• 21.02.2008 18:03

Ross Brawn: "Wir haben kein Siegerauto"

Der prominente Teamchef im Interview über alte Ferrari-Freunde, neues Technik-Personal und zukünftige Honda-Hoffnungen

(Motorsport-Total.com) - Nach der verkorksten vergangenen Saison möchte Honda wieder an die Erfolge aus dem Jahr 2006 anknüpfen. Doch die Testzeiten des neuen RA108 zeigten eher ein Bild der Stagnation auf niedrigem Niveau. Im Rahmen einer Pressekonferenz in Tokio bezog der neue prominente Teamchef Ross Brawn in einem Interview zur aktuellen Situation Stellung.

Titel-Bild zur News: Honda

Ross Brawn macht Honda für 2009 fit

Frage:"Welche Eindrücke von neuen Auto hast Du nach den ersten Testfahrten?"
Brawn:"Ich glaube, dass wir in etwa dort stehen, wo wir uns erwartet hatten. Es läuft noch ein intensives Entwicklungsprogramm bis zum Saisonstart, vor allem im Bereich Aerodynamik. Ich denke, das ist ein wichtiger Bereich, um den wir uns kümmern müssen."#w1#

"Wir haben die Philosophie im Bereich der Aerodynamik geändert, denn wir haben viel mehr Wert auf die Bereiche Fahrbarkeit und Konstanz gelegt. Die neuen Leute, die sich um das Programm kümmern, sind erst im Sommer vergangenen Jahres dazu gestoßen. Das ist verdammt spät, für ein so umfangreiches Programm."

"Was wir also gemacht haben ist, das neue Auto erst einmal mit einen aerodynamischen Standard-Paket zu versehen. Wir werden in der kommenden Woche in Barcelona schon einige neue Teile haben, aber das große neue Paket wird erst in der Woche darauf in Jerez am Auto sein. Und das sollte ein großer Schritt sein für einen erfolgreichen Saisonstart."

"Wir beginnen jetzt so langsam, die mechanische Seite des Autos zu verstehen und wir haben einige Ideen, wie wir etwas in den kommenden Monaten verbessern können. Ich denke, die Performance ist im Moment okay. Es ist nichts wirklich besonderes im Augenblick, es bleibt genügend Entwicklungspotenzial für die Saison."

Ziel: Weltmeistertitel

Frage:"Wo hast du bislang die Stärken und Schwächen des Teams ausmachen können?"
Brawn:"Ich glaube, das Team hat viele Stärken. Meine Hauptaufgabe betseht darin, diese starken Teile passend zusammenzufügen und daraus eine effektive Einheit zu bilden. Ich glaube, darauf werde ich in den kommenden Monaten meine Priorität setzen."

"Wir haben eine starke Chassis-Abteilung, eine tolle Aerodynamik-Gruppe und wir haben eine intensive Unterstützung durch die Honda-Entwicklungsabteilung in den Bereichen Motor und Getriebe. Meine Aufgabe ist es nun, dies alles zu verknüpfen und ich denke, dass dort bislang die Schwäche des Teams war. Ich denke, die Truppe muss enger zusammenwachsen und enger zusammenarbeiten. Jeder ist an der Umstrukturierung beteiligt."

Frage:"Du hast mit Benetton und mir Ferrari viele Titel gewonnen. Was ist Deine Herausforderung bei Honda?"
Brawn:"Die Weltmeisterschaft zu gewinnen!"

Frage:"Ist das eine neue Herausforderung?"
Brawn:"Es gibt da nicht so viele Unterschiede. Mir war wichtig zu verstehen und zu erkennen, dass Honda alles daran setzen will, die Weltmeisterschaft zu gewinnen und das hat sich bestätigt. Das ist das Wichtigste. Eine Leute sind nur aus wirtschaftlichen Gründen in der Formel 1 und andere wollen eben den Titel gewinnen - Honda gehört auf jeden Fall zu denen, die Meisterschaften gewinnen wollen."

"Wir haben bei Ferrari beidseitig keine Lösung für meine Rückkehr gesehen" Ross Brawn

Frage:"Wie haben Deine früheren Ferrari-Mitstreiter, vor allem Michael Schumacher, reagiert, als sie erfuhren, dass Du zu Honda wechselst?"

Frage:"Du bist bei Honda Teamchef und nicht mehr Technischer Direktor, Du hast also einen größeren Arbeitsbereich. Wie unterschiedlich ist das?"
Brawn:"Wenn ich das mit meinen zehn Jahren bei Ferrari vergleiche, da war Jean Todt eben Teamchef und ich Technischer Direktor und Jean hatte mit der technischen Seite nichts zu tun. Wir haben uns dort in vielen Bereichen Aufgaben geteilt und ich glaube, meine Rolle bei Honda wird in vielen Bereichen ähnlich sein, wenn es um Verantwortlichkeit in gewissen Bereichen geht. Aber es gibt eben auch neue Arbeitsfelder. Ich bin näher an den Fahrern und ich muss mehr auf die Gesamtstrategie des Rennstalls achten."

"Es ist aber schön, dass ich mich auf Bereiche konzentrieren kann, in denen meine Stärken liegen. Vor allem ist es gut, dass wird Nick Fry haben, der sich um die kommerzielle Seite kümmern kann. Wir kommen genauso gut miteinander aus, wie ich damals mit Jean Todt bei Ferrari ausgekommen bin, auch wenn das unterschiedliche Rollen waren. Also so ein großer Unterschied ist da gar nicht."

Neues Personal für neue Erfolge

Frage:"Nochmal zurück zur aktuellen Formel 1. Wenn ihr schlecht startet und hinterher fahrt, dann scheint so etwas innerhalb der Saison schwer aufholbar zu sein. Wenn man sich die vergangenen Tests anschaut, dann liegt Honda weit hinten und dazu kommt noch, dass die Aerodynamik-Pakete so spät kommen. Muss man sich über Hondas Form Sorgen machen?"
Brawn:"Ich denke, wir hatten - meine Person inbegriffen - sehr viele Umstrukturierungen im Team und zwar in vielen Bereichen. Wir haben Steve Clark im Bereich Renneinsätze dazu bekommen, Loïc Bigois ist in der Aerodynamikabteilung dazu gekommen und Jörg Zander kam erst im Januar im Chassisbereich zu uns. Ich glaube, dass was wir auf der Strecke gesehen haben und noch sehen werden, spiegelt nicht das Potenzial des Teams wieder. Ich glaube, das Team hat ein riesiges Potenzial."

"Was sehr wichtig ist, ist das Jahr 2009. In 2009 wird es neue Regeln geben und das gibt uns die tolle Gelegenheit hier bei Honda mit einem weißen Blatt Papier bei Null zu beginnen. Die Schwierigkeit innerhalb einer Saison ist, dass du doppelt hart arbeiten musst um aufzuholen, weil sich alle anderen Teams ja auch weiter entwickeln."

"In 2009 fangen allen mit den neuen Regeln wieder neu an und das ist für uns die Gelegenheit, viel konkurrenzfähiger zu werden. In diesem Jahr müssen wir einen Kompromiss finden, zwischen Weiterentwicklung für 2008 und Neuentwicklung für 2009. Wir müssen voraus schauen und dürfen uns nicht von den Leistungen des aktuellen Autos irritieren lassen. Denn dieses Auto spiegelt nicht die Stärke unserer Leute wider - und das Personal ist am allerwichtigsten."

Frage:"Wie viele Siege werdet ihr in diesem Jahr einfahren?"
Brawn:"Rennsiege wären in diesem Jahr reiner Zufall. Wir müssen realistisch bleiben und einfach sagen, unser Ziel ist es in die Punkte zu fahren um wieder respektiert zu werden, um das Team zu konsolidieren und die Mannschaft wieder in Schwung zu bringen. Sollten wir dieses Jahr gewinnen, wäre das großes Glück."

"Rennsiege wären reiner Zufall" Ross Brawn

"Aber wie ich schon sagte: wir müssen auf 2009 und 2010 schauen. Wir haben jetzt einen Plan und ein Programm und ich bin zurecht zuversichtlich, dass dieses Programm funktionieren wird. Wir haben heute kein Siegerfahrzeug aber wir werden sehen, was im Laufe des Jahres passiert und für 2009 und 2010 können wir viel optimistischer sein."