wahl der Kraftstoffmenge am Start, sondern auch die Frage, wann und wie dieser Sprit im Rennen genau eingesetzt wird", meint Taffin und fährt fort: "Üblicherweise wird die magerste Gemischoption in der Schlussphase verwendet, denn meist werden die Positionen im ersten Teil des Grand Prix ausgefochten. Oft sieht die Rennstrategie vor, bis zum letzten Boxenstopp so schnell wie möglich zu fahren."

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Bis zum letzten Reifenwechsel versuchen die Teams Vollgas zu geben Zoom

Gemischverstellung einsetzbar wie KERS

Das setzt voraus: Der Motor sollte maximale Leistung liefern und das Auto so leicht wie möglich sein. In diesem Fall wird in der Startphase die fetteste Gemischvariante gewählt und erst am Ende in den mageren Modus gewechselt. Aber in der Formel 1 gibt es keine Strategie ohne Plan B: "Je nachdem, wie sich das Rennen entwickelt, kann es nötig sein, eine Position zu verteidigen und gleichzeitig im mageren Modus zu fahren - was natürlich nicht ideal ist", skizziert Taffin.

"In diesem Fall könnte ein Fahrer beispielsweise die Gemischanreicherung im Lauf der Runde mehrfach ändern. Also etwa mager in den Kurven und dann fett für maximale Power auf den Geraden. So gesehen, erzielen die Benzin-Abstimmungen einen ähnlichen Effekt wie das KERS, wenn es zum Verteidigen einer Position eingesetzt wird", sagt der Motorenfachmann.

Mit diesen Möglichkeiten versuchen die Teams, aus möglichst wenig Kraftstoff möglichst viel herauszuholen und richten die Strategie entsprechend aus. "Die Fahrt von Romain Grosjean in Kanada hat gezeigt, was alles möglich ist", erinnert Taffin. "Er hat während des gesamten Rennens je nach Situation unterschiedliche Einstellungen benutzt, um jeweils so schnell zu fahren, wie es die Strategie erforderte. In seinem Fall setzte das Team von vornherein auf einen starken Schlussspurt - und das hat sich ausgezahlt."