• 18.11.2005 14:10

  • von Fabian Hust

Saisonanalyse Teil 26: Jordan-Toyota

Lesen Sie im 26. Teil unserer täglichen Saisonanalyse-Serie den Rückblick auf das Jahr von Jordan-Toyota

(Motorsport-Total.com) - Eddie Jordan war in der Formel 1 jahrelang ein echter Überlebenskünstler. Es war schon fast ein Wunder, dass es der Ire irgendwie doch immer geschafft hat, eine komplette Saison zu bestreiten. 1999 feierten die "Gelben" das bisher beste Jahr, als Heinz-Harald Frentzen in Magny-Cours und Monza die Ziellinie als Erster überquerte und man Dritter in der Konstrukteurs- und Fahrerwertung wurde. Zwar gelang Fisichella 2003 ein Sieg im Regen-Chaos-Rennen von Brasilien, dennoch war der Abwärtstrend in den vergangen Jahren nicht zu übersehen.

Titel-Bild zur News: Narain Karthikeyan

Das letzte Rennen von Jordan endete mit einem schweren Unfall

Dabei hatte 1991 alles so gut angefangen, als man Michael Schumacher in Belgien das Formel-1-Debüt ermöglichte. Seitdem hat Jordan eine Schwäche für deutsche Piloten gezeigt. Auch Bruder Ralf saß zwei Jahre lang am Steuer des Jordan. 2004 verpflichteten die "Gelben" den Deutschen Nick Heidfeld als Stamm- sowie Timo Glock als Testfahrer. Auch Marcel Lasée durfte den Jordan testen.#w1#

David Coulthard und Eddie Jordan

Eddie Jordan ist jetzt nur noch als Zuschauer ab und zu dabei Zoom

Eddie Jordans Ära in der Formel 1 fand Anfang des Jahres jedoch zwangsläufig ein Ende, denn der Rennstall stand vor dem Bankrott. Im Januar 2005 verkaufte der 57-Jährige sein Team an Alex Shnaider, dem Unternehmer, der mit seiner Midland-Gruppe kommendes Jahr "richtig" in die Formel 1 einsteigen wird. In dieser Saison ging das Team noch unter dem Namen Jordan an den Start. 2006 fahren die Renner mit russischer Lizenz unter dem Teamnamen "MF1 Racing".

Als Fahrer verpflichtete man für die abgelaufene Saison die beiden Formel-1-Neulinge Tiago Monteiro und Narain Karthikeyan - eine Fahrerwahl die nicht überall auf Verständnis stieß und in erster Linie finanzielle Hintergründe gehabt hatte.

Monteiro und Karthikeyan

Tiago Monteiro und Narain Karthikeyan waren beides Formel-1-Neulinge Zoom

Vor allem Karthikeyan erschloss als erster Inder in der Formel 1 einen völlig neuen Markt, was aber nicht die erhofften Sponsoren anlockte, weswegen man sich von seinem Fahrer wieder trennte und stattdessen für 2006 Christijan Albers verpflichtete, der mehr Geld in das Team bringt. Die Vertragsverlängerung mit Tiago Monteiro dürfte hingegen in Kürze bekannt gegeben werden.

Dass der Name Midland in der vergangenen Saison noch nicht auf den Autos beworben wurde, war wohl gut, denn die Autos waren nicht konkurrenzfähig. Man startete mit einem Auto in die Saison, das in den letzten Jahren kaum entwickelt worden war und mit dem im letzten Jahr nur Nick Heidfeld einigermaßen zurechtgekommen war. Die Formel-1-Neulinge Monteiro und Karthikeyan hatten teilweise sichtbare Probleme, den EJ15 auf der Strecke zu halten.

Alex Shnaider und Gary Anderson

Hat Alexander Shnaider das Unterfangen Formel 1 unterschätzt? Zoom

Alex Shnaider steckte im ersten Jahr kaum Geld in sein Team. Das ist auf der einen Seite verständlich, denn der Rennstall war erst wenige Wochen vor dem Saisonstart übernommen worden und so konnte man kaum noch etwas ausrichten. Auf der anderen Seite machte man kein Geheimnis daraus, dass man dieses Jahr als Übergangsjahr ansieht und erweckte den Eindruck, dass man nicht alles in der Macht stehende getan hat, um nach vorne zu kommen.

Immerhin schickte man noch ein modifiziertes B-Auto auf die Strecke, dessen Aerodynamik vor allem im Heckbereich überarbeitet wurde. Doch das neue Modell bereitete Probleme mit der Kühlung und da der Rennstall nach Minardi am wenigsten testete, brauchte man bis zum Italien-Grand-Prix, dem 15. Rennen des Jahres, bis der Bolide einsatzbereit war. Zuvor hatte schon Hauptgegner Minardi eine B-Version gebracht und sich vor die Gelben gesetzt. Ab diesem Zeitpunkt war die Patt-Situation damit mehrheitlich wieder hergestellt.

Tiago Monteiro

Auch mit dem EJ15B war das Jordan-Team nicht schnell genug Zoom

Doch auch der EJ15B war nicht konkurrenzfähig, weswegen man die Toyota-Power im Heck nicht nutzen konnte. Bemerkenswert gut war lediglich die Zuverlässigkeit des Autos. Mit einer Ausfallquote von 10,7 Prozent war man nur minimal weniger zuverlässig als Branchenprimus Toyota. Die Ausfallliste des Teams ist kurz: In Bahrain streikte bei Karthikeyan die Elektronik, in Monaco die Hydraulik und in Großbritannien die Elektrik.

Während Monteiro es schaffte, mit 16 Zielankünften in Folge seit seinem Formel-1-Debüt einen neuen Rekord aufzustellen und insgesamt nur einen Ausfall (Brasilien) zu beklagen hatte, musste sein Teamkollege in Monaco das Auto abstellen, nachdem er die Leitplanken berührt hatte. Seinen nach eigener Aussage schlimmsten Unfall erlebte er ausgerechnet beim Saisonfinale in China, als er mit voller Wucht in die Reifenstapel krachte und das Auto dabei in mehrere Teile gerissen wurde.

Tiago Monteiro vor Narain Karthikeyan

Monteiros achter Platz in Spa war das sportliche Highlight des Jahres Zoom

Dank der Zuverlässigkeit konnte das Team immerhin zuschlagen, wenn es etwas zu holen gab, so zum Beispiel den dritten und vierten Rang für Monteiro und seinen Teamkollegen beim "Skandalrennen" von Indianapolis oder den achten Platz für Monteiro in Spa-Francorchamps, wo Fahrer und Team den widrigen Wetterbedingungen trotzten und eine tolle Leistung zeigten.

Am Ende blieb es dann bei den drei Punkteresultaten. Realistisch gesehen wäre für den Rennstall aus Silverstone nicht mehr als ein WM-Punkt drin gewesen, doch dank des Indy-Rennens hatte man am Ende der Saison 12 Punkte und konnte damit das Jahr vor dem Minardi-Team beenden, mit dem man sich über das Jahr eine Art Privatduell geliefert hatte.

Nachdem Minardi durch Red Bull aufgekauft wurde, muss sich Alex Shnaider strecken, um aus seinem Rennstall kommendes Jahr ein konkurrenzfähiges Team zu machen. Die Gefahr, in der Zukunft die rote Laterne zu stellen, ist nicht von der Hand zu weisen. Immerhin hat man mit dem Toyota-Motor wohl auch 2006 ein konkurrenzfähiges Triebwerk im Heck und auch Reifenpartner Bridgestone könnte dank der Wiedereinführung von Reifenwechseln während der Rennen wieder zur alten Form zurückkehren.

Analyse der 'F1Total.com'-Experten:

Marc Surer: "Jordan ist in die Bedeutungslosigkeit abgestürzt. Eddie Jordan fehlt, also ist das Team farblos, und trotz des guten Motors hat man auch auf schnellen Strecken kaum etwas von ihnen gesehen. Ich durchschaue die Teamstrategie nicht: Will man einfach in der Formel 1 sein, denn dann ist das so okay, aber will man Erfolg haben, dann muss man die Ärmel hochkrempeln. Wenn sie so weitermachen, ist Jordan das Minardi-Team der Zukunft. Natürlich sind viele neue Gesichter dabei, aber das Beispiel Christian Horner bei Red Bull zeigt, dass es dennoch funktionieren kann."

Hans-Joachim Stuck: "Ich glaube, dass Alex Shnaider nicht ganz begriffen hat, dass es nicht reicht, ein Formel-1-Team nur zu kaufen, sondern da muss man schon ein bisschen mehr Geld in die Hand nehmen. Wahrscheinlich hat er nicht genau gewusst, worauf er sich da einlässt. Teams wie Jordan braucht die Formel 1, keine Frage, aber in dieser neuen Konfiguration hätte ich mir ehrlich gesagt ein bisschen mehr erwartet."

Statistiken zur Saison des Jordan-Toyota-Teams:

Teamwertung: 9. mit 12 WM-Punkten (Gesamtübersicht)
Anzahl der gefahrenen Rennen: 19 (Gesamtübersicht)
Anzahl der Siege: 0 (Gesamtübersicht)
Anzahl der Pole Positions: 0 (Gesamtübersicht)
Durchschnittlicher Startplatz: 11,4 (Gesamtübersicht)
Anzahl der schnellsten Rennrunden: 0 (Gesamtübersicht)
Bestes Ergebnis Qualifying: 11.
Bestes Ergebnis Rennen: 3.
Gefahrene Führungsrunden: 0 (Gesamtübersicht)
Ausfallrate: 10,7 Prozent (Gesamtübersicht)
Testtage: 24 (Gesamtübersicht)
Testkilometer: 9,710 (Gesamtübersicht)
Test-Tagesbestzeiten: 1 (Gesamtübersicht)