• 21.07.2011 19:28

  • von Dieter Rencken

Sauber-Doppelinterview: "Effizienz nicht gut genug"

Peter Sauber und Monisha Kaltenborn ziehen Zwischenbilanz: Warum sie mit der Saison eigentlich zufrieden sind und wo es noch Verbesserungsbedarf gibt

(Motorsport-Total.com) - Mit 33 Punkten liegt das Sauber-Team nach neun von 19 Rennen an sechster Position der Konstrukteurs-WM. Kamui Kobayashi und Sergio Perez haben es geschafft, mit Ausnahme von Valencia (und der Disqualifikation in Melbourne) jedes Mal zu punkten. Dementsprechend fällt die Zwischenbilanz von Teamchef Peter Sauber und Geschäftsführerin Monisha Kaltenborn recht zufrieden aus.

Titel-Bild zur News: Monisha Kaltenborn und Peter Sauber

Monisha Kaltenborn und Peter Sauber haben in Hinwil das Sagen

Frage: "Frau Kaltenborn, wie sieht Ihre Zwischenbilanz dieser Saison aus?"
Monisha Kaltenborn: "Wir haben uns am Jahresanfang das Ziel gesetzt, ein schnelles und zuverlässiges Auto zu haben. Diese Zielvorgabe haben wir bislang - mit einer Ausnahme - immer eingehalten, indem wir in die Punkteränge gefahren sind (Disqualifikation in Melbourne nicht eingerechnet; Anm. d. Red.). Von dem her können wir zufrieden sein - auch was die Zuverlässigkeit betrifft, die letztes Jahr ein großes Thema war. Wo wir natürlich noch Aufholbedarf haben, ist die Effizienz. Wenn man sich anschaut, wie viele Punkte wir einfach liegen gelassen haben, müssen wir uns da sicher noch verbessern."

Frage: "Das schließt Australien auch ein, nicht wahr?"
Kaltenborn: "Australien ist eben so ein Fall, wo man etwas hätte machen können, es aber eben nicht machen konnte."

Melbourne war ein Einzelfall

Frage: "Ist dieses Problem nun vollständig aussortiert?"
Kaltenborn: "Ja. Das war eine sehr unglückliche Verkettung von Dingen. Wir hatten sehr wohl auch in der Vergangenheit ein System, das an sich steht und funktioniert. Hier ist einfach sehr viel zusammengekommen, was durch das System gerutscht ist. Wir haben es uns dann noch einmal angeschaut und hier und da noch einmal verbessert. Es war aber kein grober Mangel, der einfach zufällig vorher zu keinen Problemen geführt hat."

Frage: "Sie haben eine sehr junge Fahrerpaarung, nach Erfahrung ebenso wie nach Alter. Es war ein Risiko, Kamui Kobayashi als erfahrenen Mann und Sergio Perez als Rookie zu verpflichten. Hat sich dieses Risiko gelohnt?"
Kaltenborn: "Ich denke, dass es sich absolut gelohnt hat. Wenn man einen Rookie nimmt, hat man immer das Risiko und keine Garantien. Daher galt es für uns, ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich an die Formel 1 gewöhnen können und dass sie auch diese Herausforderungen meistern können. Da haben wir auch eine gewisse Geschichte und Erfahrung. Davon konnten wir auch sicherlich profitieren."

"Wenn man einen Rookie nimmt, hat man immer das Risiko und keine Garantien." Monisha Kaltenborn

Frage: "Aber war es nicht auch auf Fahrerseite so, dass Punkte nicht gemacht wurden, die man eigentlich hätte machen müssen?"
Kaltenborn: "Das ist ein Teil des Risikos. Damit muss man sicherlich umgehen können und die Bereitschaft haben, das zu akzeptieren."

Frage: "Die Zwischenbilanz fällt also positiv aus?"
Kaltenborn: "Absolut, ja."

Letztes Qualifying das Ziel

Frage: "Möchten Sie sich auch dazu äußern, Herr Sauber?"
Peter Sauber: "Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Position zu verbessern, ohne eine Zahl zu nennen. Das andere, was wir uns vorgenommen haben, ist, regelmäßig in die Punkte zu fahren - regelmäßig, nicht bei jedem Rennen. Das wäre natürlich schön!"

"Ein anderes Ziel, das wir nicht genannt haben, ist, im Qualifying in die Top 10 zu kommen. Wir wissen, wie schwierig das ist. Im Moment sind wir auf Platz sechs, also haben wir in den Top 10 eigentlich keinen Platz. Trotzdem muss man es versuchen - so, wie es andere auch können. Ich denke da an Maldonado oder di Resta, die machen das sehr gut. Das sind die Ziele. Eigentlich haben wir diese Ziele erfüllt."

¿pbvin|512|3901||0|1pb¿"Natürlich stört mich sehr, dass wir in Melbourne die zehn Punkte verloren haben. Es ist ja sogar noch schlimmer, denn gegenüber Toro Rosso haben wir nicht nur zehn verloren, sondern sie haben dadurch auch noch vier gewonnen. Das schmerzt noch viel mehr. Gegenüber Mercedes und Renault würden wir deutlich besser aussehen, wenn wir zehn Punkte mehr hätten. Die Zuverlässigkeit ist wieder auf dem alten Stand, das ist ganz wichtig. Die Performance ist okay. Was nicht gut genug ist, ist die Effizienz."

Frage: "Läuft es auch auf kommerzieller Seite mit den Sponsoren gut?"
Sauber: "Mehr wäre besser."

Dollarkurs tut Sauber weh

Frage: "Sie hatten ja sicher ein Budgetziel..."
Sauber: "Ja, wir hatten ein Budgetziel. Da spielt uns die Währungssituation einen gründlichen Streich. Die Währungsprobleme spüren wir massivst. Bernie bezahlt in Dollar und die Sponsoren - nicht alle, aber ein großer Teil - bezahlen in Euro. Das hat in der Vergangenheit funktioniert, denn der Euro war immer zwischen 1,45 und 1,60. Das war okay. Wir haben ungefähr mit 1,45 oder 1,50 budgetiert, aber heute steht er bei 1,17. Der Dollar ist bei 0,82. Das ist eine Katastrophe für uns."

Frage: "Bezahlen Sie die Löhne nicht in Schweizer Franken?"
Sauber: "Die Löhne sind vielleicht ein Drittel des Budgets."

"Die Löhne sind vielleicht ein Drittel des Budgets." Peter Sauber

Frage: "Dann haben Sie ein größeres Budget als zum Beispiel ein Team, das in Italien sitzt?"
Sauber: "Die haben gar kein Problem. Dollar und Euro sind ähnlich, die haben fast keine Probleme. Für uns ist es aber ein massives Problem. Darum sind wir auf der Sponsorenseite sehr stark am Arbeiten."

Frage: "Der Fortbestand für 2012 ist aber nicht gefährdet, oder?"
Sauber: "Nein."

Anpressdruck versus Luftwiderstand

Frage: "Können Sie dem Laien erklären, an welcher Ecke genau das Problem des Autos liegt?"
Sauber: "Eigentlich dreht es sich in der Regel um Downforce und um Luftwiderstand. Das kann man dem Laien erklären. Abtrieb macht man mit Flügeln. Wenn man sie zu stark anstellt, wird der Widerstand zu groß. Wenn man sich ein Formel-1-Auto gut anguckt, dann hat es nicht mehr so viele Flügelchen wie früher, aber es hat immer noch genügend Flügelchen. All diese Flügelchen bringen zwar überall ein bisschen Abtrieb, aber sie machen überall Widerstand. Dieses Verhältnis Widerstand zu Abtrieb, das ist das Entscheidende. Da sind wir noch nicht so gut wie die Großen."

"Was natürlich immer schwer einzuschätzen ist: Wenn wir uns mit McLaren oder Ferrari oder Red Bull vergleichen, dann können wir ja nicht die Fahrer auf gleiches Niveau setzen. Das geht natürlich nicht. Da ist es schwer zu sagen, wo man liegt. Aber wenn wir uns zum Beispiel mit Renault vergleichen, dann bin ich sicher, dass wir mit unseren Fahrern gut bedient sind, obwohl wir mit Perez doch einen Rookie haben. Das sind die Messpunkte: das Auto auf der einen Seite, die Fahrer auf der anderen Seite."

Kamui Kobayashi

Platz fünf in Monte Carlo war das bisher beste Ergebnis der Saison Zoom

Frage: "Nach der Trennung von BMW hat BMW die Motoren- und Getriebeabteilung in München behalten, aber Sie haben den Rest übernommen. Damals wurde gesagt, Windkanal und CFD sind in etwa auf Stand von Ferrari und McLaren. Stimmt das?"
Sauber: "Grundsätzlich muss man sagen: Was hat BMW geändert, als sie gekommen sind? Das war das Geld und nicht Technologie. Denn die war ja nicht vorhanden. Ich lasse den Antrieb mal außen vor, denn den haben wir auch jetzt komplett von Ferrari. Es war das Geld - und das Geld ging wieder weg."

Frage: "Also hat BMW fast nichts in die Technologie investiert?"
Sauber: "Sie haben in die Infrastruktur investiert, aber das war Geld, und wir sind die Mitarbeiter hochgefahren - von gut 200 auf 430. Dadurch, dass wir wesentlich mehr Mittel hatten, konnten wir den Windkanal nicht mehr nur einschichtig fahren, sondern mit BMW dreischichtig, sechs Tage die Woche. Da können Sie viel, viel mehr Teile testen - und diese Teile sind teuer. Die wurden ja teilweise nicht einmal im Haus, sondern extern hergestellt, damit der Windkanal Teile bekommen hat. Das kostet unwahrscheinlich viel Geld."

Mehr Geld = schnelleres Auto

"Dort ist die Effizienz natürlich nicht mehr so gut, aber wenn sie dreimal so viele Teile testen, kommt einfach mehr raus. Darum ist das Auto deutlich schneller geworden. Jetzt ist BMW weg. Was wir haben, ist die gute Infrastruktur. Am Windkanal hat sich aber nichts geändert - den hatten wir vorher schon. Es gab aber schon Infrastruktur im Bereich Mechanical Testing, die hat BMW aufgerüstet."

Frage: "Seither gibt es das Ressourcen-Restriktions-Abkommen. Das bedeutet weniger Personal, weniger Windkanal- und CFD-Zeit. Hat sich das denn nicht ausgeglichen?"
Sauber: "Wir sind wieder runter auf die alte Belegschaft. Wir haben den Windkanal wegen des Restriktions-Abkommens runtergefahren. Wir sind auch mit dem Speed runtergefahren, was für uns schlecht ist, weil wir einen sehr guten Windkanal haben, vor allem einen sehr guten 1:1-Kanal. Da haben wir uns den Reglements angepasst."

Frage: "Wäre man mit BMW wegen des Ressourcen-Restriktions-Abkommens heute auf dem gleichen Niveau, wie es jetzt der Fall ist? Sind Sie wesentlich unter dem Restriktions-Abkommen?"
Sauber: "Wir sind jetzt schon drunter, ja."
Kaltenborn: "Wir haben noch Spielraum nach oben, das ist schon noch so."


Fotos: Großer Preis von Deutschland, Pre-Events


Frage: "Wie viel? 20 Prozent?"
Kaltenborn: "Wir haben sicherlich noch Spielraum, denn die Einschnitte durch den Ausstieg waren sehr groß. Insofern könnten wir sicherlich noch zulegen. Das ist eben der Punkt mit den Sponsoren."
Sauber: "In unserer Teamgröße - und das gilt nicht nur für uns - wird man mit mehr Geld schneller."

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