• 09.02.2003 18:07

Saubers Windkanal setzt neue Maßstäbe

Noch befindet sich der Windkanal des Sauber-Teams im Bau, aber Ende des Jahres wird man mit ihm neue Maßstäbe setzen

(Motorsport-Total.com) - Die Planung eines eigenen Windkanals auf dem Firmengelände in Hinwil geht auf das Jahr 2000 zurück, und der Spatenstich des 70-Millionen-Franken-Projekts (rund 48 Millionen Euro) erfolgte im Oktober 2001. Wenn die Arbeiten weiterhin termingerecht fortschreiten, kann die Inbetriebnahme der kompletten Anlage Ende 2003 erfolgen und damit bereits die Aerodynamik des Sauber C23 im Laufe der Saison 2004 weiter entwickelt werden. Das erste Auto, das komplett aus dem eigenen Windkanal stammen wird, ist der C24.

Titel-Bild zur News: Sauber-Windkanal

Heinz-Harald Frentzen und Peter Sauber besichtigen die Windkanal-Baustelle

"Die Aerodynamik ist der wichtigste Faktor bei einem modernen Formel-1-Auto, deshalb ist der Windkanal auch das wichtigste Werkzeug, um einen erfolgreichen Rennwagen zu bauen. Der Aufwand, den die Spitzenteams in diesem Bereich betreiben, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Es war für mich deshalb eine logische Entscheidung, einen Windkanal zu bauen, der neue Massstäbe setzt", erklärt Peter Sauber und fährt fort, "Es war zudem wichtig für uns, dass die Anlage nicht zwingend an die Formel 1 gebunden ist. Wir werden die Möglichkeit besitzen, Serienautos bis zur Größe eines Vans zu messen."

In Bezug auf Faktoren wie die Windgeschwindigkeiten, die Größe der Testsektion und der Modelle, die Dimensionen der "Rolling Road", das "Model Motion System" sowie die Datenerfassung braucht die Anlage von Sauber einen Vergleich mit existierenden Formel-1-Windkanälen nicht zu scheuen. "Wir sind überzeugt, dass dieser Windkanal in der Summe seiner Eigenschaften neue Maßstäbe in der Formel 1 setzen wird", bringt Saubers Technischer Direktor Willy Rampf das Potenzial der neuen Anlage auf den Punkt.

Der Windkanal ist als geschlossener Kreislauf ausgeführt. Die maximale Länge der Stahl-Verrohrung misst 62 m, deren größte Breite 28 m, und der größte Rohrdurchmesser 9,4 m. Bei Volllast nimmt der einstufige Axialventilator eine Leistung von 3.000 kW auf. In der Testsektion lassen sich so Windgeschwindigkeiten zwischen 10 und 80 m/s (also beinahe 300 km/h) erreichen.

Damit neben 50%- und 60%-Modellen auch Serienfahrzeuge getestet werden können, muss der Messbereich groß genug ausgeführt werden. Mit einem Querschnitt von 15 Quadratmetern und einer besonders langen Messstrecke ist die Testsektion der Sauber-Anlage größer als bei jedem bestehenden F1-tauglichen Windkanal.

Damit die Testobjekte nicht nur frontal, sondern auch leicht schräg bis zu einem Winkel von maximal 10 Grad angeströmt werden können, lässt sich die gesamte Messplattform drehen. Sie ist mit einer aus Stahl gefertigten "Rolling Road" ausgerüstet, denn die Relativbewegung zwischen Fahrzeug und Strasse sowie die rotierenden Räder müssen ebenfalls simuliert werden, um aussagekräftige Resultate zu liefern. Bei der von der amerikanischen Firma MTS für Sauber gebauten "Flat-Trac"-Anlage handelt es sich um das derzeit größte Exemplar weltweit.

Das rotierende, außergewöhnlich breite Stahlband erreicht die gleiche Geschwindigkeit wie die Luftströmung, also fast 300 km/h. Unter dem Rollband sind Wägezellen angebracht, mit welchen sich jederzeit die Radlasten erfassen lassen. Von MTS stammt auch das "Model Motion System", die spezielle Haltevorrichtung für die Modelle.

Die Entscheidung, die Testsektion länger als bisher üblich auszulegen, hat einen ganz besonderen Hintergrund. Die Sauber-Anlage ermöglicht es nämlich, zwei Modelle hintereinander zu positionieren und so die Einflüsse von Windschatten und Luftverwirbelungen zu simulieren. "Durch die hohe aerodynamische Effizienz moderner Formel-1-Autos reagieren diese besonders sensibel auf Veränderungen des Luftstroms. Mit dieser Test-Anordnung haben wir nun erstmals die Möglichkeit, diese Einflüsse systematisch zu erfassen und entsprechende Maßnahmen zu treffen?, erklärt Willy Rampf. Mit der zusätzlichen Möglichkeit, Formel-1-Renner in Originalgröße zu messen, lassen sich darüber hinaus beispielsweise die Kühlung oder die Umströmung des Fahrerhelms besonders präzis definieren.

Zwei Gebäude unter einem Dach

Das Gebäude beeindruckt nicht bloß durch seine Abmessungen (Länge 65 m, Breite 50 m, Höhe 17 m, Bauvolumen 63.000 Quadratmeter), auch die mit Glas verkleideten Fassaden sollen seine Einmaligkeit als Kombination von Industrie- und Eventgebäude spürbar machen.

Was von außen als homogene Halle erscheint, besteht in Wirklichkeit aus zwei klar abgetrennten Gebäudeelementen, dem eigentlichen Windkanal und einem mehrgeschossigen Trakt mit Arbeitsräumen, einem Saal für Events und dem Sauber-Museum. Der Windkanalteil bleibt begehbar und kann bei Bedarf als Erlebniswelt oder Eventbereich verwendet werden. Bei speziellen Gelegenheiten lässt sich nämlich eine Glastrennwand elementweise hochfahren, welche die Trennung zwischen Windkanalhalle und Arbeitsbereich darstellt.

Neben dem Empfangsbereich befindet sich das Sauber-Museum, in welchem mit einer repräsentativen Auswahl von Wettbewerbsfahrzeugen die Geschichte des Rennstalls dokumentiert wird. Der Eventraum im ersten Obergeschoss bietet 80 Personen Platz. Hier können Partner und Sponsoren von Sauber Marketingveranstaltungen, Kundenevents oder Seminare in einer einzigartigen Atmosphäre durchführen. Unter Nutzung aller räumlichen Möglichkeiten lassen sich Veranstaltungen mit bis zu 300 Personen organisieren.

Der zweite und dritte Stock werden durch zwei identische Arbeitsräume belegt. Die beiden Geschosse werden von Sauber selbst genutzt. Hier siedelt man neben den Technikern, die im Windkanal beschäftigt sind, auch die Modelldesigner und Modellbauer, die CFD-Spezialisten sowie andere Mitarbeiter der Aerodynamik-Abteilung an.

Die zwei Stockwerke sind jedoch so konzipiert, dass sie bei Bedarf auch Kunden zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Infrastruktur erlaubt es sogar, dass zwei Teams gleichzeitig im Gebäude arbeiten können, ohne einander zu Gesicht zu bekommen.

Peter Sauber abschließend: "Der neue Windkanal ist in seinem Gesamtkonzept einzigartig. Er ist der sichtbare Beweis dafür, dass es unser oberstes Ziel ist, die Wettbewerbsfähigkeit des Teams weiter zu verbessern und die Attraktivität des Standortes Hinwil langfristig zu sichern."