• 09.11.2014 00:02

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Rosberg, Hamilton und der Chinese auf dem Boot

Während der Deutsche auf Chaos hofft, wittert sein Stallgefährte eine Prozession und will das Risiko des Überholens sorgsam abwägen - Was Macao mit allem zu hat

(Motorsport-Total.com) - Das Mercedes-Teamduell bestimmt seit dem Saisonbeginn die Formel-1-Schlagzeilen. Obwohl auf sportlichem und politischem Parkett einige heiße Themen hinzugekommen sind, hat sich an der Szenerie an der Spitze des Feldes kaum etwas verändert. So lautet auch am Vorabend des Brasilien-Grand-Prix die Gretchenfrage: Nico Rosberg oder Lewis Hamilton? Die beiden Hauptdarsteller wollen ohne Flügelsalat auskommen und hoffen, dass sich Formel-3-Geschichte zehn Jahre später nicht wiederholt.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Lewis Hamilton und Nico Rosberg beim Handshake: So soll's wieder sein Zoom

Sonst hätten Sao Paulos Fischer am Sonntag ungebetenen Besuch. Es geht um den Nachwuchs-Grand-Prix zwischen den Leitplanken des Guia Circuit im Jahre 2004. "In Macao sind wir aus der ersten Reihe gestartet, ich war vorne und in Kurve 1 auf der Bremse zu spät dran", erinnert sich Rosberg schmunzelnd. "Ich krachte in die Reifenstapel. Lewis sah eine Zielscheibe, tat genau das Gleiche und knallte mir ins Heck. Ich war zwei Stunden mit einem Chinesen auf einem Fischerboot, um die Wut loszuwerden."

Die Fahrfehler, die sie im Alter von 19 Jahren begingen, würden ihnen nicht mehr unterlaufen. Dafür ist im Verhältnis Rosberg/Hamilton vieles beim Alten geblieben. Meldungen über Zwist im Lager der Silberpfeile führen beim Deutschen zu blankem Entsetzen. "Ich lese Dinge, wo ich mir nur denke: 'Mein Gott, es ist genauso wie vor 15 Jahren!' Viele Stärken und Schwächen sind die gleichen." Welche genau, das kommentiert Rosberg grundsätzlich nicht. Aktuell beschäftigt er sich aber mit dem richtigen Rhythmus.

Prozession bringt Rosberg den Sieg, nicht den Titel

In Austin habe es zu lange gedauert, diesen nach dem Start von der Pole-Position zu finden. Mehr Longrun-Training in Interlagos soll Abhilfe geschaffen haben. Hamilton geht dagegen mit breiter Brust ins Rennen: "Für mich ändert sich nichts an diesem Wochenende", sagt der Seriensieger, der die jüngsten fünf Läufe für sich entschied. "Ich habe Nico schulbuchmäßig überholt, wir dürfen uns nur nicht berühren. Ich bleibe bei meiner Herangehensweise. Wenn ich ein Risiko eingehen muss, hilft mir meine Erfahrung."

Allerdings könnte es in Brasilien schwieriger werden als in den USA. Erstens will Rosberg einen Bedienfehler abgestellt haben, zweitens ist Überholen kniffliger. "Besonders auf den Longruns", merkt Hamilton mit Blick auf das Schonen der Reifen an. "Zwei identische Autos, da wird es verdammt hart. Vielleicht gibt es gar keine Chance." Dann - so kennt man den Champion von 2008 - wird er einen Weg suchen, diese zu nutzen. Sonst besinnt er sich auf das Sammeln von WM-Punkten und das Konservieren seines Vorsprungs.


Großer Preis von Brasilien

Hamilton mit strategischem Nachteil?

Bei der Strategie sieht Rosberg nicht viele Möglichkeiten und wünscht sich sogar einen Hauch Chaos. Schließlich nützt ihm eine Prozession gar nichts, wenn Hamilton mit zwei zweiten Plätzen die Krone eintütet: "Wenn es trocken bleibt, ist die Sache selbsterklärend. Wenn es regnet, wird es spannender und das könnte gut sein. Ich brauche nämlich Hilfe meines Teamkollegen", weiß der Wiesbadener. "Mit diesem Auto spielt die Strecke ohnehin keine Rolle. Ich fühle mich einfach überall wohl."

Sogar dann, wenn er ungeliebterweise mit den Pneus haushalten muss: "Ich habe nämlich die Tendenz, mich da zu verlaufen. So mit den Vorderreifen umzugehen ist nicht natürlich für mich." In Texas bedeutet dieses Problem einen Schlag ins Kontor und so hat Interlagos doch gewisse Vorteile zu bieten: "Hier gibt es aber nicht so viele schnelle Ecken wie in Austin." Weiterer Pluspunkt für Rosberg ist, dass er als Mann auf der Pole-Position die Strategie als erster der beiden Fahrer wählen darf.

"Die Strategie zuerst zu wählen ist am Sonntag kein Vorteil." Lewis Hamilton

Hamilton ist sich dieser Tatsache bewusst: "Es gibt immer eine Optimalstrategie. Die bekommt das Auto, das vorne ist. Dann gibt es eine etwas, aber nicht viel schlechtere. Am Sonntag halte ich es aber nicht für einen Vorteil." Der Brite denkt auch an Williams, wenn er den so wichtigen zweiten Rang sichern will. "Es ist gut, dass sie so nahe dran sind", lässt er die Journalisten staunen und auch seinen Teamkollegen ein bisschen hoffen: "Vielleicht sehen wir morgen ein ganz anderes Rennen." Bei dem zwei Mercedes in Kurve 1 einen Auffahrunfall bauen?