Saisonanalyse Teil 27: Sauber-Petronas

Lesen Sie im 27. Teil unserer täglichen Saisonanalyse-Serie den Rückblick auf das Jahr des Sauber-Petronas-Teams

(Motorsport-Total.com) - Nach zwei sechsten Plätzen und insgesamt 53 WM-Punkten in den vergangenen beiden Jahren ging das Sauber-Petronas-Team mit großer Zuversicht in die Formel-1-Saison 2005. Basis der neu gewonnenen Selbstsicherheit in Hinwil war vor allem die starke Performance gegen Ende 2004, als Giancarlo Fisichella in fünf der letzten sechs Rennen in die Punkteränge fahren konnte und einmal Neunter wurde.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve und Felipe Massa

Jacques Villeneuve und Felipe Massa fielen 2005 nur recht selten positiv auf

Hauptgrund für diesen Aufwärtstrend war die Inbetriebnahme des neuen Windkanals, die Mitte des Jahres richtig zu fruchten begann. Als dann auch noch Felipe Massa nach dem ersten Test mit Michelin-Reifen begeistert in Hinwil anrief und mit Jacques Villeneuve erstmals in der Teamgeschichte ein ehemaliger Weltmeister verpflichtet wurde, zählte man Sauber-Petronas plötzlich sogar zu den Geheimfavoriten auf den einen oder anderen Podestplatz.#w1#

Massa in Melbourne nur Zehnter, Villeneuve 13.

Doch programmierte Überraschungen funktionieren in der Formel 1 eben nicht, und so war es speziell angesichts der mageren Testergebnisse im Winter wenig verwunderlich, dass Massa und Villeneuve bei der Vergabe der WM-Punkte in Melbourne keine Rolle spielten. Letzterer wurde vom Regen im Qualifying zwar auf den vierten Startplatz gespült, fiel am Sonntag aber sogar weit hinter seinen um zehn Jahre jüngeren Teamkollegen zurück, der nur als 18. losgefahren war.

Speziell zu Saisonbeginn hatte der Rennstall aus der Schweiz unter der Leitung von Technikdirektor Willy Rampf Schwierigkeiten beim Verstehen der Michelin-Reifen, nachdem man zuvor jahrelang Ferrari-Einheitsbrei von Bridgestone vorgesetzt bekommen hatte. Darüber hinaus schaffte man es nicht so gut wie die Konkurrenz, die Auswirkungen der aerodynamischen Regeländerungen zu kompensieren, weshalb man gerade in schnellen Kurven benachteiligt war.

Überraschend kam dann Villeneuves vierter Platz in Imola - begünstigt durch den BAR-Honda-Tankskandal -, denn der Kanadier zeigte auf italienischem Boden nach drei völlig desolaten Vorstellungen in Übersee ausgerechnet auf einem Stop-and-Go-Kurs, dass er das Rennfahren noch nicht verlernt hat. Kurios: Bis dahin hatte er stets behauptet, mit den Bremsen mit am meisten Schwierigkeiten zu haben, doch just diese gelten in Imola als Hauptkriterium...

Stunk zwischen Sauber und Villeneuve nach Monaco

"Ich habe ein schwarzes Buch, in dem ich Plus- und Minuspunkte führe. Jacques hat sich mit seinem Manöver in Monaco Minuspunkte eingehandelt." Peter Sauber

Nach einer unglücklichen Vorstellung in Barcelona waren beide Sauber-Petronas-Piloten in Monaco auf dem Weg zu einem starken Resultat, ehe sich Villeneuve den nächsten Fauxpas erlaubte: Mit griffigeren Reifen und einer schnelleren Pace als Massa wollte der Kanadier an seinem Teamkollegen in der Sainte Devote nach Start und Ziel vorbeigehen, doch anstatt im direkten Duell nichts zu riskieren, beförderte er sich selbst und den Brasilianer ins Aus.

Der Zwischenfall trieb die zu jenem Zeitpunkt ohnehin schon brodelnde Gerüchteküche über eine mögliche Ablöse des 34-Jährigen auf den Höhepunkt, zumal erstmals auch Teamchef Peter Sauber gegenüber Pressevertretern offenkundig an seinem Starfahrer Kritik übte. Der Schweizer bat anschließend beide Fahrer zum Rapport nach Hinwil, verpasste Villeneuve eine ordentliche Ohrfeige - und für den Rest der Saison gab es nie wieder derartige Probleme.

Schlechtestes Abschneiden seit der Saison 2000

Was anschließend folgte, war ein Jahr ohne echte Highlights: Massa wurde Vierter in Montréal und Sechster in Shanghai, Villeneuve Sechster in Spa-Francorchamps - und insgesamt bedeutete dies mickrige sieben Punkteränge bei 19 Rennen und 38 Starts. Schlechter hatte die bodenständige Truppe trotz insgesamt 20 WM-Punkten - 14 weniger als der direkte Konkurrent Red-Bull-Cosworth - zuletzt 2000 mit dem Fahrergespann Mika Salo und Pedro Diniz abgeschnitten.

Peter Sauber, Mario Theissen und Burkhard Göschel

Peter Sauber bei der Unterzeichnung des Übernahmevertrags mit BMW in München Zoom

Ungeachtet des sportlichen Misserfolgs stand für Peter Sauber aber ohnehin eher die Suche nach einem neuen Werkspartner im Mittelpunkt. Der 62-Jährige wollte ursprünglich nur einen billigeren Motorenlieferanten als Ferrari finden, klopfte diesbezüglich bei Toyota an und stieß in Köln sogar auf offene Ohren. Als er später jedoch mit BMW ins Gespräch kam, war schnell klar, wohin der Zug fahren würde - und am 22. Juni wurde der Übernahmevertrag in München endgültig besiegelt.

Mit Sauber verliert die Formel 1 eine ihrer charismatischsten Persönlichkeiten der vergangenen Jahre, denn der Schweizer galt einerseits als bodenständig und ehrlich, schaffte es gleichzeitig aber, mit seinen beschränkten Ressourcen 2001 sogar die Topteams zu ärgern und einen vierten Platz in der Konstrukteurs-WM zu erreichen. Als er sich in Shanghai offiziell verabschiedete, kam daher alles zu seiner Party, was in der Königsklasse Rang und Namen hat.

Analyse der 'F1Total.com'-Experten:

Marc Surer: "Letztes Jahr hat der neue Windkanal Früchte getragen, aber das konnten sie 2005 nicht ganz umsetzen. Sauber hat die Regeländerungen nicht so gut weggesteckt wie andere Teams - sie fanden nicht denselben Abtrieb, denn auf den Strecken, auf denen Abtrieb nicht so entscheidend war, ging es einigermaßen. Der Schwachpunkt war die Aerodynamik. Erschwerend kam der Wechsel hinzu, denn eigentlich wurde das Auto für Bridgestone-Reifen konstruiert. Sie haben versucht, das mit der Gewichtsverteilung zu kompensieren, aber ich hätte mir schon mehr erwartet."

Hans-Joachim Stuck: "Mit den Möglichkeiten, die sie haben, hat Sauber einen ganz guten Job gemacht. Das war schon okay. Und Peter Sauber wird als Teamchef natürlich sehr fehlen."

Statistiken zur Saison des Sauber-Petronas-Teams:

Teamwertung: 8. mit 20 WM-Punkten (Gesamtübersicht)
Anzahl der gefahrenen Rennen: 18 (Gesamtübersicht)
Anzahl der Siege: 0 (Gesamtübersicht)
Anzahl der Pole Positions: 0 (Gesamtübersicht)
Durchschnittlicher Startplatz: 12,1 (Gesamtübersicht)
Anzahl der schnellsten Rennrunden: 0 (Gesamtübersicht)
Bestes Ergebnis Qualifying: 4.
Bestes Ergebnis Rennen: 4.
Gefahrene Führungsrunden: 0 (Gesamtübersicht)
Ausfallrate: 13,2 Prozent (Gesamtübersicht)
Testtage: 35 (Gesamtübersicht)
Testkilometer: 15.714 (Gesamtübersicht)
Test-Tagesbestzeiten: 8 (Gesamtübersicht)